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Vom Eisernen Kreuz bis zur Tapferkeitsmedaille - Orden und Ehrenzeichen in Deutschland (Podcast 137)

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Welche Bedeutung jene Medaille für Angela Merkel hat, die ihr der amerikanische Präsident Barack Obama 2011 mit reichlich Pomp verliehen hat, bleibt das Geheimnis der Kanzlerin. Sicher ist, dass es sich bei der „Medal of Freedom“ um die höchste zivile Auszeichnung der Vereinigten Staaten von Amerika handelt. Nur ein einziges Mal zuvor schmückte diese Medaille eine deutsche Brust. Es war ausgerechnet Merkels politischer Ziehvater Helmut Kohl, der 1999 mit der Freiheitsmedaille ausgezeichnet wurde, die nur denen gebührt, die sich „in besonderer Weise für die Interessen der USA oder den Weltfrieden eingesetzt haben“.  Eine gewichtigere Auszeichnung als den fünfzackigen, goldenen Stern wird Frau Merkel wohl selten erhalten. Erst recht nicht in der Heimat. Denn in Deutschland werden Medaillen, Auszeichnungen und Orden eine eher stiefmütterliche behandelt. Woher kommt die Vorsicht der Deutschen, das Unbehagen im Umgang mit offiziellen Ehrabzeichen? Susanne Böllert hat sich auf einen Streifzug durch die Geschichte von Orden und Medaillen begeben.

 

Der Orden und seine Ursprünge

 

Das Wort „Orden“ gehört im Deutschen zu den so genannten Teekesselchen. Denn einerseits bezeichnet es das Ehrabzeichen, das der Ausgezeichnete um den Hals oder auf dem Revers trägt. Andererseits eine religiöse oder weltliche Gemeinschaft, die nach bestimmten Regeln lebt. Wie zum Beispiel die Mönchsorden der Franziskaner und Benediktiner, beziehungsweise der englische Hosenbandorden aus dem 14. Jahrhundert oder auch die Freimaurer und Rosenkreuzer der Neuzeit. Doch schaut man einmal genauer hin, wird schnell klar, dass es sich beim Wort „Orden“ nicht wirklich um ein richtiges Teekesselchen oder Homonym handelt, also um ein Wort, das verschiedene Dinge oder Begriffe meint. Denn beide „Orden“ haben einen gemeinsamen geschichtlichen Hintergrund. Die metallenen Orden, mit denen die Nationalstaaten seit dem aufkommenden Absolutismus im ausgehenden 17. Jahrhundert ihre Offiziere ehrten, gehen nämlich auf die Insignien der mittelalterlichen Ritterorden zurück. Verliehen für geleistete Dienste zeigte der Orden jetzt weniger die Zugehörigkeit zu einer Standesvereinigung an als vielmehr die individuelle Ehrung, die dem Ausgezeichneten aufgrund eigener Verdienste zuteil wurde. Analog zu dieser Entwicklung wurde die Bezeichnung „Orden“ von der Gemeinschaft auf die Embleme einer solchen übertragen – und später auf besondere Formen von Ehrenabzeichen überhaupt.

 

Die Medaille – ein Orden zweiter Klasse?

 

Während das Ehrabzeichen des Ordens militärischen Ursprungs ist, hat die Medaille ihre Wurzeln im Ästhetischen und Ideellen. In Metall gegossen oder geprägt, diente die runde oder eckige Schaumünze ohne Geldcharakter schon vor vielen Jahrhunderten der Ehrung oder Erinnerung an bestimmte Personen, Familien oder Ereignisse. Im Italien des späten 14. Jahrhunderts wurden die ersten Medaillen mit Portraits, Wappen oder allegorischen Figuren versehen. Bei der ersten deutschen Medaille  soll es sich um eine Gussmedaille auf den Würzburger Bischof Lorenz von Bibra aus dem Jahr 1496 handeln. Doch sollte auch die Medaille bald offiziellen Charakter erhalten und feierlich verliehen werden – und zwar an Nichtoffiziere und Zivilisten, sozusagen als bürgerliches Pendant zum militärischen Verdienstorden. Namen, Form und Bandfarbe der Medaille signalisierten jedoch die Zusammengehörigkeit mit dem jeweiligen Orden. Dasselbe galt für die Ehrenzeichen, die in der Ordenskunde zwischen dem Orden und der Medaille rangieren und Ende des 18. Jahrhunderts als Auszeichnung für Bürgerliche geschaffen wurden, wohingegen die so genannten „Ritterorden“ dem Adel vorbehalten blieben.

