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Revolutionieren Perowskit-Solarzellen die Photovoltaik?

Wenn man von Solarzellen spricht, denkt man vermutlich oft an die bläulich oder silbern schimmernden Siliziummodule auf den Hausdächern der Stadt. Doch in den letzten Jahren bekommt auch eine andere Technologie viel Aufmerksamkeit: die Perowskit-Solarzelle. Was aber ist das Besondere an diesem Material? Könnten sich Perowskitzellen gegen Silizium durchsetzen? Und was steht dem Boom der preiswerten Dünnschichtzelle noch im Weg?
THE, 26.08.2024
Solarpanele

© bombermoon. iStock.com

Solarzellen sind zurzeit in aller Munde, denn um die Energiewende zu schaffen, muss auch die Sonnenenergie genutzt werden. Auch aus diesem Grund bedecken blaue oder silberne Solarmodule oft die Hausdächer und immer mehr auch die Balkone in Städten und Dörfern. Doch es gibt auch zahlreiche Hindernisse: Der sogenannte Wirkungsgrad – also der Anteil der Energie des Sonnenlichts, den die Solarmodule in Strom umwandeln können – ist bei vielen Solarzellen noch vergleichsweise gering. Ein höherer Wirkungsgrad bei den Zellen könnte Solarenergie zu einer noch besseren Technologie machen.

Perowskit-Solarzelle
Perwoskit ist ein häufig vorkommendes Mineral, das auch in Deutschland zu finden ist.

© audioundwerbung, iStock.com

Supermaterial Perowskit

Eine noch relativ unbekannte Art der Solarzelle scheint im Rennen der Solarzellen um den höchsten Wirkungsgrad zurzeit auf der Überholspur zu laufen: die Perowskit-Solarzelle. Sie entwickelt sich besonders schnell weiter, denn während die ersten Perowskit-Solarzellen noch nicht mal vier Prozent des einfallenden Sonnenlichts in Strom umwandeln konnten sind es heute, nur 15 Jahre später, schon fast 27 Prozent. Polykristalline Siliziumzellen hingegen, welche derzeit den Solarmarkt dominieren, erreichen „nur“ knapp 23 Prozent. 

Perowskit-Solarzellen haben einen großen Vorteil: Sie können genau den Wellenlängenbereich der Sonne aufnehmen und in Strom umwandeln, den andere Materialien wie Silizium nicht absorbieren. So kann kristallines Silizium vor allem rotes und infrarotes Licht effizient in Strom umwandeln.

Bei Perowskiten hingegen lässt sich im Labor einstellen, welchen Teil des Lichtspektrums sie aufnehmen sollen. Diese Anpassungen bewerkstelligen Chemiker, indem sie gezielt bestimmte chemische Komponenten des kristallinen Perowskit-Molekülgerüsts austauschen. Der Vorgang ist denkbar einfach: Man mischt die Ausgangsstoffe für den gewünschten Perowskit-Mix, schüttelt die Mischung und erzeugt so die ideale Ausgangslösung. Für Silizium-Perowskit-Solarzellen werden entsprechend Ausgangslösungen zusammengemischt, die genau die von Silizium „übriggelassenen“ Anteile des Sonnenlichts nutzen.

Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen

„Mithilfe der Perowskit-Halbleiter kann die Effizienz von konventionellen Silizium-Solarzellen deutlich erhöht werden“, erklärt Ulrich Paetzold vom Karlsruher Institut für Technologie. „Dabei wird eine obere Perowskit-Solarzelle auf eine untere Silizium-Solarzelle gestapelt. Perowskit-Solarzellen können wegen der Vielseitigkeit der Materialklasse und ihrer exzellenten optoelektronischen Eigenschaften so angepasst werden, dass sie verschiedene Bereiche des Sonnenspektrums effizient absorbieren können.“

In den letzten Jahren erreichen Forschende mit Tandem-Zellen so regelmäßig neue Rekord-Wirkungsgrade. Einige Zeit lag der Weltrekord mit knapp 32 Prozent am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB). Mittlerweile kann der chinesische Solarhersteller Longi eine Perowskit-Silizium-Tandemzelle mit sogar fast 34 Prozent Wirkungsgrad bauen.

