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Was Metas Factchecking-Aus bedeutet
Bislang hat Meta Kooperationen mit unabhängigen Faktencheck-Organisationen, die Inhalte auf Falschinformationen prüfen. Außerdem gibt es strenge Regeln zur Content-Moderation, durch die schwere Diskriminierungen, Verleumdungen und Hate-Posts zumindest eingedämmt werden sollen. Doch damit soll nun Schluss sein – zumindest in den USA. In einem gut fünfminütigen Video stellte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg vor, wie seine Plattformen nun „mehr freie Meinungsäußerung und weniger Fehler“ zulassen sollen.
Wie funktionieren Community Notes?
Anstelle der Faktenchecks durch externe Unternehmen sollen die User künftig mittels sogenannter „Community Notes“ selbst Hand anlegen und Beiträgen mit Falschinformationen Kontext hinzufügen. Ähnliches gibt es bereits auf dem früher als Twitter bekannten Kurznachrichtendienst X von Elon Musk. Wie genau die Community Notes auf Facebook und Instagram funktionieren sollen, hat Zuckerberg allerdings nicht verraten.
Beim Vorbild X funktioniert das bislang so: Autorisierte Nutzer können Beiträgen, die sie als falsch oder irreführend wahrnehmen, Kontext in Form einer Textnotiz hinzufügen. Autorisierter Nutzer kann jeder werden, der eine aktive Handynummer hinterlegt hat, seit mindestens sechs Monaten registriert ist und keine Verstöße auf der Plattform begangen hat.
Anschließend überprüfen andere autorisierte Nutzer die Notiz und stimmen darüber ab, ob sie hilfreich ist oder nicht. Ist die Notiz laut den Nutzern hilfreich, prüft ein Algorithmus ihr ideologisches Spektrum: Bewerten Nutzer aus möglichst verschiedenen politischen Richtungen die Notiz als hilfreich? Wenn ja, gibt der Algorithmus die Notiz frei und sie erscheint unter dem Post als zusätzlicher Kontext.
Wie effektiv sind Community Notes?
Das Problem: Die Wirksamkeit solcher nutzergenerierten Hinweise ist umstritten. So werden 74 Prozent der korrekten, Falschaussagen korrigierenden Community Notes auf X den Nutzern nicht angezeigt, wie eine Untersuchung des Center for Countering Digital Hate ergab. Demnach zeigte X bei 209 von 238 irreführenden Posts keine Community Notes an. Irreführende Posts ohne Community Notes über die US-Präsidentschaftswahlen bekamen dagegen 2,2 Milliarden Aufrufe.
„Empirische Studien betonen, dass Community Notes in ihrer Wirksamkeit gegen Falschinformationen beschränkt sind und nicht unbedingt zu einem entsprechenden Nutzerverhalten führen, insbesondere dann, wenn die Notiz von Personen aus dem Lager des politischen Gegners stammt“, erklärt Philipp Hacker von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).
Andere Experten halten diese Hinweise zwar für begrenzt wirksam, aber nicht ausreichend: „Viele Studien zeigen, dass Faktenchecks durchaus funktionieren: Menschen akzeptieren im Großen und Ganzen die korrigierten Inhalte und lassen sich von faktenbasierten Argumenten überzeugen“, erklärt Kommunikationswissenschaftler Fabian Prochazka von der Universität Erfurt. „Faktenchecks und Community Notes sind aber nur Bausteine in der Auseinandersetzung mit falschen und irreführenden Inhalten im Netz: Sie helfen, sind aber kein Allheilmittel.“
Was könnten die Folgen sein?
Doch das ist nicht alles: Künftig sollen auch die Regeln für die Content-Moderation auf Instagram und Facebook gelockert werden: „Wir werden unsere Inhaltsrichtlinien vereinfachen und eine Reihe von Beschränkungen zu Themen wie Einwanderung und Geschlecht aufheben, die einfach nicht mehr dem Mainstream-Diskurs entsprechen“, sagt Zuckerberg in seiner Ankündigung. Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass nun Frauen, homosexuelle oder transgender-Menschen als verrückt, Freaks oder geistig krank bezeichnet werden dürfen. Erlaubt sind dann auch Aussagen, nach denen Transfrauen bloß verwirrte Männer sind oder Homosexualität mittels Therapie kuriert werden kann.
Experten befürchten daher, dass diese neuen Regelungen zu noch mehr Hass und Fehlinformationen führen. „Das wird voraussichtlich mehr Hassrede und Falschinformationen zur Folge haben, auch wenn diese Regelung zunächst nur auf die USA begrenzt zu sein scheint“, erklärt Prochazka. „Zuckerberg dient sich recht offensichtlich der Trump-Regierung an und erfüllt Trumps Forderung nach einem laxeren Umgang mit Inhalten, um weitere Regulierung zu vermeiden.“
Vom Feindbild zum Trump-Anhänger?
Aber warum vollzieht Meta diesen Kurswechsel? Eine Vermutung ist, dass sich Zuckerberg damit an die gewandelte politische Stimmung und die zunehmende Dominanz rechtspopulistischer Ideologien in den USA anpasst. Die Partei der Republikaner und Anhänger von Donald Trumps "MAGA"-Bewegung warfen Meta schon bei der US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 vor, parteiisch zu sein und Inhalte zu unterdrücken, die sich gegen den demokratischen Kandidaten Joe Biden richten.
Trump und seine Anhänger sehen schon die Korrektur ihrer Falschaussagen als ungerechtfertigten Eingriff in die Meinungsfreiheit. Entsprechend heftig reagierten sie, als Meta im Jahr 2021 alle Social-Media-Konten Trumps wegen wiederholter Falschaussagen und Volksverhetzung im Rahmen des Sturms auf das Kapitol sperrte.
2024 warnte der zukünftige US-Präsident Donald Trump Zuckerberg zudem explizit davor, „sich in die Wahlen einzumischen“. Würde er dies tun, müsste Zuckerberg „den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen“.
Seither zeigt sich bei Mark Zuckerberg allmählich ein Wandel der Einstellung gegenüber Trump und den Republikanern – ob aufgrund des massiven politischen Drucks oder aus persönlicher Motivation heraus, ist unklar. Klar ist aber, dass es schon seit mehreren Monaten eine Annäherung gibt: 2023 gab Meta die gesperrten Konten von Trump wieder frei, im November 2024 folgte Zuckerberg einer Einladung Trumps zu einem Abendessen auf sein Mar-a-Lago Anwesen. Wenige Wochen später spendete Meta eine Million Dollar an Trump, um Trumps Inaugurationsfeier und seine Wirtschaftspläne zu unterstützen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Annäherung und die neue Art des Factcheckings auf die Beziehung zwischen Meta und der US-Regierung auswirken und ob die Community Notes tatsächlich die von Zuckerberg erhoffte Wirkung entfalten.