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Picasso - Genie und Macho (Podcast 156)

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Zu behaupten, Pablo Picasso sei der bekannteste Spanier der Gegenwart, ist nicht allzu vermessen. Unbestritten ist: der Malagüeño zählt zu den bedeutendsten Malern des 20. Jahrhunderts. Unverwechselbar im Stil prägte Pablo Ruiz Picasso verschiedene Kunstströmungen, ohne sich in eine kunstgeschichtliche Schublade einordnen zu lassen. Doch nicht nur als Maler, Bildhauer und Lithograph zeichnete er sich durch Individualität und Eigenwilligkeit aus - auch als Mensch, oder besser gesagt als Mann war der Egomane nur schwer zu bändigen. Dabei spielten Frauen in Picassos Leben eine ebenso große Rolle wie für sein Werk. Die Ambivalenz, die er ihnen gegenüber empfand, gipfelt in dem Ausspruch: "Frauen sind entweder Göttinnen oder Fußabtreter." Doch keine der Frauen, die in Picassos Leben einmal eine Rolle gespielt hatte, sollte den Andalusier mit dem stechenden Blick jemals vergessen können.

 

Picassos Leben – die Anfänge eines Wunderkinds

Als Sohn eines Zeichenlehrers am 25. Oktober 1881 in Málaga geboren, entwickelte Pablo schon früh sein ungewöhnliches Talent, das seinen Vater José Ruiz Blasco zwar beschämte, das er dennoch zu fördern verstand. Mit nur 15 Jahren schaffte Pablo, der inzwischen den Namen seiner Mutter María Picasso angenommen hatte, die Aufnahmeprüfung der Kunstschule La Lonja in Barcelona. Schon früh malte der Junge wie ein Erwachsener und übertraf an technischen Fertigkeiten und Ausdruckskraft seine Lehrer. Zum ersten Mal in Picassos Leben muss dem Künstler seine Einzigartigkeit bewusst geworden sein. So erklärt sich, dass der junge Pablo die Real Académia de Bellas Artes in Madrid, die ihn ein Jahr später aufnahm, nur selten besuchte und sich lieber in Barcelona herumtrieb. Dort fand er in der Kneipe "Els Quattre Gats" einen Kreis gleich gesinnter Intellektueller und Künstler. Das Lokal ist der erste Ort, an dem Picasso seine Bilder ausstellte.

 

Picassos Leben – fortan in Frankreich

Im Jahr 1900, gerade 19, reiste Pablo Picasso zum ersten Mal nach Frankreich. Hier sollte Picassos Leben fortan stattfinden. Natürlich in Paris, Kunstmetropole und Sammelbecken aufstrebender Künstler, bezog er ein Atelier und begann mit seiner Arbeit, die zunächst von Henri Toulouse-Lautrec, Vincent van Gogh und Honoré Daumier inspiriert war. Die vermutlich erste professionell organisierte Ausstellung mit Picassos Werken hatte der noch unbekannte Maler dem einflussreichen Kunsthändler Ambroise Vollard zu verdanken, der ihm 1901 seine Galerie zur Verfügung stellte.

1903 richtete er sich sein erstes Meisteratelier im berühmten "Bateau-Lavoire" ein, in das er mit Frika, seinem Hund, einzog. Seine erste Geliebte und Muse sollte Fernande Olivier werden – eine der wenigen Frauen, die später ohne Bitterkeit an ihre Rolle in Picassos Leben zurückdenken würde. In ihren Memoiren schrieb sie:
"Er hatte nichts Verführerisches, wenn man ihn nicht kannte. Allerdings, sein seltsam eindringlicher Blick erzwang die Aufmerksamkeit […] dieses innere Feuer, das man in ihm spürte, verliehen ihm eine Art Magnetismus, dem ich nicht widerstand. Und als er mich kennenzulernen wünschte, wollte ich es auch.“

 

Picassos Leben und Werk – eine erste Symbiose

Zum ersten Mal gelang dem jungen Künstler etwas, was sich in Picassos Leben noch oft wiederholen sollte: Er schuf eine eigene Stilepoche: Die "Blaue Periode" zeigte düstere Sujets und Darstellungen gebrochener, kraftloser Menschen – in Form und Farbe auf ein Minimum reduziert. Doch schon um 1905 eröffnete Picasso mit dem Bild "Mutterschaft“ die "Rosa Periode". Wie es sich für einen Bohemien gehörte, tauchte Picasso in das wilde Treiben des Künstlerviertels Montmartre ein – die Welt des Zirkus mit ihren Gauklern, Harlekinen und Akrobaten bestimmte jetzt Picassos Leben und Werk.

 

Pablo Picasso und "Die Mädchen von Avignon“

Das kärglich eingerichtete, im Winter zugige, im Sommer brütendheiße Atelier im Bateau-Lavoire, in dem sich Picassos Leben und Schaffen sechs Jahre lang abspielte, darf als Geburtshaus des Kubismus bezeichnet werden, denn hier stellte Picasso1907 sein Gemälde "Les Demoiselles d’Avignon“ fertig. Über 800 Vorstudien soll er angefertigt haben. Vielleicht war auch ihm bewusst, dass „Die Mädchen von Avignon“ einen Wendepunkt in der modernen Malerei einläuten sollten. Dabei stießen die verzerrten und entstellten halbnackten Frauenfiguren anfangs nur auf Unverständnis. Nicht einmal seine Freunde Guillaume Apollinaire, George Braque oder Henri Matisse wussten die "Demoiselles“ zu deuten. Sie lehnten das Bild ab, das heute als erstes Werk des Kubismus gilt. Mit seiner Flächenbehandlung, die keine Perspektive mehr vortäuscht, hatte Picasso etwas völlig Neues geschaffen.

 

Der Kubismus und die Köpfe

Während Picasso und Braque den Kubismus in kurzer Zeit perfektionierten, wurde die Darstellung von Köpfen in irritierenden Perspektiven zum Markenzeichen des Spaniers. Echte Picassos eben! Dem "analytischen Kubismus" und seiner Zerlegung der Form in geometrisch rhythmisierte, flächige Muster folgte zusammen mit Juan Gris 1912 der "synthetische Kubismus", der weniger Malerei als experimentelle Collage war. Egal ob Holz, Metall, Papier, Picasso experimentierte mit allem, was ihm in die Finger kam. Erste Plastiken entstanden.

Picasso selbst sah sein kubistisches Experiment bereits um 1917 als beendet an. Und während die Kunstwelt zwischen Moskau und Paris den Impuls der Kubisten noch dankbar aufgriff und den Gegenstand zu Gunsten einer abstrakten, völlig autonomen Malerei aus der bildenden Kunst verschwinden ließ, wandte sich Picasso neuen Herausforderungen zu - einer Art Neoklassizismus. Der eigenwillige Maler beschritt fortan einen von der kunstgeschichtlichen Entwicklung weitgehend unabhängigen Weg. Auch in Picassos Leben war mit Olga Koklowa ein Wendepunkt erreicht. Picasso heiratete.

 

Picassos Leben als Ehemann

Der Ring am Finger machte aus dem Andalusier noch lang keinen anderen Menschen. Zwar faszinierte ihn die erste Tänzerin aus Sergej Diaghilews "Russischem Ballett“ sehr. Doch weder die Hochzeit 1918 noch die Geburt des gemeinsamen Sohnes Paolo 1921 beendeten Picassos sexuelle Abenteuer oder machten ihn zum liebevollen Ehemann und Vater. Olga hatte da das Tanzen längst aufgegeben. Nur sich selbst habe er geliebt und das über alle Maßen, warfen ihm gekränkte Geliebte, von denen es in Picassos Leben reichlich gab, vor. Olga  reichte 1935 die Scheidung ein – die Affäre mit der blutjungen Marie-Thérèse Walter hatte die Russin verkraftet, nicht aber die Geburt ihrer Tochter Maya. Nie sollte Olga die Trennung verwinden. 1955 starb sie an Krebs einen einsamen Tod.

 

Künstlerische Entwicklung in den 20er und 30er Jahren

Künstlerisch wurde Picasso in den 20er Jahren durch die Surrealisten geprägt. 1925 beteiligte er sich an ihrer großen Ausstellung in Paris. Allerdings war er da längst zu eigenständig, um sich noch einer Bewegung anzuschließen. Ihn interessierte vermutlich das Protestpotenzial der Pariser Avantgarde mehr als die Forderung nach einer "automatischen Malerei".

Während der 30er begann die über Jahrzehnte immer wieder aufgenommene Serie der Frauenportraits, die die weibliche Gestalt in unterschiedlichsten Perspektiven gleichzeitig zeigte. Zur selben Zeit entstanden Bilder vom Stierkampf und zur Mythologie des Minotaurus. Im Herzen Spanier blieb Picasso auch in seiner Wahlheimat Frankreich.

Neben dem spektakulären malerischen Werk beschäftigte sich Picasso auch mit der Druckgrafik, wobei er es in allen Techniken zur Meisterschaft brachte: Häufig handelte es sich um Illustrationen zu Stoffen von Ovid, Aristophanes und Balzac. Ebenso vielfältig wie die stilistischen Ausprägungen in der Malerei sind Picassos plastische Arbeiten. Die frühesten bekannten Bronzeskulpturen standen noch stark unter dem Einfluss Auguste Rodins.

 

Der Krieg hält Einzug in Picassos Leben und Werk

1936 brach der Spanische Bürgerkrieg  aus. Und Picasso, den Politik bislang wenig interessiert hatte, ergriff Partei – für die Republikaner, die sein Heimatland vor den putschenden Faschisten unter General Francisco Franco zu verteidigen suchten. Mit dem Erlös seiner bösartigen Satire: „Sueño y mentira de Franco“ („Traum und Lüge Francos“) unterstützte Picasso die „Roten“ und nahm den Posten des Direktors des Prado-Museums an, den ihm die republikanische Regierung angeboten hatte.  Doch war es die völlige Zerstörung der baskischen Stadt Guerníca durch Luftangriffe der deutschen "Legion Condor“, die Picasso zu seinem größten Beitrag gegen den Faschismus inspirierte: Das Monumentalgemälde "Guerníca" gedenkt sowohl den Opfern des militärischen Überfalls, ist aber auch eine vitale Anklage gegen Krieg und Unterdrückung. "Guernica" war Teil des spanischen Pavillons bei der Weltausstellung in Paris 1937.

 

Picassos Frauen und ihre Fehler

Wie so oft in Picassos Leben überschnitten sich wieder einmal zwei Liebesbeziehungen. 1935, Picasso hatte sich gerade von Olga Koklowa getrennt und mit Marie-Thérèse und der kleinen Maya eine neue Familie gegründet, lernte er die selbstbewusste Fotografin und überzeugte Kommunistin Dora Maar kennen. Sie dokumentierte die Entstehung "Guernicas“ mit der Kamera und wurde zur ebenbürtigen Partnerin und wichtigsten Muse Picassos. Doch machte sie denselben Fehler wie alle Frauen in Picassos Leben: Sie gab ihre Kunst und damit ihre Unabhängigkeit auf. Als "Die weinende Frau“ ging Dora Maar schließlich in die (Kunst-)geschichte ein. Picasso hingegen fühlte sich von der Rivalität zwischen Marie-Thérèse und Dora geschmeichelt. Er erklärte:

"Ich hatte kein Interesse daran, eine Entscheidung zu treffen. Ich sagte ihnen, sie sollten es unter sich ausmachen."

Dora Maar zog sich nach der Trennung von Picasso wie schon Olga Koklowa aus dem Leben zurück und starb Jahre später einsam und unglücklich. Da war mit Françoise Gilot längst eine neue Muse und Geliebte in Picassos Leben getreten. Die angehende Künstlerin schenkte ihm zwei Kinder und versuchte, neben dem großen Picasso ihre Eigenständigkeit zu wahren. Doch auch sie musste sich ihren Mann teilen – mit Jaqueline Roque, die zwar 45 Jahre jünger als Picasso war, 1961 aber seine zweite Ehefrau wurde. Picasso war damals 80. Er verewigte sie in über 70 Gemälden. Mit seinem Tod verlor Jaqueline ihren Lebensinhalt. Sie fiel in tiefe Depressionen und erschoss sich 1986.

 

Picassos Leben geht zu Ende – sein Werk lebt weiter

Als Picasso am 8. April 1973 in Mougins starb, hinterließ er das unglaubliche Erbe von mehreren zehntausend Werken; Gemälde, Zeichnungen, Grafiken, Plastiken und Keramiken. 1971 – zu seinem 90. Geburtstag, hatte der Louvre in Paris erstmals eine Retrospektive eines noch lebenden Künstlers gezeigt. Und auch heute, Jahrzehnte nach seinem Tod, sind Werk und Leben Picassos Inspiration für Künstler und Kunstkenner. Als 2010 das Ölgemälde "Nackte, Grüne Blätter und Büste" aus dem Jahr 1932 für 106 482 500 Dollar (circa 80 Millionen Euro) versteigert wurde, war es das teuerste Bild aller Zeiten. 

 

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