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Tod und Abschied nehmen (Podcast 160)

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Der November ist in der Regel ein ungemütlicher Monat. Feuchte Kälte, Regenschauer, dicke Nebelschwaden, früh einsetzende Dunkelheit und Gedenktage wie etwa der Totensonntag setzen den Menschen zu und erinnern nicht wenige an die eigene Vergänglichkeit. Trauer und Tod aber sind Dinge, um die wir für gewöhnlich einen großen Bogen machen. Am liebsten würden wir gar nichts mit ihnen ­zu tun haben - aber der Tod gehört nun einmal zum Leben wie die Geburt. Doch wie trauern wir überhaupt? Welche Bestattungsarten gibt es, und welche Entwicklungen zeichnen sich hier ab? Gibt es neue Formen, mit den Themen Trauer und Tod umzugehen? wissen.de-Autor Kai Jürgens ist den buchstäblich letzten Dingen auf den Grund gegangen. In seinem Beitrag "Warum trauern wir?".

 

Der Tod - alle Menschen sind sterblich

Kurt Tucholsky schrieb einmal: "Dies ist die wahrste aller Demokratien, die Demokratie des Todes." Und der Tod geht ja tatsächlich jeden an. Er kümmert sich nicht um Standeshierarchien, Machtverhältnisse oder Einkommen; sein Eintreten ist ebenso unaufhaltsam wie unwiderruflich. Im Totentanz des Mittelalters wurde dieser Gedanke bildlich umgesetzt – ob reicher Kaufmann, ob armer Bettler, alle sahen sich dem grimmen Schnitter gleichermaßen ausgeliefert. Obwohl der Tod jeden betrifft und zum Leben dazugehört, fürchten wir ihn. Das zeigt sich schon an der Vielzahl abmildernder Beschreibungen, die sich umgangssprachlich für das Sterben etabliert haben: Jemand ist "von uns gegangen", "entschlafen" oder hat "die letzte Reise angetreten". Kein Zweifel: Der Tod ist ein Tabuthema. Dazu gehören auch die gesellschaftlichen Umgangsformen, die mit ihm zu tun haben. Gestorben wird nicht mehr wie in früheren Zeiten im Kreise der Familie, sondern in besonderen Räumen, wie Krankenhäusern und Palliativstationen. Auch die Trauer und die Beerdigung finden abseits statt. Wie gehen wir also mit dem Tod um?

 

Vom Abschiednehmen

Trauer ist kein schönes Gefühl. „Denn ein Herz voll Freude sieht alles fröhlich an, ein Herz voll Trübsal alles trübe“, meinte schon Martin Luther. Trauer beschwert das Dasein. Das Gefühl stellt sich mit einem Verlust ein, der uns sehr nahe geht, beispielsweise eines Verwandten oder eines geliebten Menschen. Die Lebensfreude lässt nach, die Welt erscheint dunkel, das eigene Leben ohne Hoffnung und Perspektive. Es dauert einige Zeit, bis der Verlust verarbeitet ist und sich der Blick auf die Dinge wieder aufklärt. Um diese Beschwernis herum hat sich eine eigene Trauerkultur etabliert, die bei der Bewältigung des erlittenen Verlustes helfen will. Im Mittelpunkt steht naturgemäß die Bestattung, die aber von vielen weiteren Aktivitäten begleitet sein kann. Hierzu gehören die Trauerfeier, das Tragen von Trauerkleidung und das Einhalten von Gedenktagen. Die Form, die man wählt, um seinen Gefühlen Ausdruck zu geben, ist dabei so individuell wie die oder der Trauernde selbst. Es gibt keine Verpflichtung dazu, sich im Todesfall auf die eine oder andere Weise zu verhalten. Von staatlicher Seite vorgeschrieben ist allein die Bestattungspflicht. Diese wird auch dann erfüllt, wenn der Betroffene seinen Körper für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung gestellt hat.

 

Bestatten und Beerdigen

Ein wichtiger Unterschied zwischen Mensch und Tier besteht darin, die Toten zu bestatten. Dies hat weniger mit der Einsicht in hygienische Notwendigkeiten zu tun als mit religiös geprägten Weltbildern, nach denen mit den Toten in dieser oder jener Weise zu verfahren sei. Während zwischen protestantischer und katholischer Bestattung nur noch geringe Unterschiede existieren, gelten im Islam eigene Regeln. Nicht nur eine rituelle Waschung ist Bestandteil der Zeremonie, sondern auch eine Erdbestattung, bei der das Gesicht der oder des Toten in Richtung Mekka zeigt. Jeder Personenkult hat dabei zu unterbleiben. Dieser egalitäre Ansatz findet sich auch im Judentum wieder, das ebenfalls nur die Erdbestattung kennt, die so schnell wie möglich vollzogen werden soll; idealerweise am selben Tag. Ganz anders verhält es sich im Hinduismus, wo ausschließlich die Verbrennung akzeptiert ist. Und: Das Kastenwesen gilt auch im Tod – jede Schicht kennt ihre eigenen Regeln und Bestimmungen. In den westlichen Gesellschaften spiegelt der Aufwand des Begräbnisses nicht selten den materiellen Wohlstand und den gesellschaftlichen Rang des Toten wider, der sich im Fall von Prominenten bisweilen in aufsehenerregenden Feierlichkeiten äußert. Doch auch hier gilt: "Sic transit gloria mundi" – so vergeht der Glanz der Welt.

 

Vom Verschwinden des Leibes

Wie jemand bestattet werden möchte, wird in den meisten Fällen von ihm testamentarisch festgelegt. Viele entscheiden sich auch weiterhin für die Sargbestattung, die es seit etwa 9.000 Jahren gibt. Dabei wird der Leichnam entweder ins Erdreich oder in eine Gruft verbracht. Die Alternative besteht in der Feuerbestattung. Die Asche des Verstorbenen kann ebenfalls vergraben werden, doch es gibt noch weitere Möglichkeiten. Neben dem Verstreuen auf See oder auf einem hierfür vorgesehenen Feld wird auch die Urnenwand, das sogenannte Kolumbarium, genutzt. In Deutschland ist diese Methode seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt. Neueren Datums ist die Möglichkeit, in Ausnahmefällen zumindest einige Gramm der Asche von Weltraummissionen mitnehmen und sie dem All übergeben zu lassen. Dahinter steht die Idee, den Leichnam noch direkter in den universalen Kreislauf aus Leben und Tod einzubringen. Doch wer die Friedhöfe meiden und sich an einem naturbelassenen Ort zur letzten Ruhe betten will, hat seit einigen Jahren auch hierzu Gelegenheit. Die Naturbestattung gehört zu den neueren Bestattungsformen und bietet den Vorteil, die Asche jenseits der etablierten und von manchem als unangenehm empfundenen Orten unterzubringen. Dies können zum Beispiel spezielle Wiesen oder Bäume sein.

 

Bestattungen – ein Ausblick

Bestattungen gibt es seit etwa 90.000 bis 120.000 Jahren. Wie viel sich in dieser Zeitspanne geändert haben mag, lässt sich kaum erahnen. Ein Beispiel: Im Mittelalter wurden die Leichen von Menschen, die sich das Leben genommen hatten, mehr verscharrt als beerdigt und von den christlichen Ritualen ausgenommen. Heute denkt die Gesellschaft anders über diese Fälle. Welche Richtungsänderungen werden sich im Bestattungswesen vollziehen? Bereits gegen Ende des 20. Jahrhunderts machte sich eine Auflösung der etablierten Grenze zwischen den Bereichen der Lebenden und der Toten bemerkbar. Friedhöfe sind zumindest in Großstädten auch Naherholungsgebiete, in denen man einfach spazieren oder ein Buch lesen kann – und in dieser Funktion werden sie zunehmend genutzt. Auch an anderen Stellen wankt das Tabu, sich mit dem Tod auseinander zu setzen. Eine neue Generation von Bestattern bietet individuelle Serviceleistungen an, die auf die Wünsche des Verstorbenen sehr viel intensiver eingehen, als es bislang der Fall war. Entsprechend erfahren auch die gesetzlichen Regeln Änderungen. Noch ist vieles in den Bereich der Ausnahme verschoben, was in naher Zukunft alltäglich sein könnte – eine Urnenbestattung im eigenen Garten beispielsweise. Doch das Interesse, die Trauer anders zu gestalten, wird offenkundig immer größer. Diese Entwicklung könnte dazu führen, dass es in naher Zukunft eine andere Beschäftigung mit dem Thema Tod geben wird, nämlich eine, die gesellschaftlich weniger tabuisierend ist. Dass es dennoch individuell zu Verdrängungserscheinungen kommen wird, ist hingegen ganz natürlich. Denn wie meinte schon Woody Allen: "Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich möchte nur nicht dabei sein, wenn’s passiert."

 

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