 

Die Medaille – und die Deutschen

 

Heute verleihen fast alle Staaten der Welt zivile und militärische Orden – Ausnahmen bilden Israel und die Schweiz. Den Eidgenossen ist die Annahme von Orden laut Gesetz sogar ausdrücklich untersagt. Doch auch in Deutschland ist das Verhältnis zu Orden und Medaillen gebrochen. Und das war schon immer so.  Anders als andere europäische Nationalstaaten verfügte das Deutsche Reich bis 1918 zum Beispiel über keinen eigenen Orden – nur die einzelnen Bundesstaaten konnten eine solche Auszeichnung erteilen. Und auch die Weimarer Republik verzichtete vollständig auf die Vergabe von Orden und Medaillen. Andererseits hat es in der deutschen Geschichte immer wieder Epochen gegeben, in der die schöne Idee einer öffentlichen Auszeichnung für persönliche Verdienste zu einem absurden Kult pervertierte. Ganz besonders gilt dies für das Dritte Reich.

 

Das Eiserne Kreuz – die Medaille der Preußen

 

Das Eiserne Kreuz, das später von den Nationalsozialisten als Symbol missbraucht werden sollte, geht auf den preußischen König Friedrich Wilhelm III. zurück, der die Auszeichnung zu Beginn der Freiheitskriege im März 1813 stiftete. Erstmals konnten nicht nur Generale und Offiziere, sondern auch der einfache Soldat mit einem Tapferkeitsorden ausgezeichnet werden. Das war für die preußische Militärgeschichte nahezu revolutionär. Welche gesellschaftliche Bedeutung das Eiserne Kreuz damals hatte, wird auch an der Person der Prinzessin Marianne von Preußen deutlich. Die Schwägerin Friedrich Wilhelms hatte alle Frauen des Landes aufgerufen, ihren Goldschmuck abzugeben, um daraus die militärischen Auszeichnungen herstellen zu können. Ein Aufruf, der im Ersten Weltkrieg wiederholt und dem erneut willig Folge geleistet wurde. Doch auch das Eiserne Kreuz selbst sollte im Laufe der Geschichte so manche Neuauflage erleben – 1870 durch König Wilhelm I. für die Dauer des Deutsch-Französischen Krieges, 1914 durch Kaiser Wilhelm II. für den Ersten Weltkrieg und schließlich am 1. September 1939 durch Adolf Hitler. Entsprechend seines Größenwahns erweiterte der faschistische Diktator die alte preußische Auszeichnung, die bisher in zwei Klassen und ein Großkreuz – exklusiv für Schlachtensiege – eingeteilt war, um einen Grad. Unglaubliche 3.000.000 Mal verliehen die Nazis das Eiserne Kreuz zweiter Klasse, 300.000. Mal das erster Klasse, das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes immerhin noch über 8000 Mal und das Großkreuz des Eisernen Kreuzes einmal – an Hermann Göring. Dem allerding erkannte Hitler die Mega-Auszeichnung in seinem Testament allerdings wieder ab. Im Gegensatz zum preußischen Eisernen Kreuz schmückte das Nazi-Emblem kein Eichenlaub mehr, sondern ein Hakenkreuz. Was die Auszeichnung aber so populär machte, war wohl der Umstand, dass sie weiterhin ohne Ansehen von Stand oder Dienstgrad verliehen wurde.

 

Verwundetenabzeichen und Mutterkreuz

 

Doch nicht nur die Tradition des Eisernen Kreuzes wussten die Nationalsozialisten geschickt für ihre Zwecke einzusetzen. Auch das Verwundetenabzeichen, das Kaiser Wilhelm II. 1918 für die Verwundeten des Deutschen Heeres gestiftet hatte, tauchte 1939 wieder auf. Während es im Ersten Weltkrieg an die Soldaten ging, die „für das Vaterland geblutet oder im Kriegsgebiet durch feindliche Einwirkung ihre Gesundheit verloren haben und infolgedessen dienstunfähig sind“, zeichnete das Verwundetenabzeichen von 1939 diejenigen aus, die durch Feindeinwirkung, unverschuldet durch eigene Kampfmittel oder schwere Erfrierungen bei Kampfhandlungen verletzt wurden. Die Praxis, nach der je nach Häufigkeit oder Schwere der Verletzungen das Abzeichen in Schwarz, Silber oder Gold verliehen wurde, muss uns heute in höchstem Maße zynisch erscheinen.  

Ähnlich menschenverachtend stellt sich aus heutiger Sicht aber auch die Verleihung des Mutterkreuzes dar. Mit diesem, besonders gern am – ebenfalls von den Nationalsozialisten ins Leben gerufenen  - Muttertag verliehenen “Ehrenkreuz der deutschen Mutter“  bedachten Hitlers Schergen die Frauen, die ihrem Vaterland und Führer besonders viele Kinder geschenkt hatten. Frauen, die viermal in der „Geburtsschlacht“  siegreich gewesen waren, erhielten das Kreuz in Bronze, sechsfache Mütter das in Silber und achtfache Mütter das goldene. Voraussetzung für diese zweifelhafte Ehre, die mit militärischen Würden für deutsche Männer vergleichbar war, waren neben der Vielzahl des Nachwuchses jedoch auch bestimmte Qualitätsmerkmale, wie das ungetrübte arische Blut in den Venen  der Kinder – sowie die „Würdigkeit“ der Mutter. Deutschblütig, erbgesund, anständig und sittlich einwandfrei musste die auszuzeichnende Gebärmaschine schon sein. Sollte ihr Haushalt hingegen schlampig geführt sein und die Schulnoten der Kinder zu wünschen übrig lassen, blieb der deutschen Mutter das begehrte Kreuz verwehrt – die gesellschaftliche Schmach indes war ihr sicher. Etwa fünf Millionen Frauen erhielten bis 1945 das Mutterkreuz verliehen.

 

Die neue Medaille für die Tapferkeit

 

Heute sind die Medaillen, Orden und Verdienstkreuze der Nationalsozialisten bei einigen Sammlern zwar beliebt.  Das Tragen nationalsozialistischer Auszeichnungen ist in Deutschland jedoch gesetzlich verboten. Mit Ausnahme des Eisernen Kreuzes, das heute noch nach Entfernen des Hakenkreuzes getragen werden darf.  Das regelt das Gesetz über Titel, Orden und Ehrenabzeichen vom 26. Juli 1957, das zuletzt 1990 mit dem deutschen Einigungsvertrag geändert worden ist. Der Missbrauch mit Medaillen und Orden, den die Nationalsozialisten unter anderem durch die inflationäre Verleihung des Eisernen Kreuzes begangen haben, steckte den Deutschen tief in den Knochen. Jahrzehntelang war Deutschland das einzige NATO-Mitgliedsland, dessen Armee keinerlei Tapferkeitsauszeichnungen an seine Soldaten verleihen konnte. Bis sich 2007 Widerstand regte und eine entsprechende Petition im Bundestag eingereicht wurde. Schließlich gebe es genügend Beispiele für herausragendes und tapferes Verhalten einzelner Bundeswehrsoldaten im Einsatz, bei der Katastrophenhilfe oder bei Unfällen, argumentierten die Befürworter einer Neuauflage des Eisernen Kreuzes. Dazu ist es zwar nicht gekommen, wohl aber zur Einführung des „Ehrenkreuzes der Bundeswehr für Tapferkeit“, die der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung vorgeschlagen und Ex-Bundespräsident Horst Köhler abgesegnet hatte. Im Juli 2009 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Medaille, die im Volksmund schnell zur Tapferkeitsmedaille wurde, erstmals vergeben - an vier Soldaten, die unter Lebensgefahr verletzte Kameraden in Afghanistan geborgen hatten. Jungs Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg  führte seinerseits die Gefechtsmedaille ein. Diese Sonderform der Einsatzmedaille der Bundeswehr geht seitdem an Soldaten, die „mindestens einmal aktiv an Gefechtshandlungen teilgenommen oder unter hoher persönlicher Gefährdung terroristische oder militärische Gewalt erlitten“ haben. Eine Verwundetenmedaille wie das 1782 von George Washington gestiftete „Purple Heart“ soll es in Deutschland hingegen nicht geben.

 

Die Medaille und der Orden in der DDR

 

Während die Westdeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg von öffentlichen Auszeichnungen Abstand nahmen – das vom Bundespräsidenten zu verleihende Bundesverdienstkreuz für erbrachte Leistungen auf politischem, wirtschaftlichem oder geistigem Gebiet ist der einzige Verdienstorden der Bundesrepublik – frönte man in der DDR einem Medaillen- und Abzeichenkult, wie man ihn vor allem von Fernsehübertragungen aus der Sowjetunion kannte. Man denke etwa an die unter der Last ihrer vielen Orden gebeugten, russischen Kriegsveteranen, die gern zu Gedenktagen über den Roten Platz kutschiert werden. Was der große Bruder Russland konnte, konnte die DDR schon lange. So war die Medaille „Held der Arbeit“, die der Unterdrückungsstaat 1950 einführte, eine durchaus ernst gemeinte Ehrenauszeichnung. Selbiges gilt für die Medaille „Vorbildliches Lehrlingskollektiv im sozialistischen Berufswettbewerb“, das Abzeichen für „Vorbildliche Arbeit“ für die Deutsche Volkspolizei oder die Verdienstmedaille der Deutschen Post, um nur einige zu nennen. Ob sich die so Ausgezeichneten damals wirklich freuten, ist fraglich.

Angela Merkels ungetrübte Freude über die Medaille des Friedens, die ihr Obama in Washington an die Brust heftete, nehmen wir ihr da schon eher ab. Auch wenn die Ostdeutsche, die viele Jahre lang eine heuchlerische, sozialistische Auszeichnungspraxis erleben musste, der uramerikanischen Medal of Freedom tief im Inneren mit der gewohnten Merkelschen Skepsis begegnet sein dürfte.
 

Susanne Böllert, wissen.de-Redaktion

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