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Ehrgeiz und Ehre - Chinas Sportler in der Dopingfalle? (Podcast 7)

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Die "Goldstrategie" soll den chinesischen Sportlern bei den Olympischen Spielen 2008 den Durchbruch bringen. Mit klarem Kalkül und ohne auf die Kosten zu sehen, hat die Führung der Volksrepublik China während der letzten Jahre junge Spitzensportler gesichtet und gefördert.

 

Sportliche Leistung und Doping

Während China in einigen Disziplinen, wie Tischtennis, Gewichtheben oder Turmspringen schon seit längerem Erfolge erzielte, soll nun auch in anderen Bereichen bewiesen werden, dass China Weltspitze ist. Die Olympischen Spiele 2004 in Athen waren dabei so etwas wie eine Generalprobe und die Chinesen erreichten mit 32-mal Gold, 17-mal Silber und 14-mal Bronze Rang 2 nach den USA. Dabei hatten die Verantwortlichen noch viele relativ junge Spitzensportler ins Rennen geschickt, deren Hauptauftrag es war, Erfahrungen zu sammeln. Das Ziel für die Olympischen Spiele 2008 steht auf jeden Fall fest: China will an der Spitze des Medaillenspiegels stehen. Welche Rolle dabei das Thema Doping spielt, ist Gegenstand unzähliger Spekulationen.Immer wieder werfen Dopingskandale ein trübes Licht auf den Hochleistungssport. Keine der großen Sportnationen kann dabei ihre Hände in Unschuld waschen. Zu groß scheint die Verführung und die Verführbarkeit von Hochleistungssportlern, ihrer Trainer und Ärzte zu sein. Gerade im Bereich Schwimmen und Leichtathletik untergruben Dopingfälle in der Vergangenheit mehrfach die Glaubwürdigkeit der chinesischen Spitzensportler. Im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2008 hat sich die chinesische Führung das ehrgeizige Ziel sauberer Spiele gesetzt. Dazu wurde ein umfangreiches eigenständiges Anti-Doping-Programm entwickelt. Die drei Grundsätze: unbeugsame Regeln, unbeugsame Tests und unbeugsame Bestrafung sollen dabei zum Erfolg gegen Doping führen. Eine ständig steigende Zahl an Dopingkontrollen soll Übeltäter überführen. Zu den besonders anfälligen Sportarten für Doping gehören auch in China Schwimmen, Gewichtheben, Leichtathletik, Ringen, Rudern und der Radsport. Angesichts des enormen Leistungsdrucks und immer neuer Substanzen auf einem gerade in China blühenden Schwarzmarkt für Dopingmittel ist der Kampf der Verantwortlichen gegen Doping in den Reihen des chinesischen Hochleistungssports nicht einfach.

 

Frauenpower

Die chinesischen Schwimmerinnen gelten seit vielen Jahren als Favoritinnen im Kampf um Medaillen. Die aus Shanghai stammende Schwimmerin Yong Zhuang holte 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul erstmals
eine Medaille für China. Einige Jahre später sorgte die ebenfalls aus Shanghai stammende Schwimmerin Le Jingyi für Schlagzeilen. Sie errang bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta die Goldmedaille über 100 Meter Freistil, wobei aufgrund ihres äußerst muskulösen Körpers im Zusammenhang mit vermutetem Doping kritische Stimmen laut wurden. Die »Goldstrategie«, das ehrgeizige Programm, das die Athleten des chinesischen Hochleistungssports an die Spitze der Welt katapultieren soll, setzt bewusst auf den Frauensport. Frauen, so äußerte sich Li Furong, ein Vize-Präsident des Olympischen Komitees angesichts der Olympischen Spiele 2004 in Athen unverhohlen, seien besser führbar und zeigten im Training eine bessere Arbeitsmoral. Wobei neben Trainingsfleiß auch die psychische Belastbarkeit der Sportler ein wesentliches Element darstellt, das über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Der Druck auf die Athleten ist hoch. "Der Sieger ist der König, dem Verlierer bleibt die Verachtung" sagt ein altes chinesisches Sprichwort.
Als Luo Xuejuan aus Hangzhou in der Provinz Zhejiang bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 die Goldmedaille über 100 Meter Brust gewann, obwohl sie im Halbfinale nur Platz Sieben eingenommen hatte, war die chinesische Nation beeindruckt von der Nervenkraft der Sportlerin. Umso größer war die Betroffenheit, als die fünffache Weltmeisterin mit nur 23 Jahren 2007 wegen eines gravierenden Herzproblems ihren Rücktritt ankündigen musste. Trotz dieses Rückschlags in den Reihen der Schwimmerinnen setzen die Verantwortlichen ihre Hoffnungen weiterhin auf die jungen Frauen. Denn eine weitere Begründung für den hohen Frauenanteil im chinesischen Olympialager ist die Einschätzung der chinesischen Sportfunktionäre, dass die physischen Voraussetzungen der weiblichen Sportler besser der internationalen Konkurrenz entsprächen, zumal der Hochleistungssport der Frauen in vielen anderen Ländern vernachlässigt werde.

