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Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1957

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»Das planetarische Zeitalter hat begonnen«, verkündet die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« im Oktober, als die Sowjetunion den ersten künstlichen Satelliten »Sputnik 1« ins Weltall schickt. Mit dem Slogan »Keine Experimente« feiert Konrad Adenauer einen Monat zuvor einen überwältigenden Erfolg bei der Bundestagswahl. Zwei Devisen, die das Geschehen des Jahres 1957 charakterisieren: Die Welt schwankt zwischen Aufbruch und Verharren.

Gemeinsam mit den westeuropäischen Staaten strebt die Bundesrepublik nach einer eigenständigen Rolle im globalen Kräftespiel. Mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die am 25. März von den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Italien und der Bundesrepublik ins Leben gerufen wird, wollen die Europäer einen großen Schritt in diese Richtung tun.

Auch wenn die Bedeutung dieser Ereignisse von den Menschen 1957 kaum erfasst werden kann, sorgt nach den Mangeljahren des Krieges und der harten Zeit des Wiederaufbaus der zunehmende Wohlstand für allgemeine Zufriedenheit. Während die Löhne in der Bundesrepublik seit 1950 um knapp 50 % gestiegen sind, kletterten die Preise nur um knapp 10 %. Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard kann deshalb die Devise ausgeben »Wohlstand für alle«. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung Konrad Adenauers ist nach acht Jahren Amtszeit so groß wie nie. Über 50 % geben bei der Bundestagswahl dem 81-Jährigen ihre Stimme. »Der Alte«, wie Adenauer von Anhängern und politischen Gegnern respektvoll genannt wird, ist auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere.

Dass die deutsche Bevölkerung das Erreichte bewahren will und in Neuerungen eher einen Risikofaktor sieht, zeigt sich auf den unterschiedlichsten Gebieten des öffentlichen Lebens. Die Einführung von Automaten und Computern in der Industrieproduktion und in der Verwaltung betrachten viele mit Skepsis und Misstrauen. Ähnliches gilt für das Kulturgeschehen. Auf deutschen Bühnen dominieren Klassikerinszenierungen wie »Faust« und »Hamlet«.

Die Idylle der Wirtschaftswunder-Gesellschaft wird 1957 getrübt von einem Skandal, der das Vertrauen in die Spitzen der Gesellschaft nachhaltig erschüttert. Der Mord an der Frankfurter Prostituierten Rosemarie Nitribitt offenbart, dass Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur den selbst gestellten Moralansprüchen nicht genügen.

Was sonst noch geschieht: Das Saarland tritt als zehntes Bundesland der Bundesrepublik bei. Im „Göttinger Manifest“ fordern zwölf führende deutsche Wissenschaftler den Verzicht der Bundeswehr auf Atomwaffen. Gute Nachricht für Rentner: Der Bundestag beschließt die dynamische Rente, deren Höhe sich an der Entwicklung des Bruttosozialprodukts bemisst.

Mehr als eine Randnotiz: Dem Ingenieur Felix Wankel gelingt der erste Probelauf des von ihm erfundenen Verbrennungsmotors mit rotierenden Kolben (Wankelmotor)

 

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