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Georg Friedrich Händel - der barocke Kraftmeier (Podcast 42)

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"Händel ist der größte Komponist, der je gelebt hat. Ich würde mein Haupt entblößen und auf seinem Grabe niederknien." Mit diesen Worten lobte kein Geringerer als Ludwig van Beethoven den großen Georg Friedrich Händel, dessen 250. Todestag wir 2009 feiern. Die Kraft von Händels Musik teilt sich bis heute jedem Zuhörer unmittelbar mit und spricht aus jedem seiner Werke. Gepaart mit Brillanz haben diese kraftvoll-festlichen Kompositionen bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Neben Opern und Oratorien hat Händel auch eine Vielzahl von instrumentalen Kompositionen hinterlassen. Dazu zählen seine "Concerti Grossi", die "Wassermusik" und die "Feuerwerksmusik", Orgelkonzerte sowie zahlreiche Sonaten für die verschiedensten Instrumente.

 

Kindheit und Jugend in Halle

 

Georg Friedrich Händel wird am 24. Februar 1685 in Halle an der Saale getauft. Der aus einer einfachen Handwerkerfamilie stammende Vater Georg hat sich durch Zähigkeit und Fleiß in die bürgerliche Gesellschaft empor gearbeitet und hegt für seinen jüngsten Sohn Georg Friedrich ebenfalls ehrgeizige Pläne: Dieser soll Jurist werden. Doch ganz unerwartet zeigt Georg Friedrich schon in jungen Jahren Interesse für die Musik, und zwar mehr, als seinem Vater lieb ist. Seine ersten musikalischen Gehübungen unternimmt der Siebenjährige heimlich auf dem Dachboden des elterlichen Hauses auf einem Clavichord. Als Georg Friedrichs Begabung eines Tages bei Hofe publik wird, sieht sich der Vater durch den Kunst liebenden Herzog gezwungen, das Talent seines Sohnes zu fördern. Sein erster Lehrer ab 1692 wird der Hallenser Organist Friedrich Wilhelm Zachow,  der die Basis für das weitere musikalische Leben des jungen Schülers legt. Zachow vermittelt ihm nicht nur die Grundlagen der Harmonie- und Instrumentationslehre, sondern auch einen weit gespannten Einblick in das musikalische Repertoire seiner Zeit.
 

Obwohl sein Vater bereits 1697 verstorben ist, respektiert Georg dessen Wunsch und schreibt sich 1702 an der juristischen Fakultät in Halle ein. Doch Händel ist schon zu sehr vom Virus "Musica" befallen als dass er sich ernsthaft der trockenen Jurisprudenz widmen könnte. Und so besteht seine Hauptbeschäftigung in den nächsten 12 Monaten weniger im Besuch der Vorlesungen und Seminare, sondern im Orgeldienst an der Haller Domkirche.
 

Operndirigent in Hamburg
 

Im Frühjahr 1703 steht Händel vor seinem musikalischen Scheideweg. Das Probejahr an der Haller Domkirche ist abgelaufen und er muss sich nun entscheiden: Kirchenmusik in der hallischen Provinz oder vielfältige Möglichkeiten in einer deutschen Kulturmetropole. Händel entscheidet sich für die zweite Möglichkeit und zieht nach Hamburg, wo sich aus ersten Anfängen im Jahr 1678 eine der renommiertesten deutschen Opernbühnen entwickelt hat. Händel tritt zunächst als zweiter Geiger in das Opernorchester ein, wechselt aber schon bald auf den Dirigentenplatz am Cembalo. Inspiriert von neuen Medium, komponiert Händel in den nächsten Jahren seine ersten Opern, die auf der Hamburger Bühne uraufgeführt werden: "Almira", "Nero", "Florindo" und "Dafne".
 

Italien – das Mekka der barocken Musikwelt
 

Die neue musikalische Sprache des Barock nimmt von Italien aus ihren Anfang. Es ist eine Zeit der vielfältigen Neuerungen: der Geburtsstunde der Oper, des Concerto grosso, des Solokonzertes und des Oratoriums. Und so bricht Händel im Herbst 1706 zu einem mehrjährigen Italien-Aufenthalt in das Mekka der barocken Musikwelt auf. Seine erste Station im Winter 1706/07 ist Florenz, wo er nicht nur unmittelbar mit allen Sinnen in die italienische Lebenswelt eintaucht, sondern sich auch von der musikalischen Sprache inspirieren lässt. Eines seiner ersten italienischen Werke ist die Oper "Rodrigo". In der Kantate "Lucrezia" gelingt ihm eine Synthese aus alter und neuer, deutscher und italienischer, kraftvoller und cantabler Tonsprache.
 

