Wissensbibliothek

Voltaire: Führer der europäischen Aufklärung

Lässt sich Voltaires philosophische Haltung auf den Punkt bringen?

Auf jeden Fall – es gibt eine philosophisch-literarische Position, die sein ganzes Werk durchzieht: Vernunft und Witz vereint Voltaire zu Ironie, mit der er Dummheit, Intoleranz und Bevormundung angreift. Der Aufklärer Voltaire kämpft um rationale Selbstbestimmung, Meinungsfreiheit und gegen die weltanschauliche Vormacht der Kirche.

Was zeichnet den Philosophen von früh an aus?

Es ist der Geist des Widerstandes gegen eine als überholt empfundene Ordnung. Voltaire wurde am 21. November 1694 in Paris geboren. Mit bürgerlichem Namen hieß er François Marie Arouet; ab 1719 nannte er sich Voltaire. Von seinem Vater, einem Notar, zum Jurastudium gedrängt, betätigte er sich dennoch schon früh philosophisch und vor allem als Satiriker: Spottschriften über Herzog Philipp von Orléans, der nach dem Tod Ludwigs XIV. die Regentschaft in Frankreich übernommen hatte, brachten ihm Verbannung und 1717 elf Monate Gefängnisaufenthalt in der Bastille ein.

Er begann dort mit der Niederschrift eines Epos über König Heinrich IV., hinter dem der Ehrgeiz stand, Frankreich ein Nationalepos vom Rang der lateinischen »Aeneis« zu verschaffen. Mit »Oedipe« (1718) brachte er seine erste klassizistische Tragödie zur Aufführung, eine Gattung, mit der Voltaire sich zeit seines Lebens mit großem Erfolg beschäftige. Trotz wachsenden Ruhms als Theaterautor musste Voltaire aufgrund eines Streits mit einer Adelsfamilie Frankreich verlassen.

Welchen Einfluss hatte das liberale England?

1726 bis 1729 hielt sich Voltaire in England auf. Hier eignete er sich die Position des Deismus an: Danach greift Gott nicht mehr in das Weltgeschehen ein, das, einmal von ihm in Gang gesetzt wie ein Uhrwerk, von selbst weiterläuft. Diese Kausalverkettungen gilt es als aktiver und willensfreier Mensch zu durchschauen. Voltaire war davon überzeugt, dass mit Vernunft die vom Menschen selbst verschuldeten Abhängigkeiten und Missstände beseitigt werden können.

Wieder in Paris, veröffentlichte Voltaire seine Schilderung der englischen Verhältnisse und die damit verbundene Kritik an Frankreich in den »Philosophischen Briefen« (1734). Von 1734 bis 1749 hielt sich Voltaire auf dem Gut einer Geliebten auf, wo er unter anderem an der berühmten von Diderot und d'Alembert herausgegebenen Enzyklopädie mitarbeitete.

War Voltaire ein weltfremder Intellektueller?

Nein, Voltaire stand mitten im Leben! So mischte er sich immer wieder in die öffentlichen Angelegenheiten ein. Zu diesen Aktivitäten zählten auch politische Diskussionen in einem Briefwechsel mit Friedrich dem Großen, in dem Voltaire das Ideal des aufgeklärten Monarchen sah. Von 1750 bis 1753 folgte er sogar einer Einladung des Königs nach Berlin. Aber auch in anderer Hinsicht erwies sich der Philosoph als gar nicht weltfremd. So hatte er es nicht versäumt, sich über die Jahre finanzielle Rücklagen zu schaffen. Diese ermöglichten es ihm 1758, ein ganzes Dorf mitsamt Schloss auf der französischen Seite des Genfer Sees zu erwerben. In Fernay lebte Voltaire bis kurz vor seinem Tod am 30. Mai 1778 in Paris.

Welche Thematik bestimmte sein Spätwerk?

Es war seine Kritik an Religion und Kirche. In deren großem Einfluss sah Voltaire ein entscheidendes Hemmnis für den wissenschaftlichen und politischen Fortschritt. Zeugnis seines Antiklerikalismus ist das beißend-witzig geschriebene »Philosophische Taschenwörterbuch« (1764, ab 1770 »Philosophisches Wörterbuch«). Es vermittelt zusammen mit den philosophischen Erzählungen »Zadig» (1747) und »Candide» (1759) vielleicht einen ersten Zugang zum ironischen Stil und zur Thematik Voltaires.

In »Candide« widerlegt Voltaire polemisch Leibniz' einflussreiche These, die bestehende sei die beste aller möglichen Welten. Mit fast boshaftem Vergnügen schickt er den arglosen Candide mit seinem naiven Glauben an das Gute in die schlimmsten Abenteuer. Candide wird ständig übel mitgespielt, am Ende hat das Leben nur wenig zu bieten. Mit Naivität und Gottvertrauen lässt sich also nicht viel ausrichten. Voltaire wollte auch hier davon überzeugen, dass vernünftige Tatkraft zur Bewältigung der vom Menschen selbst verursachten Probleme am besten geeignet ist.

Wussten Sie, dass …

Voltaire auch ein bedeutender Historiker war? Sein »Essai sur l'histoire générale et sur les mœurs et l'esprit des nations« (Versuch über die allgemeine Geschichte, über die Sitten und den Geist der Nationen) zählt zu den großen Werken der Geschichtsschreibung.

Voltaire erst wieder 1778 nach 28 Jahren in seine Geburtsstadt Paris zurückkehrte und dann dort starb?

Hardwicke's_Woolly_Bat_(Kerivoula_hardwickii)_at_a_pitcher_of_Nepenthes_hemsleyana_(N._baramensis)_where_it_roosts._Photographed_in_flight_tent.
Wissenschaft

Die Tricks der fleischfressenden Pflanzen

Pflanzliche Karnivoren haben raffinierte Methoden entwickelt, um Insekten anzulocken und zu verdauen – eine gute Überlebensstrategie auf nährstoffarmen Böden. von CHRISTIAN JUNG Biete Schlafplatz, suche Kot! – so lockt die fleischfressende Pflanze Nepenthes hemsleyana Wollfledermäuse in ihre Kannen. Und die hinterlassen dort...

Faszination-Vielfalt-Mai-20-19-c-Sven-Traenkner-scaled.jpg
Wissenschaft

  Vom Leben und  Sterben der Arten

In den letzten rund 440 Millionen Jahren gab es fünf Massenaussterben. Forschende untersuchen, was den derzeitigen Artenschwund bewirkt. Sie liefern wichtige Erkenntnisse als Grundlage für Politik und Umweltschutz. Kompakt Es gibt viele Gründe für den Artenschwund. Doch künftig wird sich verstärkt die Erderwärmung auswirken....

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Fremdwörterlexikon

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon