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Wie wir Emojis wahrnehmen
Es ist zehn nach fünf. Vor präzise zehn Minuten war ich mit einem guten Freund verabredet und er ist immer noch nicht da. Es ist warm draußen, also stört mich das Warten eigentlich nicht – aber ich will doch gerne wissen, wo er bleibt. Also zücke ich mein Smartphone und tippe. „Kommst du bald?“. So klingt die Nachricht ein bisschen zu ungeduldig, finde ich. Also setzte ich einen Smiley dahinter. „Kommst du bald? :D“ Aber wirkt die Nachricht jetzt wirklich freundlicher oder doch eher passiv-aggressiv?
Egal in welchem Kontext – wir nutzen Smileys heute überall, um die Bedeutung des Geschriebenen zu verdeutlichen oder sie durch ein gelbes Lächeln etwas freundlicher zu gestalten. Besonders in den letzten Jahren und Jahrzehnten texten wir vermehrt – sowohl im Privaten per WhatsApp oder Telegram, als auch im Beruflichen mit Mail-Programmen oder Microsoft Teams. Aus diesem Grund bekommen auch Emojis eine immer größere Rolle in unserem Alltag.
Knapp ein Viertel aller Nachrichten enthalten Emojis
Besonders Jugendliche chatten gerne. „Häufig beginnt und endet ihr Tag mit dem Blick auf das Smartphone – und damit auch mit den Messengerdiensten“, so Florian Busch, Linguist an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Um die konkrete Relevanz von Emojis im Alltag von Jugendlichen zu verstehen, analysierte er fast 20.000 WhatsApp-Nachrichten. Außerdem befragten er und sein Team knapp 200 Schüler zu ihrem Nutzungsverhalten, insbesondere zu der Frage, wann und warum sie welche sprachlichen Mittel einsetzen.
Es zeigte sich, dass Emojis für die Jugendlichen in der digitalen Kommunikation eine zentrale Rolle einnehmen: Knapp ein Viertel aller Textnachrichten enthielten Smileys, Herzen oder anderweitige Bildchen. Laut Busch dienen diese als Interpretationshilfe, wie eine Nachricht zu verstehen ist. „An die Stelle von klassischen Satzzeichen tritt hier eine große Zeichenvielfalt, die eine erfolgreiche digitale Kommunikation ermöglicht“, so der Linguist.
Enge Beziehung gleich weniger Emojis?
Der Grund: Da in schriftlichen Konversationen, beispielsweise über WhatsApp, Zwischentöne und Körpersprache als Interpretationshilfe wegfallen werden die Online-Unterhaltungen teilweise sehr komplex. „Hier gibt es viel mehr Möglichkeiten und Nuancen, mit denen Bedeutung transportiert werden kann“, so Busch. Das mache es aber auch deutlich schwieriger, immer den richtigen Ton zu treffen.
Eventuell auch aus diesem Grund, unterscheiden sich die „Chat-Regeln“ der Jugendlichen laut der Befragung abhängig davon, wie eng ihre Beziehung zueinander ist. „Enge Freunde verzichten mitunter ganz auf den Einsatz von Emojis, weil sie nicht nötig sind, um einander richtig zu verstehen“, erklärt Busch. „In weniger engen Beziehungen werden sie verwendet, um die Bedeutung einer Nachricht zu illustrieren.“
Diese Emojis sind am beliebtesten
Doch wie häufig benutzen wir bestimmte Emojis und wie eindeutig werden die unterschiedlichen Emojis wahrgenommen? Dies untersuchte eine Studie der Universität Bochum. Dafür analysierte das Team über 280 Millionen deutschsprachige Twitter-Nachrichten. WhatsApp-Konversationen gaben Aufschluss über Emojis in privaten Nachrichten.
Von den existierenden 107 Emojis wird das Tränen lachende Gesicht am häufigsten genutzt. Platz zwei belegt das lachende Gesicht, darauf folgt der Zwinkersmiley. Am unbeliebtesten waren hingegen das entsetzte Gesicht, gefolgt von den Emojis „Gesicht in Wolken“ und „Gesicht mit gepunkteter Linie“, die erst seit 2021 existieren.
Ambivalente Grafiken
Doch was verbinden wir mit den verschiedenen Emojis? Theoretisch ist deren Bedeutung zwar festgelegt, doch ihre wahrgenommene Aussage weicht teilweise stark von der intendierten ab. Mitunter unterscheidet sich die Emoji-Interpretation sogar von Person zu Person. Ob der schief lächelnde Smiley beispielsweise fröhlich ist oder doch eher diabolisch den Mund verzieht, ist mitunter unklar.
Laut einer Online-Befragung von knapp 150 Teilnehmenden ist die Bedeutung eines Emojis im Schnitt klarer, je bekannter er ist. Doch ob dies daran liegt, ob bekannte Emojis mit der Zeit klarer werden oder ob weniger ambivalente Emojis von vorneherein weniger genutzt werden, untersuchten die Forschenden nicht genauer. Bekannte Emojis wurden laut der Befragung allerdings insgesamt emotional positiver bewertet als unbekannte.
Außerdem überraschend: Negative Emojis, auch Heulis genannt, wie das zerknirschte Emoji, werden anders bewertet als positive. „Negative Emojis sind emotional intensiver als positive“, berichtet Tatjana Scheffler, Linguistin an der Ruhr-Universität Bochum. Die Forschenden mutmaßen, dass die häufig gebrauchten positiven Emojis sich mit der Zeit emotional „abnutzen“.