Tandem-PV-Module von Oxford PV
Mit einem Wirkungsgrad von 25 Prozent ist das Tandem-PV-Modul von Oxford PV im das weltweit effizienteste im industriellen Maßstab gefertigte Modul seiner Art.

© Fraunhofer ISE, Bernd Schumacher

Kostengünstige Solarmodule

Auch das Herstellungsverfahren der Perowskit-Solarzellen ist günstig – auch im Vergleich zum derzeitigen Photovoltaik-Star, Silizium. „Tandemzellen können bei nur 100 Grad Celsius prozessiert werden und sind ultradünn – deutlich dünner als ein menschliches Haar. Außerdem lassen sie sich mit neuartigen Druckverfahren produzieren“, erklärt Steve Albrecht vom HZB.

Auch in Bezug auf die Kosten der Ausgangsstoffe haben Perowskit-Solarzellen Vorteile. Die für ihre Produktion erforderlichen Rohstoffe wie Blei, Zinn oder Halogenide sind in der Erdkruste reichlich vorhanden und leicht zugänglich. Die Produktion der Solarzellen aus diesen Materialien ist zudem energiesparender und weniger aufwendig als die Züchtung hochreiner Siliziumkristalle. „Die Technologie kann dazu beitragen, die Kosten für Elektrizität weiter zu senken“, so Paetzold.

Die Hürden auf dem Weg zum Solar-Supermaterial

Doch weshalb sind dann immer noch überall Siliziummodule zu sehen, aber von Perowskiten ist auf den Dächern quasi keine Spur? Der Grund für dieses Mysterium: Perowskit-Solarzellen sind im Vergleich zu anderen Photovoltaikmodulen relativ instabil. Normalerweise sollten Solarzellen über Jahrzehnte auch unter Schneefall, Hagel und praller Sonne eine stabile Stromerzeugung aufzeigen. Doch während beispielsweise Silizium-Module teilweise auch noch nach 25 Jahren kaum an Leistung verlieren, bauen Perowskitzellen bei Feuchtigkeit, Hitze und Licht schnell ab.

Doch auch an diesem Hindernis arbeiten Forschende: Anfang des Jahres schaffte es eine Forschungsgruppe aus Uppsala, eine Perowskitzelle mit einem nahezu unmerklichen Leistungsverlust nach fast 200 Tagen herzustellen. Bis die Zelle auf 80 Prozent ihrer ursprünglichen Leistung absinkt, würde es über neun Jahre brauchen. „Soweit wir wissen, handelt es sich dabei um den stabilsten bisher berichteten Perowskitfilm,“ sagt die Forscherin Jiajia Suo.

Wie geht es weiter?

Mittlerweile werden die ersten Perowskit-Silizium-Solarzellen schon industriell gefertigt. Das Unternehmen Oxford PV fertigt die Zellen mit einem Wirkungsgrad von knapp 27 Prozent in seiner Fabrik in Brandenburg. Im Jahr 2024 beginnt die kommerzielle Produktion der Tandemsolarzellen. „Dieser neue Weltrekord beweist, dass unsere Tandem-Solarzellen eine rekordverdächtige Leistung erbringen können, wenn sie zu Solarmodulen montiert werden“, sagt David Ward von Oxford PV.

„Damit ist es effizienter als jedes Silizium-PV-Modul im industriellen Format, das je gebaut wurde“, sagt Stefan Glunz, Bereichsleiter Photovoltaik am Fraunhofer ISE. Deshalb werden Perowskite teilweise bereits als Nachfolgetechnologie von Silizium angesehen. „Das für seine Herstellung massenfertigungskompatible Technologien eingesetzt wurden, belegt das enorme Potenzial der Tandem-Technologie für die PV-Industrie“, so Glunz.

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