Lexikon
Bürgerhaus
das städtische Familienwohnhaus, das sich seit dem 12. Jahrhundert entwickelte, im Erdgeschoss vielfach mit Werkstatt- und Wirtschaftsräumen versehen. In Deutschland lassen sich zwei Haupttypen, das ober- und das niederdeutsche Bürgerhaus, unterscheiden. Das zunächst in ländlichen Gegenden verbreitete oberdeutsche Bürgerhaus ist gekennzeichnet durch die Gliederung in mehrere gleichwertige, über- oder nebeneinander liegende Räume. Die Entwicklung führte von der ein- zur mehrgeschossigen Bauweise, vom Holz- zum Steinbau, von der geschlossenen zur erweiterten Bauform (Hofanbauten, Erker, Galerien) und nach dem additiven Prinzip von der Einzellage zu der infolge wachsender Bevölkerungsdichte notwendig gewordenen Verbindung der Häuser zu längeren Fronten.
Das niederdeutsche Bürgerhaus entwickelte sich aus der schon im 6. Jahrhundert v. Chr. auftretenden Form des Hallenhauses und fand seine typische Ausbildung im Bauernhaus. Charakteristisch sind die daraus abgeleitete weiträumige Diele mit Feuerstelle und Hängekammer sowie die Lage des Eingangs an der Schmalseite. Mit der Einführung von Wohnräumen zu beiden Seiten der Haustür wurde im 16. Jahrhundert die Dielengröße reduziert; gleichzeitig wurde das gesamte Haus aufgestockt, wobei man neben Wohnräumen auch Speicherräume (Luchten) gewann.
Die Verbreitungsgebiete des ober- und des niederdeutschen Bürgerhauses werden durch eine vom mittleren Rheinland über die südlichen Harzgebiete und Brandenburg nach Posen (heute Poznań) verlaufende Linie getrennt. Eine Mischform ist ein in den nördlichen Rheinlanden, in den Niederlanden und in Danzig vorkommender Bürgerhaustyp mit einer Vorhausdiele als Wohnung, Küche und Gewerberaum sowie einem Zwischengeschoss.
Die künstlerische Ausprägung der Formen des Bürgerhauses, besonders der Fassade, erreichte im 15. und 16. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Während die Renaissance in Süddeutschland dank des Gliederungssystems des oberdeutschen Bürgerhauses leicht Ansatzpunkte fand, blieb ihren Schmuckformen das niederdeutsche Bürgerhaus weitgehend verschlossen.
Was die Lage des Bürgerhauses zur Straße angeht, so vollzog sich vom 16.–18. Jahrhundert der Übergang von der Giebel- zur Traufenfront. Gleichzeitig verlor das Bürgerhaus mehr und mehr seine handwerkliche Kunstform. Von den Sonderformen des mittelalterlichen Bürgerhauses, dem Großbürgerhaus (Patrizierhaus), dem Kleinbürgerhaus, dem Ackerbürgerhaus und dem Miethaus, wurde die letzte zum vorherrschenden, der allgemeinen städtebaulichen und sozialen Entwicklung angepassten Gebäudetypus.
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