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Das Oktoberfest oder Die Maß aller Dinge (Podcast 57)

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"Auf geht’s zur Wiesn!“ Festzelte, Blasmusik, jede Menge Bier – das Münchner Oktoberfest gehört nicht nur zu den bekanntesten, sondern auch zu den größten Volksfesten der Welt. Rund sechs Millionen Besucher kommen Jahr für Jahr zur Theresienwiese, auf der das Fest seit 1810 stattfindet. Umgeben von den bunten Zelten der Brauereien und dem Trubel der Fahrgeschäfte, übersieht man leicht, welche Anstrengungen nötig sind, um eine rundum gelungene Zerstreuung zu bieten. Wir laden Sie zu einem Bummel über die Wiesn ein!

 

Wer über das Oktoberfest geht, spürt auf Schritt und Tritt die Tradition – zum Beispiel bei den Schaustellern, von denen nicht wenige historische Attraktionen mit hohem Schauwert betreiben. "Pitts Todeswand“ zum Beispiel, ein großer Holzzylinder, wird auf der Innenseite mit Motorrädern aus den 1930er Jahren befahren. Hier kann einem bereits beim Zusehen schwindelig werden. Besser, man hält sich an etwas fest – an einer Maß Bier zum Beispiel. Und um das gleich zu klären: Eine Maß ist immer weiblich, also: "die Maß“, und das "a“ wird sehr kurz und knapp ausgesprochen, so ähnlich wie in "Fass“ – was ja auch wirklich nahe liegt. Doch bevor wir zum Biertrinken kommen, hier erst rasch ein Blick auf die Geschichte des Oktoberfests.

 

Von der Hochzeit zur Wiesn

Das erste Oktoberfest fand am 17. Oktober 1810 statt. Gefeiert wurde die Hochzeit von Kronprinz Ludwig, dem späteren König von Bayern, und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen, die dem 42 Hektar großen Gelände dann prompt ihren Namen gab. Dem Anlass entsprechend ging es hoch her, fast so hoch wie heute, und von daher wundert sich niemand, wenn von der Bezeichnung Theresienwiese der lässige Begriff Wiesn abgeleitet wurde, der sich als fester Begriff für das Oktoberfest eingebürgert hat. Anfangs gab es allerdings noch keine Festzelte, sondern ein großes Pferderennen, doch nach und kamen Kletterbäume und Losbuden hinzu, und als das erste Karussell eröffnet wurde, sah die Wiesn schon beinahe so aus wie heute. Geld verdient wurde natürlich auch schon, und das gar nicht mal knapp, aber das Vergnügen für die ganze Familie überwog. Das war vor allem den zahlreichen Schaustellern und ihren Buden zu verdanken. Gelegentlich musste das Fest auch einmal ausfallen, aber nicht wegen schlechten Wetters; um dies zu verhindern, war die Wiesn einfach ein paar Tage vorverlegt worden, so dass sie nur noch knapp in den Oktober hineinragte. Das ist übrigens noch heute so – wieder eine hübsche Tradition, von der sich keiner lossagen mag.

 

Von Brauereien, Bierfässern und Blasmusik

Doch wie geht ein Oktoberfest vor sich? Natürlich gibt es auch hier ein wohlgepflegtes Ritual. Offizieller Auftakt ist der Wiesn-Einzug der Festwirte, Schausteller und Brauereien, der noch aus der Zeit stammt, als die Theresienwiese vor den Toren der Stadt lag. Mit historisch geschmückten Pferdegespannen wird das Bier der verschiedenen Brauereien symbolisch auf das Gelände gebracht; die Wirte und Schausteller sind in Kutschen dabei. Angeführt wird der Umzug stets vom amtierenden Münchener Bürgermeister und dem Münchner Kindl hoch zu Ross, das auf seine Weise sicher auch einen Blickfang darstellt. Punkt 12 Uhr sticht dann der Oberbürgermeister in einem der Zelte das erste Bierfass an und ruft laut: "O’zapft is!“ Diese Sitte gibt es erst seit 1950; damals brauchte der Amtsinhaber satte 19 Schläge. Rekordhalter hingegen ist der derzeitige OB Christian Ude, der schon zweimal mit nur zwei Schlägen ausgekommen ist. Vielleicht zielt er besser? Wie auch immer, die Anzahl der Schläge ist stets ein vielbeachteter Anlass für sportliche Wetten, und man kann sicher sein, dass das halbe Festzelt mitzählt. So ist das, wenn die Wiesn beginnt.

