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Moses Maimonides: Vordenker einer Religion der Vernunft

Was gilt als Hauptwerk des Maimonides?

Sein bedeutendstes religionsphilosophisches Werk gab Maimonides 1191 in arabischer Sprache heraus: Der »Führer der Unschlüssigen« richtete sich an eine jüdische Bildungselite, die zwar nach wie vor an Gott und seine Offenbarungen glaubte, hinsichtlich ihrer Verbindung zu Philosophie und Vernunft jedoch unschlüssig war. Maimonides gab nun in seinem Führer die gesuchten Hilfestellungen. Er versuchte, Gott und seine Offenbarungen rational erfassbar zu machen, lehrte einen vernunftgemäßen Zugang zur Tora, den fünf Büchern Mose. Hier orientierte sich Maimonides stark an der aristotelischen Philosophie der Vernunft. Seine Ideen standen im krassen Gegensatz zur Kabbala, der etwa zeitgleich entstandenen jüdischen Bewegung der Mystik in Südfrankreich und Spanien.

Welche Wirkung hatte Maimonides' Werk?

Der »Führer der Unschlüssigen« löste bald nach seiner Übersetzung ins Hebräische den »Maimonidesstreit« aus, der insbesondere nach dem Tod des Autors schärfste Formen annahm: Die traditionalistischen Gegner verhängten gegen das Werk den Bann, die Maimonisten sprachen daraufhin den Gegenbann aus. Mit Hilfe der christlichen Inquisition erreichten die Traditionalisten sogar eine öffentliche Bücherverbrennung des Maimonides-Führers. Noch im 19. Jahrhundert war die Schrift im osteuropäischen Schtetl an den jeschiwot, den Talmudschulen, verboten, wurde jedoch häufig unter der Bank als Inbegriff des Modernen gelesen. Im Zeitalter der jüdischen Aufklärung, im 18. und 19. Jahrhundert, wurde Maimonides zum Idol der Reformer, Moses Mendelsohn und Salomon Maimon verwendeten seine Gedanken für ihren neuen Weg des jüdischen Denkens. Bis heute ist der Streit zwischen Rationalisten und Traditionalisten um den »Führer der Unschlüssigen« nicht beigelegt.

Beeinflusste der Gelehrte christliche Philosophen?

Das christliche Gedankengut erhielt durch den »Führer der Unschlüssigen« im Mittelalter erhebliche Anregungen. Nachdem der Text 1240 ins Lateinische übersetzt worden war, hatten nun auch christliche Philosophen Zugang dazu. Besonders die Scholastiker Albertus Magnus und Thomas von Aquin fanden mit Hilfe des Maimonides-Textes zu Aristoteles und bekannten schließlich ebenso wie der jüdische Denker, dass es keinen Widerspruch zwischen der Vernunft und dem Glauben gebe. Im 17. Jahrhundert bezogen sich der niederländische Philosoph Baruch Spinoza und Gottfried Wilhelm Leibniz auf das aristotelische Denken des Maimonides.

Was bezweckte die »Mischne Tora«?

Eine Reduktion der Tora auf wesentliche Rechtsgrundsätze. Das wichtigste religionsgesetzliche Werk des Maimonides, die in hebräischer Sprache verfasste »Mischne Tora« (Wiederholung der Tora), wurde um 1180 beendet und umfasst 14 Bände. Das jüdische Religionsgesetz, die Halacha, war bis dahin unübersichtlich über die vielen Bände des Talmud verstreut. Sowohl im Islam als auch im byzantinischen Christentum spielte zu jener Zeit die Kodifizierung der Rechtsmaterie eine große Rolle. Davon inspiriert versuchte Maimonides, aus den umfangreichen Schriften des Talmud alle Gesetze herauszuziehen und sie in eine systematische Ordnung zu bringen. Dabei ließ er den seiner Meinung nach überflüssigen Ballast der vielen Zitate, diversen Meinungen und offenen Streitfragen des Talmud weg. Der Talmud sollte nur noch von einer intellektuellen Elite studiert werden. So weit kam es jedoch nicht, auch heute noch wird der Talmud von den Schülern der Jeschiwot studiert, das Maimonides-Werk bildet jetzt nur einen Abschnitt des Talmudstudiums.

Was blieb von Maimonides' Schriften?

Maimonides' älterer »Kommentar zur Mischna« von 1168, den er in Arabisch verfasste, enthält unter anderem die Zusammenstellung von 13 verbindlichen Glaubensgrundsätzen des Judentums. Diese wurden später ins jüdische Gebetbuch aufgenommen und sind bis heute häufig Teil der jüdischen Liturgie in der Synagoge.

Was weiß man über die Biographie des Philosophen?

Am 30. März 1135 wurde im südspanischen Córdoba Mose ben Maimon geboren. Nach einer soliden Erziehung mit dem Wissen der jüdischen, arabischen und antiken Gelehrten musste er mit seiner jüdischen Familie 1148 vor den fanatisch-islamischen Almohaden ins christliche Nordspanien fliehen. 1159 ging die Flucht weiter nach Fez in Marokko, von da schließlich 1165 nach Palästina. Dort landete die Familie in der Hafenstadt St-Jean-d'Acre (heute Akko) und zog über Jerusalem und Hebron weiter nach Fustat (heute Kairo).

Maimonides machte im Land der Pyramiden einen bemerkenswerten Aufstieg, er wurde ein berühmter Arzt, bald Leibarzt am Hof des Sultans und damit auch politisch einflussreich. Trotz seines beruflichen und gesellschaftlichen Engagements nahm er sich viel Zeit zum Schreiben. Er starb am 13. Dezember 1204 in Fustat, wurde aber wunschgemäß in Tiberias in Palästina begraben, wo sein Grab noch heute zu besichtigen ist.

Wussten Sie, dass …

Mose ben Maimon, der spätere Maimonides, häufig auch Rambam genannt wurde?

Maimonides' Bruder David als Juwelenhändler zunächst den Unterhalt der ganzen Familie sicherte? Erst nach dessen Tod bei einem Schiffsunglück musste Moses eine Erwerbsarbeit aufnehmen.

dem Philosophen auch der Aufstieg zum Führer der jüdischen Gemeinschaft Ägyptens gelang?

Maimonides neben den religionsgesetzlichen und religionsphilosophischen Werken auch medizinische Schriften veröffentlichte?

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