 

Akrobatik und Kraft

Wer Chinas Turnerinnen und Sportgymnastinnen zusieht, wenn sie ihre Übungen scheinbar mühelos und mit großer Eleganz vorführen, spürt die große Nähe, die diese Kunst zur Akrobatik aufweist. Akrobatik gehörte im alten China zur Festkultur. Während der Tang-Dynastie (618-907) kam es über die Seidenstraße zu vielfältigen Kontakten zwischen dem Westen und dem Reich der Mitte. Fremdartige Musikinstrumente und Unterhaltungskünstler aus dem Westen gaben der aristokratischen Unterhaltungskultur neue Impulse. Gesang, Tanz und Akrobatik erlebten eine Blütezeit. Aber auch in den folgenden Jahrhunderten gehörte Akrobatik zur traditionellen Unterhaltungskultur und ist bis heute Teil der berühmten Pekingoper. Bei der 40. Kunstturnweltmeisterschaft in Stuttgart 2007 bewiesen Chinas Turner und Turnerinnen erfolgreich ihre Zugehörigkeit zur Weltspitze. In sechs Disziplinen stellten sie ihr Können unter Beweis: Boden, Pauschenpferd, Ringe, Sprung, Barren und Reck. Yang Wei, der Weltmeister von 2006, brillierte durch eine gelungene Mischung aus Kraft und Eleganz. Er steht repräsentativ für eine ganze Reihe von Turnern und Turnerinnen, die sich in den letzten Jahren unter enorm harten Trainingsbedingungen an die Weltspitze kämpften. Bei den Frauen zählt Cheng Fei zu den großen Hoffnungen beim Turnen. Die 1988 in Huangshi in der zentralchinesischen Provinz Hubei geborene Athletin begann als kleines Mädchen mit dem Turnen. 1999 wurde sie in die Provinzmannschaft von Hubei aufgenommen. 2001 gelang ihr der Sprung in das Nationalteam. Ihren ersten internationalen Titel holte sie 2005 und ein von ihr erstmals ausgeführter akrobatischer Sprung wurde nach ihr »Cheng« benannt. Cheng Feis Laufbahn ist geradezu idealtypisch für die Sportförderung junger Turntalente in China. Sie stammt aus einer Arbeiterfamilie. Ihre Eltern brachten sie zu einer der vielen Sportschulen. Zuerst sollte es wohl Tischtennis sein, doch über Kontakte der Eltern kam sie zum Turnen, wo ihr Talent rasch erkannt wurde. Für eine weitere sportliche Förderung fehlte den Eltern das Geld und so heißt es, dass sie neben ihrer eigentlichen Arbeit noch Handschuhe gestrickt haben sollen, um das notwendige Schulgeld aufzubringen. Mit der Aufnahme ins Team der Provinz Hubei gehörten diese Sorgen der Vergangenheit an, denn ab dieser Ebene kümmert sich der Staat um die Förderung seiner Hoffnungsträger.

