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Kambrium: Oberkambrium

Vor 520500 Mio. Jahren: Das Oberkambrium

520500 Mio.

Das Oberkambrium ist eine Zeit mit intensiven Plattenbewegungen (Plattentektonik) im Bereich der Erdkruste. Sechs große und mehrere kleine starre Platten bewegen sich gegeneinander. Es kommt dabei zu bedeutenden Horizontalverschiebungen, zur Bildung von Geosynklinalen, zu Gebirgsfaltungen und lokal zu heftigen vulkanischen und magmatischen Erscheinungen. Weite neue Ozeandecken entstehen, und vielfältige Minerallagerstätten bilden sich.
Folgende Mineralien sind in den Lagerstätten des Oberkambriums besonders häufig vertreten: Chromit, Kupferkies, Pyrit, Flussspat, Baryt, Wismut-, Antimon-, Arsen-, Wolfram- und Molybdänerze, Quecksilber, Gold, Erze von Zinn, Blei, Tantal und Niobium sowie Evaporite wie Gips, Anhydrit und verschiedene andere Salze.
Das »seafloor-spreading«, die Ausweitung der Meeresböden, setzt ein. Aufgrund dieser Ausweitung erfolgt noch heute ein Auseinanderdriften Europas und Afrikas einerseits sowie Nord- und Südamerikas andererseits. Diese Meeresbodenspreizung kommt dadurch zustande, dass sich im Gebiet eines längs durch das Meer verlaufenden Grabens, dem mittelozeanischen Rift, neuer Ozeanboden bildet. Dieser staut sich beidseitig des Grabens an und faltet sich zunächst zu einem mittelozeanischen (Doppel-) Rücken auf. Zu beiden Seiten davon verflacht der Meeresboden wieder. Hier gleitet das neue Krustenmaterial in Richtung auf die Meeresränder hin ab. Da die alten Meeresböden teilweise an den Rändern der Ozeane in den Erdmantel eintauchen, weiten sich die Meere insgesamt jedoch weniger aus, als es der Meeresbodenspreizung entspricht.
Die Festlandflächen der Randzonen Nordamerikas (Rocky Mountains, Küstenkordilleren-Gebiete, Appalachen, Mississippi-Becken, Florida) sowie Mittelamerikas nehmen in ihrer Ausdehnung zu.
Die Südkontinente sind zum größten Teil in einer einzigen Festlandmasse, dem mächtigen Kontinent Gondwana, zusammengeschlossen.
Große Flachmeeresgebiete überfluten weite Teile der Kontinentalschollen. Diese Vorherrschaft des Meeres nennt man Thalattokratie.
In den europäischen Flachmeeresgebieten erhebt sich eine in Westostrichtung lang gestreckte alemannisch-böhmische Insel.
Viele erdgeschichtlich jüngere Faltengebirge (etwa die herzynischen Gebirge Mittel- und Westeuropas, 9766 Mio.) bereiten sich in Form von Sedimenttrögen (Geosynklinalen) vor. Große Geosynklinalgürtel stehen weltweit miteinander in Verbindung. Sie bestimmen u.a. die Ausbreitung und Verteilung der verschiedenen Meeresgebiete.
Das Gebiet der USA liegt südlich des Äquators. Dafür sprechen einerseits paläomagnetische Messungen und andererseits Klimazeugen. Der Bereich liegt nämlich in der Zone des Südost-Passates.
Klimabedingt kommt es zur Bildung großer Salzvorkommen in Sibirien und Indien. Diese Eindampfungsgesteine (Evaporite), die sich bereits im Mittelkambrium bildeten (545520 Mio.), zeugen von Hitze und Trockenheit. Sie entstehen in erster Linie in Gebieten, in denen große flache Meeresbecken existieren, die zwar weit gehend geschlossen sind, aber dennoch Verbindung zum offenen Ozean haben, was den Nachschub an salzreichem Meereswasser garantiert.
In Meeressedimenten sind kleine runde, meist aus Kalk bestehende Körperchen möglicherweise pflanzlichen Ursprungs, so genannte Ooide, nachweisbar. Sie besitzen einen schaligen Aufbau und entstehen offenbar in sehr flachem Wasser in Küstennähe. Da sie in großen Mengen manche Sedimente vollständig aufbauen, nennt man die entsprechenden Gesteine Oolithe.
Als neue Unterordnung der Foraminiferen (»Kammerlinge«), einzelliger Meerestiere mit ein- oder mehrkammrigem Gehäuse, entwickeln sich die Allogromiina. Ihre Schalen bestehen aus Tektin, einem stickstoffhaltigen organischen Material, das der Hornsubstanz ähnelt.
Im Unterstamm Urmollusken (Amphineura) der Weichtiere sind zwei Klassen in den Flachmeeren verbreitet: Wurmschnecken und Käferschnecken (Polyplacophora). Die Vertreter der letzteren Klasse sind augenlos und haben keine Tentakeln. Dagegen befinden sich auf ihrer Schalenoberfläche Sinnesorgane für Lichtreize, Geschmack und Geruch. Von den Polyplacophora lebt heute noch die Gruppe der Chitonen, die erstmals in der Kreide (vor ca. 140 Mio. Jahren) auftreten.
Unter den Meeresschnecken finden die Vorderkiemer (Prosobranchia) weite Verbreitung. Ihre Entwicklung setzt sich bis in die Gegenwart fort. Diese Unterklasse umfasst Schnecken (Gastropoda) mit nach vorn gerichteten Kammkiemen (Ctenidien) und gekreuzten Nervenbahnen. Vorderkiemer sind auch heute noch die wichtigsten Schnecken der Meere.

