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Immer mehr Kinder in Deutschland leiden an Übergewicht. Das ist zum einen ein großes gesundheitliches, aber zunehmend auch ein wirtschaftliches Problem. Doch was kann getan werden, um diesen unheilvollen Trend umzukehren? Die Stiftung Kindergesundheit hat zu dieser Frage nun eine Stellungnahme veröffentlicht - und nimmt Gesellschaft, Politik und Wissenschaft in die Pflicht.

Überflüssige Pfunde erhöhen bereits im Kindesalter drastisch das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

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Deutschland hat buchstäblich ein dickes Problem - und dieses Problem betrifft ausgerechnet die Kleinsten: Etwa jedes siebte Kind zwischen drei und 17 Jahren ist hierzulande übergewichtig, sechs Prozent gelten sogar als fettleibig. Damit reiht sich Deutschland in einen globalen Trend ein. Denn Übergewicht und Adipositas im Kindesalter sind nicht nur bei uns, sondern weltweit zu einer regelrechten Epidemie geworden.

Die überflüssigen Pfunde erhöhen das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen drastisch. Auch Leberzirrhosen, Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems bis hin zu psychischen Störungen kann Übergewicht auf Dauer nach sich ziehen. "Übergewicht ist mehr als Babyspeck, Posaunenengel leben gefährlich", konstatiert Berthold Koletzko von der Universitätskinderklinik München.

Einmal dick - immer dick?

Besonders bedenklich ist, dass einmal dicke Kinder oder Jugendliche ihr Übergewicht später nur schwer wieder loswerden. Aus dicken Kindern werden überdurchschnittlich häufig dicke Erwachsene - und desto länger das Übergewicht besteht, desto größer wird auch das gesundheitliche Risiko. Aus diesem Grund ist Vorbeugung in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Doch was muss die Gesellschaft tun, damit Kinder hierzulande gesund aufwachsen und normalgewichtig bleiben?

Zu dieser Frage hat die Stiftung Kindergesundheit nun konkrete Empfehlungen veröffentlicht. Darin fordern die Experten unter anderem, konsequent das Stillen zu fördern. Denn Muttermilch ist in den ersten Monaten nach der Geburt die gesündeste Nahrung und der beste Schutz vor überflüssigen Pfunden, wie Untersuchungen zeigen. Demnach werden Säuglinge, die vier bis sechs Monate lang gestillt werden, nicht so häufig übergewichtig wie nicht gestillte Babys.

Mangelware Wasser: Auch an vielen Schulkiosken und -imbissen dominieren Zuckerwaren, Schokoriegel, Pizza, Pommes und zuckerhaltige Getränke.

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Mehr Wasser, weniger Werbung

Des Weiteren rät die Stiftung dazu, Kinder von klein auf an das Wassertrinken zu gewöhnen und zuckerhaltige Getränke wie Limonaden und Fruchtsäfte vom Speiseplan zu streichen. Denn: "Es zeigt sich immer deutlicher, dass zuckerhaltige Getränke ein eigenständiger Risikofaktor für eine übermäßige Gewichtszunahme sind." Aus Sicht der Experten müssen hier auch die Bildungseinrichtungen mitziehen - und Kindern und Jugendlichen solche Getränke gar nicht erst anbieten.

Neben Verlockungen in den Kantinen von Kita, Schule und Co spielen der Stiftung zufolge auch das Fernsehen und die sozialen Medien eine verhängnisvolle Rolle: Sie konfrontieren Kinder mit Werbung für süße Schokolade und fettige Chips - und die lassen sich dadurch nachweislich beeinflussen. Studien belegen, dass Werbung die Bevorzugung, den Kauf und den Verzehr von unausgewogenen und dickmachenden Produkten fördern kann.

Aufklärung ist wichtig

Solche Werbung zu begrenzen und Kinder sowie ihre Eltern dafür besser über gesundes Essen und Trinken aufzuklären, wäre demnach ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Bisher deutet allerdings wenig darauf hin, dass solche Maßnahmen in naher Zukunft durchgesetzt werden. "Die Ernährungswirtschaft wehrt gesetzliche Regulierungen durch ihre Lobbyarbeit erfolgreich ab", kritisiert die Stiftung in ihrer Stellungnahme.

Entgegen einer Forderung der Weltgesundheitsorganisation schreibe der Gesetzgeber in Deutschland weder die Bewertung der Nährstoffe noch eine einheitliche Kennzeichnung der Lebensmittelqualität durch einfache Symbole vor - und die Selbstverpflichtungen der Hersteller funktionierten nicht oder entpuppten sich sogar als Mogelpackung.

Auch ein wirtschaftliches Problem

Doch die Ernährung ist nicht alles: "Wichtig sind auch regelmäßige Bewegungsaktivitäten in Kitas, Schulen und in der Freizeit", betont Koletzko. Je aktiver Kinder sind, desto mehr Kalorien verbrauchen sie. Das gilt nicht nur beim Sport, sondern auch im Alltag - zum Beispiel beim Spielen. Als Richtlinie gilt dabei: "Kinder und Jugendliche sollten sich mindestens 90 Minuten am Tag bewegen", so der Mediziner.

Die Bekämpfung der Fettsuchtepidemie ist nicht nur unter gesundheitlichen, sondern auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten dringend erforderlich, wie die Stiftung unterstreicht. Demnach bedeuten die durch Übergewicht und Fettsucht entstehenden Kosten für die heutige Gruppe von betroffenen Kindern und Jugendlichen zusätzliche Lebenszeitkosten von 145 Milliarden Euro.

"Einzelmaßnahmen reichen nicht aus, um die unheilvolle Entwicklung aufzuhalten. Wissenschaft, Gesellschaft und Politik müssen zusammenarbeiten, um die dickmachende Lebenswelt der Kinder zu verändern", schließt die Stiftung Kindergesundheit.

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