Händels Ruf in Italien gründet sich jedoch vor allem auf seine pianistischen Fähigkeiten, mit denen er als Improvisator auf der Orgel oder am Klavier brilliert und die ihm in den folgenden Jahren sämtliche Türen öffnen. Von Florenz aus reist Händel Anfang 1707 nach Rom, wo er bald im kulturellen Zentrum der Stadt, am Hof des Kardinals Pietro Ottoboni, zuhause ist. Herausgefordert durch das Wirken Arcangelo Corellis und Alessandro Scarlattis und inspiriert von den virtuosen Meisterleistungen italienischer Instrumental- und Vokalsolisten wird Händels Kompositionsstil weiter geprägt und zu vielen, heute zumeist verschollenen Werken angeregt.  Aufsehen erregt Händel auch in Rom wiederum als Tastenvirtuose, insbesondere in einem musikalischen Wettstreit mit dem einheimischen Domenico Scarlatti, Sohn des Opernkomponisten Alessandro Scarlatti: "Man hat sagen wollen, dass einige dem Scarlatti den Vorzug zuerkannt haben, in dem, was den Flügel betrifft. Wie es aber zur Orgel kam, blieb nicht der geringste Zweifel übrig, wer den Preis davon trüge. Scarlatti selbst musste bekennen, dass er von Händel auf der Orgel übertroffen sey, und gestund gar gern, dass er keinen Begriff von seiner Stärke gehabt, ehe er ihn darauf gehört hätte."
 

In Venedig wird schließlich im Dezember 1709 Händels Oper "Agrippina" mit ungeheurem Erfolg uraufgeführt wird. Mit dieser Oper, die eine Synthese aus deutscher und italienischer Musiksprache bildet, verbreitet sich sein Ruf über Nacht in ganz Europa.
 

Intermezzo in Hannover
 

Mit "Agrippina" hat sich Händel in der Musikszene als einer der ganz Großen, als ein 'Maestro' etabliert, und so kann er sich bei seiner Rückkehr nach Deutschland die zukünftige Wirkungsstätte aussuchen. Händel entscheidet sich für den Posten des Hofkapellmeisters in Hannover, der gut dotiert ist und ihm künstlerisch große Freiheiten lässt. Bedauerlich ist allerdings, dass die ehemals bedeutendste deutsche Opernbühne inzwischen geschlossen hat. Doch die hannoversche Stippvisite sollte weniger musikalisch reiche Früchte tragen als Händels Sprungbrett zu Weltruhm und Unsterblichkeit bilden, denn wieder einmal nimmt sein Schicksal wie vorbestimmt seinen Lauf. Im Kurfürstentum Hannover regiert seit 1698 Georg Ludwig, der mütterlicherseits mit dem Hause Stuart in England verwandt ist und - da die derzeit dort regierende Königin Anna keinen leiblichen Erben besitzt - als englischer Thronfolger favorisiert wird. Doch die Londoner Oberschicht kann sich mit diesem Gedanken noch nicht so recht anfreunden. In diesem Zusammenhang kommen Händels englische Reisewünsche dem Kurfürsten nicht ganz ungelegen, kann er den Maestro doch als künstlerischen Botschafter für seine politischen Ziele einsetzen.
Ende 1710 trifft der Komponist in London ein. Dort findet er auf dem Gebiet der Oper ein noch vollkommen unbestelltes Feld vor, auf dem er schon bald erfolgreich seine eigenen Spuren hinterlässt und gleichzeitig die Entwicklung einer eigenständigen englischen Oper entscheidend beeinflusst. Am 24. Februar 1711 wird Händels neue  Oper "Rinaldo" uraufgeführt und muss für das begeisterte Publikum in der Spielzeit noch 14 Mal wiederholt werden. Als Händel im Juni 1711 nach Hannover zurückkehrt, beginnt er sich innerlich bereits von seiner Heimat abzunabeln und auf einen längeren England-Aufenthalt vorzubereiten: er lernt nicht nur die englische Sprache, sondern vertont erstmals auch englische Texte. Ende 1712 weilt er wieder in London, und dieses Mal sollte es keine Rückkehr nach Hannover mehr geben.
 