 

Der chinessiche Top-Star und Hoffnungsträger

Liu Xiang, der neue 1,89 Meter große Superstar im Hürdenlauf hat es geschafft. Kein Leichtathlet hatte je eine größere Popularität in China. Nie stand ein Asiate in dieser Disziplin in einem Weltmeisterschaftsfinale. Auch ist er der erste Asiate, der je eine Goldmedaille bei Olympischen Spielen im Hürdensprint gewonnen hat. In Lausanne wurde er 2006 über 110 Meer Hürden zum neuen Weltrekordhalter. Liu Xiang ist aber weit mehr als ein erfolgreicher Hochleistungssportler. Als Einzelkind einer ganz gewöhnlichen Familie aus Shanghai scheint dieser junge Mann dank seiner herausragenden Leistungen und seiner Ausstrahlung das Potenzial zu einem
modernen Helden zu haben. Beinahe jedoch wäre es zu dieser beispiellosen Karriere gar nicht gekommen. Denn bei
der Talentsichtung wurde der damals Achtjährige erst in Richtung Hochsprung gesteuert. Sein heutiger Trainer Sun Haiping erkannte aber das eigentliche Talent des Jungen, und so gelangte Liu Xiang schließlich zum Hürdensport.
Anders als die meisten Hochleistungssportler erzielte Liu Xiang mit seinen Medaillen bereits derart hohe finanzielle Gewinne, dass er längst ein reicher Mann ist. Neben den Preisgeldern und Prämien bringen ihm Sponsorenverträge
zusätzliche Millioneneinkünfte. Sein Konterfei ziert Coca-C ola-Dosen, Sportartikelhersteller und Kreditkartenfirmen werben ebenfalls mit ihm. Liu Xiang ist präsent in allen Medien und häufig im chinesischen Fernsehen zu sehen. Eine zusätzliche Karriere als Popstar hat er nach ersten Versuchen wegen der Olympischen Spiele 2008 vorerst zurückgestellt. Trotz seines Reichtums und seines Images als Sportikone wird von der Presse betont, dass Liu Xiang sich zu bescheiden vermag. Allerdings führt der Starkult um ihn dazu, dass er sich nicht mehr frei in der Öffentlichkeit bewegen kann. Statt wie viele seiner Altersgenossen ein Fußballspiel zu besuchen oder auszugehen, lebt er abgeschottet in einem komfortablem Appartement im Sportzentrum der East China Normal University von Shanghai. Dort strebt er einen Bachelor-A bschluss in Jura an. Falls er doch das Gelände seines Sportzentrums verlassen muss, benötigt er Bodyguards. Es bleibt spannend, ob Liu Xiang dauerhaft dem Druck der Öffentlichkeit und des großen Geldes widerstehen kann, und ob es ihm gelingt, sich trotz der Verlockungen des Ruhmes als Prototyp des integren Sportlers zu behaupten. Bisher scheint er es zu schaffen und folglich gilt er weiterhin als nationaler Hoffnungsträger bei den Olympischen Spielen 2008.

 

Leichtathletik im Fokus

Die Leichtathletik kann in China auf keine lange Tradition zurückblicken. Erst nach Gründung der Volksrepublik orientierte man sich an dem sowjetischen Vorbild und förderte neben anderen Sportarten auch die Leichtathletik.
Mit den sensationellen Erfolgen des Ausnahmeathleten Liu Xiang hat in China das Interesse an der Leichtathletik generell zugenommen. Sogar die Enttäuschung über lediglich drei Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen 2000 und 2004 wurde durch das Charisma Liu Xiangs gedämpft. Er gilt nun den Chinesen als lebender Beweis, dass es China trotz seiner mageren Erfolgsbilanz in der Vergangenheit gelingen könnte, zukünftig auch in der Leichtathletik,
in der sehr viele Einzelmedaillen vergeben werden, den Anschluss an die Weltspitze zu schaffen. Immerhin geht es um 47 Wettkämpfe, die gegen Ende der Spiele noch einmal einen wesentlichen Ausschlag für die Gesamtwertung
geben dürften.

 

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