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Die Hexenverfolgung: Aberglaube mit christlicher Fundierung

Wann fanden die Hexenverfolgungen statt?

Vom 15. bis zum 18. Jahrhundert wurden unter dem Vorwurf der Hexerei mehr als 50000 Menschen in Europa hingerichtet. Schon im Früh- und Hochmittelalter gab es vereinzelte Prozesse und Fälle von Lynchjustiz gegen so genannte Hexen und Zauberer, die man beschuldigte, für Unwetter und Krankheiten verantwortlich zu sein. Der Glaube an Zauberei, Magie und Wahrsagerei war im einfachen Volk, in dem vorchristliche Traditionen teilweise noch lebendig waren, tief verwurzelt. Eine ausschließlich negative Bedeutung erhielten diese Dinge erst unter dem Einfluss der christlichen Theologie, die einen theologisch-philosophischen Hexereibegriff einführte.

Worin bestand der Hexenglauben?

Besonders wichtig war der Aspekt der Teufelsbuhlschaft. Demnach konnten sich Dämonen mit einem dafür prädestinierten, leicht verführbaren Menschen geschlechtlich vereinigen und einen Pakt zur Vermehrung des Bösen schließen. Man war davon überzeugt, dass sich die Hexen regelmäßig auf einer Versammlung, dem Hexensabbat, treffen, um Unzucht zu treiben und dem Teufel zu huldigen.

Ferner wurden Elemente des volkstümlichen Hexenglaubens übernommen: Hexen konnten des Nachts auf einem Besen durch die Lüfte schweben, was erklärte, warum sie sich an weit entfernten Orten spontan und zahlreich versammeln konnten, um den Hexensabbat zu feiern. Hexen konnten sich in Tiere verwandeln, wie in eine Nachteule, und den Kindern das Blut aussaugen. Zu den besonders gefürchteten Fähigkeiten gehörten der Schadenzauber und die Wettermacherei.

Was waren die Gründe für die Verfolgungen?

Als ein Auslöser kann wohl der zum Teil haarsträubende Aberglaube gelten, den die Kirche lange als sündhaft und jeder realen Grundlage entbehrend abgelehnt hatte, der aber nun plötzlich zum Bestandteil der christlichen Doktrin wurde. Doch das alleine reicht nicht aus, um die nun einsetzende Massenverfolgung der »Hexensekte« zu verstehen. Die europäischen Hexenverfolgungen, die um 1430 begannen und ihren Höhepunkt zwischen 1560 und 1630 erreichten, entwickelten sich aus den Ketzerverfolgungen der vorausgehenden Jahrhunderte. Auch den Ketzern hatte man vorgeworfen, sie hätten sich mit dem Teufel verbündet. Die damals eingerichteten Inquisitionsgerichte bildeten auch jetzt die Speerspitze der Glaubenswächter.

Welches gesellschaftliche Klima begünstigte die Hexenverfolgungen?

Bauern- und Religionskriege, Reformation und Gegenreformation, wirtschaftliche Instabilität und Naturkatastrophen ließen eine Endzeitstimmung entstehen, in der der Glaube an übernatürliche Ursachen gedieh. Insbesondere die zu dieser Zeit zu Klimaverschlechterungen führende Kleine Eiszeit erklärt nach Meinung einiger Historiker, warum es in weiten Teilen Europas nahezu gleichzeitig zu ausgedehnten Hexenjagden kommen konnte. Missernten, lange Winter, Überschwemmungen und Epidemien trafen die von der Landwirtschaft abhängige Bevölkerung ins Mark. Mit den Hexen fand man einen Sündenbock.

Welche Rolle spielte die Kirche?

Sie untermauerte die Existenz des unheilbringenden Bösen in Gestalt von Hexen mit gelehrten Traktaten. Schriften wie der berüchtigte »Hexenhammer« der Dominikaner Heinrich Institoris (1430–1505) und Jakob Sprenger (um 1435–1495), mit einem päpstlichen Vorwort versehen, wurden zu einem Bestseller und dienten den Hexenjägern als praktische Anleitung bei Verfolgung und Prozessen. Eine bloße Verdächtigung reichte aus. Unter der Not der als legitim geltenden Folter sollten die Verdächtigten nicht nur ein Geständnis ablegen, sondern auch weitere Mitglieder der Hexensekte preisgeben. So kam es, dass ganze Familien und zahlreiche Menschen aus dem Bekanntenkreis der Verdächtigten hingerichtet wurden.

Warum waren die meisten Opfer Frauen?

Dass etwa 80 Prozent aller Opfer Frauen waren, ist unter anderem auf die Tatsache zurückzuführen, dass die »Minderwertigkeit« und sexuelle Zügellosigkeit der Frau besonders im »Hexenhammer« behauptet wurde. Das Wissen von Frauen wie etwa der Hebammen um Naturheilkräuter und ihre Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit, aber auch um Abtreibungsmittel tat das seine zu ihrer Diskriminierung. Mutige Männer wie Johannes Weyer, Friedrich von Spee und Christian Thomasius wandten sich mit klugen Schriften gegen den Hexenwahn und die Verfolgungen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts kam es zu einem allmählichen Rückgang der Prozesse. Doch bis zur letzten Hexenhinrichtung in Europa dauerte es noch lang: Sie fand 1793 im polnischen Posen statt.

Lebt der Hexenmythos weiter?

Ja, auch heute noch glauben Menschen an das personifizierte Böse in Gestalt von Hexen und an die Möglichkeit von Schaden- und Krankheitszauber. Und die katholische Kirche hält nach wie vor fest an ihrer Überzeugung, dass es einen personalen Teufel gibt. Doch auch außerhalb des christlichen Kulturkreises existierte und existiert der Glaube an Hexerei. Und Verfolgungen gab es auch dort – sogar noch in jüngster Zeit, wie Beispiele aus Afrika zeigen.

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