520440 Mio.

Die erste Kopffüßer-Ordnung (Ellesmerocerida) erscheint. Sie gehört zur Unterklasse Nautiloidea. Diese Meerestiere stammen möglicherweise von frühen Formen im Unterkambrium (590545 Mio.) ab. Sie leiten eine Entwicklung ein, die nach dem Kambrium zu bis zu 10 000 Kopffüßerarten führt, zu denen später u.a. die Tintenfische zählen.

520410 Mio.

Gegen Ende des Kambriums geht die so genannte kaledonische Geosynklinalphase (d.h. die Phase der Meerestrogbildung und die Auffüllung diese Troges mit Sedimenten) in die kaledonische Faltungsphase über, in deren Verlauf weltweit zahlreiche Kettengebirge entstehen. In Europa sind das Gebirge in Irland, Wales, Schottland, Westskandinavien, Brabant sowie die Ardennen, die Lausitz und Teile der Sudeten. In Nordafrika sind es die »Sahariden«, in Südamerika die »Brasiliden«. Große Faltengebirgszüge erheben sich auch in Australien.

520375 Mio.

In den Meeren leben die fischartigen Heterostraci (Pteraspidomorphi). Sie bilden eine Unterklasse der so genannten Kieferlosen (Agnatha), einfachen Frühformen der Fische. Bei ihnen stecken der kieferlose Kopf und der Vorderkörper gemeinsam in einem Panzer aus Aspidin-Platten. Aspidin ist eine dem Zahnbein (Dentin) verwandte Skelettsubstanz, die u.a. auch bei den Haien vorkommt und keine Knochenzellen enthält.

520250 Mio.

Spitzbergen, Nowaja Semlja, der Ural, das Gebiet nördlich des Kaukasus und der größte Teil Anatoliens, deren erste Ursprünge in das Unterkambrium (um 590 Mio.) zurückreichen, wachsen als kontinentale Landmassen weiter.
Der größte Teil Norwegens, die Britischen Inseln, ganz Mittel- und Westeuropa (mit Ausnahme der Karpaten, der Alpen, der Pyrenäen und der Sierras Beticas in Spanien) sowie Kalabrien und große Teile des Balkans, die sich von Nordwest nach Südost bereits seit dem Unterkambrium (590545 Mio.) an den alten Kern der europäischen Kontinentalscholle anzulagern begannen, dehnen sich in dieser Zeit weiter aus.

Um 510 Mio.

Im Gebiet von Delhi (Vorderindien) und Moçambique (Südafrika) bilden sich Faltengebirge. Etwa zur gleichen Zeit ereignen sich die so genannte panafrikanische und die carirische Gebirgsbildung.

510460 Mio.

Es herrscht eine geomagnetische Periode mit häufig wechselnder Polung, d.h. Nord- und Südpol vertauschen mehrfach ihre Lage.

500 Mio.

Die Dreilapper- oder Trilobitenordnung Corynexochida stirbt aus. Zu ihren Vertretern gehörte u.a. die Gattung Ogygopsis.
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