London  - auf dem Gipfel des Ruhms
 

Das nächste Vierteljahrhundert in Händels Schaffen sollte vor allem der Oper gewidmet sein. Doch noch hat sich die Oper als neue Kunstform in England nicht etabliert, sondern wird von Teilen der Mittel- und Oberschicht als 'italienisches Teufelswerk' verdammt. 1719 wird dann eine  Operngesellschaft, die "Royal Academy of Music" gegründet und Händel mit der Leitung betraut. Dieses Angebot bedeutete eine dreifache Herausforderung - sowohl an den Musiker als auch an den Geschäftsmann und Organisator, denn seine erste Aufgabe besteht in der Verpflichtung erstklassiger Sänger. Nach glanzvollen Aufführungen erschüttern außermusikalische Ereignisse Händels bis dahin unumstrittene Position . Ein Börsencrash bringt auch ehrenhafte Unternehmen wie die Opernakademie in Verruf und in finanzielle Schwierigkeiten. Händel verliert die Leitung an die Italiener Giovanni Bononcini und Attilio Ariosti. In der Folge entspinnt sich ein künstlerischer Wettstreit insbesondere zwischen Bononcini und Händel. Dieser stellt sich der Herausforderung und geht am Ende - durch eine künstlerische Weiterentwicklung und den Einsatz hochkarätiger Solisten - als Sieger hervor. Die Opern "Ottone" und "Giulio Cesare" stellen seine seine bühnendramatischen Meisterwerke dar. Doch die hohen Solistengagen sowie Eifersüchteleien zwischen den Solisten und Starallüren derselben führen 1728 zum Zusammenbruch des Unternehmens Royal Academy.
 

Ein zweiter Versuch
 

Aber so schnell gibt Händel sich nicht geschlagen und versucht gemeinsam mit John James Heidegger, dem ehemaligen Verwaltungsdirektor der Royal Academy, eine Operngesellschaft in eigener Regie aufzubauen. Wiederum reist er 1729 nach Italien, um Sänger zu verpflichten. Doch trotz aller Bemühungen ist dem Unternehmen kein wirklicher Erfolg beschieden. Und wieder einmal gerät Händels musikalisches Wirken in die Mühlen der profanen Politik. Das Projekt scheitert 1738 endgültig.
 

Die Oratorienjahre
 

Noch zu Zeiten seiner zweiten unglückseligen Opern-Ära waren Händels große Erfolge die kirchenmusikalischen Werke, vor allem jedoch seine Oratorien, und es sollte Händels Verdienst sein, auf diesem Gebiet erstmals englische Musikgeschichte zu schreiben. Standen seine frühen Oratorien noch unter italienischem Einfluss, so beginnt sich ab 1730 eine eigentliche englische Form in englischer Sprache herauszubilden, deren Gipfel Händel 1741 mit dem "Messias" erreicht. Unter Händels Oratorien nimmt "Der Messias" eine Sonderstellung ein. Nicht nur die kurze Entstehungszeit von lediglich drei Wochen ist bemerkenswert, sondern auch der Inhalt, handelt es sich doch weder um ein weltliches Oratorium mit einer Darstellung von historischen Begebenheiten und Personen, noch um eine reine Vertonung von Bibeltexten. "Der Messias" ist zwar auf Bibelstellen gegründet, doch seine zentrale Aussage ist vor allem eine tiefe und sehr persönliche Religiosität, was dem Werk über alle Zeiten hinweg einen gültigen Platz im Repertoire gesichert hat.
 

Letzte Jahre
 

1751 trifft Händel ein besonderer Schicksalsschlag: er beginnt zu erblinden. Zunächst befällt die Krankheit nur ein Auge, so dass Händel noch eingeschränkt aktionsfähig bleibt und sogar weiterhin die Aufführungen seiner Werke leiten kann. Drei Ärzte versuchen, dem Komponisten zu helfen, doch auch eine Operation im November 1752 bringt keine Besserung. Doch Händel lässt sich auch von diesem Schicksalsschlag nicht unterkriegen. Er gibt Orgelkonzerte, deren Werke er so lange studiert, bis er sie auswendig kennt, er improvisiert und komponiert mit fremder Hilfe. Am 30. März 1759 zeigt sich Georg Friedrich Händel ein letztes Mal in der Öffentlichkeit bei einer Aufführung seines "Messias", er stirbt nur zwei Wochen später am 14. April 1759. Seine letzte Bitte um Bestattung in der Westminsterabtei wird ihm gewährt. Unter großer Beteiligung der Bevölkerung wird Maestro 'Handell' am 20. April beigesetzt.
 

Jörg Peter Urbach, wissen.de-Redaktion

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