 

Die Wiesn heute: Die Maß aller Dinge

Bummelt man über die Wiesn, dann mag man kaum glauben, dass das Fest eine Stadt für sich ist – mit einer Wiesn-Polizei, die über eine spezielle Rufnummer erreicht werden kann, und einer eigenen Sanitätsstation. Es gibt sogar ein Wiesnpostamt. Zusätzliche Sendemasten sorgen dafür, dass die Kommunikation via Mobiltelefon gewährleistet ist, so dass niemand im Gewusel verlorengehen braucht. Allerdings ist es zum Telefonieren neben der Kapelle mit Sicherheit zu laut. Und wenn dann noch der jährliche Wiesn-Hit ertönt, bleibt das Handy ohnehin besser in der Hosentasche. Apropos: Als heißer Tipp wird 2009 "Jungle Drum“ von Emiliana Torrini gehandelt. Wenn dieser Song nicht ertönt, mühen sich die Kapellen und Bands. Mit der bairischen Zählweise kann man sich im Bierzelt ebenfalls vertraut machen. Zumindest bis zur Drei, denn soweit reicht das allseits bekannte Kommando, das regelmäßig von der Band ans feierwillige Volk geht: "Oans, zwoa, drei gsuffa!" heißt es da: "Eins, zwei, drei, getrunken!"

Technische Unfälle kommen auf der Wiesn übrigens nur sehr selten vor. Ein Stromausfall vor einigen Jahren blieb beinahe folgenlos, da er an einem Vormittag stattfand, da brauchten also keine Lichter auszugehen – nur ein paar Brathendl hatten Probleme, in die erwünschte knusprige Form zu kommen. Ein paar Zahlen sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen: In den 92 Gastronomiebetrieben finden 100.000 Trinker und Trinkerinnen Platz, die größte Festhall bietet das Hofbräu-Zelt mit 10.000 Sitzplätzen. Da wird’s dann richtig kuschelig. Wer’s gemütlich mag, geht ins Café Schiebl, wo Platz für gerade einmal 60 Personen ist. Das Fundbüro hortete im Jahr 2008 u.a. 680 Ausweise und Kreditkarten, 265 Brillen, 1 Supermann-Kostüm und 1 Aluleiter. Erstaunliche 43 Kilometer Kabel versorgen das Gelände mit Energie. Jährlich arbeiten rund 12.000 Personen auf der Wiesn, und durchschnittlich werden jedes Jahr rund 6 Millionen Liter Bier und 500.000 Brathendl verkauft. Aber um nun endlich zu dem Thema überhaupt zu kommen, weswegen wir überhaupt hier sind: Eine Maß Bier umfasst exakt einen Liter und kostet 2009 zwischen 8,10 und 8,60 €. Bei diesen Preisen wird natürlich genau hingeschaut. Ein mitgliederstarker Verein gegen betrügerisches Einschenken e. V. kontrolliert regelmäßig, ob diese Marke auch eingehalten wird. Ausgeschenkt werden darf nur Bier bestimmter Münchner Traditionsbrauereien, die mitunter schon seit Jahrzehnten dabei sind; dem Anlass entsprechend wird ein spezielles Bier, das so genannte Wiesn Märzen, mit einem Alkoholgehalt von ca. 6–7% eingeschenkt. Das schmeckt vor Ort natürlich besonders lecker, und entsprechend viele Maßkrüge hat das Personal zu stemmen – zehn bis zwölf dürfen es pro Rundgang schon sein. Die ziehen ganz schön in den Armen. Wer zuhause privat einmal weiterstemmen will, kann sich mit entsprechenden Sammlerkrügen versorgen. Und wer sich nach mehreren Litern Flüssigkeit erleichtern muss, kann dies auf knapp 1000 "Sitzplätzen“ und fast  900 Metern "Stehplätzen“ tun.

 

Ausblick auf den 200. Jahresstag der Wiesn

Die Wiesn war ein Familienfest und soll es bleiben; eine Reihe von Initiativen kümmert sich darum und hat zum Beispiel verfügt, dass bis 18 Uhr nur traditionelle Blasmusik bei einem reduzierten Lautstärkepegel gespielt werden darf. So soll das Oktoberfest für alle interessant bleiben. Weshalb auch 2010 anlässlich des 200. Jahrestags mit einem begeisterten Aufschrei zu rechnen ist, wenn es wieder heißt: "O’zapft is!

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