Lexikon

Latènekultur

[
laˈtɛ:n-
]
prähistorische Kultur Mitteleuropas (etwa 5. Jahrhundert v. Chr. bis Christi Geburt), geprägt durch die Kelten; benannt nach dem Fundort La Tène am Neuenburger See in der Schweiz.
Die Latènekultur bildete sich zwischen Donau und Obermaingegend, im Mittelrhein-Mosel-Gebiet und in Ostfrankreich in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. heraus. Durch Handel, später durch Kriegszüge kam sie rasch in Kontakt mit den fortgeschritteneren Kulturen des Mittelmeerraums (insbesondere Griechen, Etrusker) und übernahm von dort neue Produktionsverfahren, einzelne Gegenstände und Ornamente. Bedeutende Kunsterzeugnisse (Gold-, Silber- und Bronzearbeiten) fand man in den frühlatènezeitlichen sog. „Fürstengräbern“ des Donau- und des Champagne-Saar-Mosel-Mittelrheingebiets (Dürrnberg bei Hallein, Klein-Aspergle, Reinheim, Waldalgesheim u. a.). In Holzkammern unter oftmals mächtigen Grabhügeln lagen die Toten mit zahlreichen Luxusgegenständen und reichhaltigem Schmuck, die Männer auch auf oder mit zweirädrigen, kostbar verzierten Wagen. Die unter den Beigaben gefundenen griechischen und besonders etruskischen Metallkannen (Schnabelkannen) sind in keltischen Werkstätten nachgeahmt und dem einheimischen Stil gemäß umgeformt. Von den sonstigen latènezeitlichen Metallarbeiten sind besonders die Gürtelschließen, die Arm- und Halsringe mit Reliefs von Laubwerk und s-förmigen Motiven, Knotenverzierungen und zuweilen auch menschliche Masken und die Fibeln zu erwähnen. Letztere weisen eine formenreiche Entwicklung auf, die zur Grundlage der Chronologie der Latènekultur wurde. Die Waffen der Krieger bestanden aus eisernen Langschwertern mit oft reich verzierten Scheiden aus Bronze- oder Eisenblech, großen, mit Leder überzogenen Ovalschilden aus Holz oder reich ornamentierten Bronzeschilden. Die Latènekultur brachte die älteste auf der Töpferscheibe hergestellte Keramik in Mitteleuropa hervor.
Seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. trat eine Nivellierung des Grabbrauchs ein; an die Stelle der Fürstengräber traten größere Gräberfelder mit ziemlich einheitlichem Beigabeninventar. Es scheint weiterhin die seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. übliche Brandbestattung geherrscht zu haben. Gleichzeitig gewann die Oppida-Zivilisation an der zuvor überwiegend kriegerisch-bäuerlich bestimmten keltischen Welt starken Anteil. Besonders im späten 2. und im 1. Jahrhundert v. Chr. nahm die Gründung von stadtähnlichen ummauerten Ansiedlungen (lateinisch oppidum, Plural oppida) in zumeist günstiger Verkehrs- und Verteidigungslage mit einer teilweise regelrecht industrialisierten Warenerzeugung zu (Bibracte, Mansching u. a.). Die keltischen Wanderungen verbreiteten die Latènekultur bis nach Norditalien und in den Balkan. Mit der militärischen Niederlage der Kelten durch die Römer gegen Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. endete die Latènekultur, doch beeinflusste ihre Kultur noch lange die provinzialrömische Kultur Galliens und lebte in der irischen Kunst des Mittelalters wieder auf.
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