Audio

Wer Energie hat, hat die Macht (Podcast 39)

0:00

Der wochenlang schwelende Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine Anfang 2009 hat auch uns Mitteleuropäern klar vor Augen geführt, dass es in unseren Wohnungen schneller kalt werden kann als erwartet. Die frostige Atmosphäre des politischen Disputs verdeutlicht vor allem eines: Wer heute über große Energiereserven verfügt, diktiert den Preis. Und hat somit Macht. Deutschland mit seiner hochgradig industrialisierten Arbeitswelt hängt wie ein Abhängiger am Tropf der Energielieferanten. Und da die am weitesten in die Zukunft reichenden Szenarien etwa von einer Verdoppelung des weltweiten Energieverbrauchs bis zum Jahr 2050 ausgehen, werden die Probleme mit Sicherheit nicht kleiner.


 

Wie lange reichen die Reserven noch?
 

Erdöl-, Kohle- und Erdgasvorräte sind endlich. Diese einfache Wahrheit ist nicht erst seit heute bekannt, hat aber in den letzten Jahren zu einem rasanten Wettlauf um Energieressourcen geführt. Der steigende Hunger der Welt nach Energie hat nicht nur die klassischen Industrienationen erfasst, sondern auch bisherige Schwellenländer befallen. Das führt etwa im Fall Chinas zu der paradoxen Situation, dass das Land der sechstgrößte Erdölproduzent der Welt ist, seine Wirtschaft aber so rasant wächst, dass man gezwungen ist, Erdöl in gigantischen Mengen zu importieren. 95 Prozent des weltweiten Energiehungers werden heute noch von nicht-erneuerbaren Energien gedeckt. Und genau hier liegt das Problem: Das Angebot sinkt, die Nachfrage steigt. Und somit werden Energierohstoffe zum Machtfaktor der Moderne.

 

Rohstoffbesitz als Machtfaktor


Schon seit den Anfängen der Menschheit wurden Kriege um Energieressourcen ausgefochten. Zu den Gewinnern der Preisexplosionen bei den Rohstoffen zählen heute Russland mit seinen großen Erdgasvorkommen, Südamerika (dort vor allem Venezuela), die Arabische Halbinsel und der Iran mit Öl- und Gasvorkommen erheblichen Ausmaßes.


Die Verteilung der Rohstoffe auf politisch tendeziell eher instabile Regionen verleitet viele Staaten zu "problematischen" Geschäften. Die enge Kooperation zwischen China und dem Iran in Sachen Energie blockiert beispielsweise immer wieder UN-Resolutionen gegen das Regime der Mullahs.

Ressourcensicherheit um jeden Preis scheint übrigens heute zur Leitlinie auch demokratischer Staaten zu gehören. Doch wie hoch ist der moralische Preis, den man für Öl und Gas zu zahlen bereit ist? Die EU-Politiker versuchen deshalb nicht ohne eigenes Interesse, sich nach dem Sturz Muammar El-Gaddafis am Aufbau einer stabilen Demokratie in Libyen zu beteiligen. Über eine bereits existierende Pipeline "Greenstream" können jedes Jahr bis zu elf Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa gepumpt werden. Während der Kämpfe, die 2011 Gaddafis Sturz vorausgingen, mussten die Betreiber den Gashahn allerdings ganze acht Monate lang abstellen.

 

Das Ende fossiler Energieträger


Über die statistische Reichweite von Erdöl, Erdgas und Kohle gibt es extrem unterschiedliche Aussagen und Meinungen. Man müsste hellseherische Fähigkeiten besitzen, um eine Vorhersage zu treffen, wie sich der Energiebedarf der Welt in naher Zukunft entwickelt. Und dieser Faktor hat einen entscheidenden Einfluss auf das Vorkommen fossiler Energieträger. Die weltweit nachgewiesenen Erdöl-Reserven betrugen Ende 2010 rund 188,8 Mrd. Tonnen. Gleichbleibenden Energiebedarf und gleichbleibende Nutzung unterstellt, reichen die derzeit bekannten Welt-Energiereserven an Erdöl und Erdgas etwa 45 bzw. 60 Jahre - und bei Kohle knapp 120 Jahre. Nach Angaben der Organisation erdölfördernder Länder (OPEC) aus dem Jahr 2011 wird der Öl-Verbrauch bis zum Jahr 2035 allerdings auf 109,7 Millionen Barrel pro Tag steigen. Die Uhr für die endlichen Energieträger läuft ab.
 

Wie könnten wir uns unabhängig machen?


Unter dem Eis der Arktis werden unvorstellbare Mengen an Rohstoffen vermutet. Man geht von Öl, Gas, Gold und sogar Rohdiamanten im Wert von 9 Billionen Dollar aus. Diese Aussichten führten 2008 bereits zu Landnahme modernen Stils, als Russland in einer spektakulären Aktion seine Fahne auf dem Meeresboden unter dem Nordpol "pflanzte". Doch die Anrainer-Staaten sollten sich nichts vormachen. Die Erschließung dieser Energiequellen löst das Problem der Energieknappheit durch fossile Rohstoffe nicht - er zögert es nur hinaus. Man muss sich vor Augen führen, dass es keine kurzfristigen Alternativen gibt, sondern nur langfristige Problemlösungen. Massives Energiesparen in allen Bereichen, von der Industrie bis hin zu jedem Einzelnen, ist ein Faktor, der vor allem in Verbindung mit technischen Innovationen sehr effektiv sein kann. Doch hier sind nicht nur Forschung und Wissenschaft, sondern auch die Politik gefordert - mit klaren Gesetzen wie zum Beispiel dem Erneuerbare Energien-Wärme Gesetz. Aber das reicht bei Weitem nicht aus. Für ausschlaggebende Erfolge muss es geeignete Initiativen und erhebliche Investitionen im Bereich der Regenerativen Energien geben. Die Verdoppelung des Anteils dieser Energien am Stromverbrauch bis zum Jahr 2020 ist nur ein Anfang. Aber können Wind, Biomasse, Wasser und Sonne in nicht allzu ferner Zukunft für unser Licht, unsere Wärme und unseren Strom sorgen? Das Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie ist da zuversichtlich, wenn vor allem die "Effizienz" der Energienutzung gesteigert werden kann. Wenn in diesem Bereich nicht schnell Fortschritte erzielt werden, kann es schon bald zu spät sein.

wissen.de-Redaktion

 

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Fremdwörterlexikon

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon