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Kopffüßer: Hoch entwickelte Räuber

Wie lange gibt es schon Kopffüßer auf der Erde?

Sehr lange, ihre evolutionären Ursprünge liegen mehr als 500 Millionen Jahre zurück. Im Kambrium, also in der ältesten Epoche des Erdaltertums, beherrschten mehr als 1500 Gattungen von räuberisch lebenden Kopffüßern die Meere: die Ammoniten. Ihre gekammerten, spiralig gewundenen Schalen konnten bei manchen Arten die Größe eines Lastwagenreifens erreichen. Wegen ihrer großen Formenvielfalt und weil die zahlreichen Arten sich relativ rasch veränderten, spielen Ammoniten heute bei der Altersbestimmung von Sedimentgestein als Leitfossilien eine wichtige Rolle. Wie ihre nahen Verwandten mit gestrecktem Gehäuse, die Belemniten, starben die Ammoniten etwa zeitgleich mit den Dinosauriern gegen Ende der Kreidezeit, vor 65 Millionen Jahren, aus.

Warum ist das Perlboot ein lebendes Fossil?

Weil das Gemeine Perlboot (Nautilus pompilius), das im tropischen Indopazifik zu Hause ist, ein Überlebender aus der Blütezeit der Kopffüßer ist, dem Erdmittelalter. Als einzige gegenwärtig noch lebende (rezente) Gattung besitzen die fünf Nautilus-Arten ein spiralförmiges, gekammertes Gehäuse. Es kann bei einem weiblichen Tier einen Durchmesser von bis zu 30 Zentimetern erreichen (die Männchen werden dagegen nur etwa einen Zentimeter groß) und ist innen mit Perlmutt ausgekleidet. In der zuletzt gebildeten und größten Kammer »wohnt« das Perlboot. Die Trennwände der einzelnen Kammern werden von einem Ausläufer des Tieres – dem sog. Sipho – durchzogen, der bis in die Spitze reicht: Mit seiner Hilfe kann das Tier die Gasfüllung im Gehäuse und damit seinen Auftrieb regulieren.

Perlboote tragen um die Mundöffnung einen doppelten Kranz von bis zu 90 Tentakeln, die kurz und ohne Saugnäpfe sind. Als nächtliche Bodenjäger ernähren sich die in 60 bis 600 Metern Tiefe lebenden Perlboote von Krebstieren und Aas. Ein Tintenbeutel fehlt ihnen, und statt der Linsenaugen haben sie nur einen primitiven Augentyp entwickelt, der nach dem Prinzip einer Lochkamera funktioniert.

Kann man mit Tintenfischtinte schreiben?

Natürlich – früher diente die Tinte sogar als Ausgangsstoff für die Farbherstellung! Fast alle Arten der auch als Cephalopoden bezeichneten Kopffüßer besitzen einen Tintenbeutel, der mit einer bräunlich schwarzen Flüssigkeit gefüllt ist. Diese »Tinte« besteht aus hochkonzentriertem Melanin, einem Pigment, das auch beim Menschen bei Sonneneinstrahlung für die begehrte Hautbräune sorgt. Aus diesem Sekret wurde früher nach einem bestimmten Verfahren die unter der Bezeichnung Sepia bekannte Farbe hergestellt; sie wurde zum Schreiben und als Malerfarbe verwendet. Dieser sog. Tinte verdankt die ganze Tiergruppe also die Bezeichnung Tintenfische. Eingesetzt wird die Tinte vor allem auf der Flucht: Bei Gefahr stoßen die Tiere schwarzbraune Tintenwolken aus, die dem Gegner die Sicht nehmen und ein Entkommen erleichtern.

Übrigens: Kopffüßer haben mit echten Fischen genauso wenig zu tun wie Wal-»Fische« (außer, dass beide natürlich auch im Wasser leben). Wollte man sich zoologisch korrekt ausdrücken, müsste man von »Tintenschnecken« sprechen.

Haben Tintenfische ein Rückgrat?

Der Gemeine Tintenfisch schon, dort heißt es »Schulp«. Dabei handelt es sich um einen Schalenrest, der ins Körperinnere der Tiere verlagert wurde und uns aus den Vogelkäfigen als Nahrungsergänzung für die gefiederten Lieblinge bekannt ist. Der Gemeine Tintenfisch oder Sepia (Sepia officinalis) kommt überall im Atlantik und auch im Mittelmeer vor und erreicht eine Körperlänge von bis zu 65 Zentimetern. Er gehört zu den zehnarmigen Kopffüßern (Ordnung Decabrachia) und hat acht normale sowie zwei verlängerte, einziehbare Fangarme. Typisch sind der flache, ovale Körper mit seinem Zebramuster und der wellenförmige Flossensaum, mit dem er sich gewöhnlich fortbewegt. Der Schulp ist gekammert und von Lufträumen durchzogen; er verleiht dem Tintenfisch Auftrieb.

Tagsüber warten Sepien im Sand vergraben auf Beute. Pigmentzellen in der Haut ermöglichen ihnen eine perfekte Tarnung, denn sie können ihre Körperfärbung dem Untergrund anpassen. Solange sich die Beute – etwa ein Krebs oder Fisch – noch außer Reichweite befindet, »schleicht« sich die Sepie vorsichtig näher heran. Dann schnellt sie ihre Fangarme vor, packt ihr Opfer mit den keulenförmigen Enden, zieht es zu ihrem Schnabel hin und beißt zu.

Gibt es die legendären Riesenkalmare wirklich?

Ja, sie gibt es, aber bisher wurden die Tiere fast noch nie in ihrem natürlichen Lebensraum beobachtet: So gut wie alles, was wir über diese Tiere wissen, die wahrscheinlich in 500 bis 1000 Metern Tiefe leben, stammt von toten oder verletzten Tieren, die zum Beispiel durch Seebeben an die Wasseroberfläche getrieben wurden. Wie groß die Tiefseekalmare der Gattung Architeuthis werden, kann nur geschätzt werden. Ein 1933 an der Küste Neufundlands angeschwemmtes totes Exemplar war 22 Meter lang und mehrere Tonnen schwer. Das etwa 1,2 Meter lange Organ »Gladius« der Riesenkalmare sieht in der Tat aus wie ein Schwert (dies ist die Bedeutung des lateinischen Wortes »gladius«), und ihre Augen sind mit rund 30 Zentimetern Durchmesser die größten im Tierreich.

Auch was die Lebensweise dieser Giganten angeht, sind wir auf Vermutungen und Rückschlüsse angewiesen. Die Mägen angeschwemmter Tiere waren leer, doch vermutlich ernähren sie sich von Fisch. Erwachsene Tiere dürften nur einen Feind haben: den Pottwal. Denn in deren Mägen fanden sich immer wieder Überreste von Riesenkalmaren, darunter waren Saugnäpfe mit 10–25 Zentimetern und Augen von sogar 40 Zentimetern Durchmesser. Dies legt nahe, dass die Körper der Riesenkalmare noch größere Ausmaße erreichen, als die wenigen bisherigen Funde zeigen.

Sind alle Kalmare riesig?

Nein. Das Größenspektrum von Kalmaren ist wahrhaft erstaunlich: Es reicht von der etwa einen Zentimeter langen Zwergidiosepie (Idiosepia pygmaeus) bis hin zum Riesenkalmar. Unterschieden werden die einzelnen Arten anhand der Anordnung ihrer Saugnäpfe auf Armen und Tentakeln, die mit gezähnten Chitinringen besetzt sind, um die schlüpfrige Beute festhalten zu können.

Kalmare sind die einzigen wirbellosen Tiere, die es beim Schwimmen an Wendigkeit, Geschwindigkeit und Ausdauer mit Fischen aufnehmen können.

Faszinierend sind auch die Riesennervenfasern der Kalmare, die ihnen bei der Jagd blitzschnelle Reaktionen erlauben: Sie erreichen einen Durchmesser von etwa einem Millimeter, das ist etwa das 50- bis 100-fache des Durchmessers der dicksten Faser im menschlichen Nervensystem.

Welche Kalmare werden besonders gern gegessen?

Das ist der Nachwuchs der Loligo-Arten. Die kleinen Kalmare schlüpfen als Miniaturausgaben ihrer Eltern und können sofort fressen und fliehen. Das ist wichtig, denn während der Laich den meisten Räubern nicht schmeckt, sind die Jungtiere für viele ein Leckerbissen. Auch aus der Küche vieler meeresnaher Länder sind »Kalamares« oder »Calamari« nicht mehr wegzudenken. Besonders leicht lassen sie sich zur Paarungszeit fangen, wenn sie in großen Schwärmen bis kurz unter die Wasseroberfläche aufsteigen. Loligo-Arten können zwei bis drei Jahre alt werden. Nach Paarung und Eiablage sind die Tiere stark geschwächt; viele sterben sofort oder fallen Seelöwen, Haien und Delfinen zum Opfer.

Der Gemeine Kalmar (Loligo vulgaris) ist im Nordatlantik und im Mittelmeer zu Hause und kann eine Länge von 30 bis 45 Zentimetern erreichen. In seiner Lebensweise erinnert er an die Sepien. Er ist ein Küstenbewohner und befestigt seinen Laich mit Haftstielen am Meeresboden. Sein naher Verwandter, der Nordamerikanische Kalmar (Loligo pealei), folgt in großen Schwärmen seinen Beutefischen.

Stimmt es, dass Kraken sehr gelehrig sind?

Ja, das stimmt, Kraken (Octopoden, eine Teilgruppe der Achtarmigen Tintenfische) sind in der Tat äußerst lernfähig. Als ihnen der bekannte Unterwasserforscher Jacques Cousteau einen Hummer in einer verstöpselten Glasflasche vorsetzte, lernten die Tiere rasch, den Korken herauszuziehen. Noch erstaunlicher ist, dass die Tiere auch durch »Abgucken« lernen können: Ein Oktopus wurde darauf trainiert, zwischen einem schwarzen und einem weißen Ball zu unterscheiden, und erhielt bei richtiger Wahl eine Futterbelohnung. Sein untrainierter Kollege, der ihn aus dem Nachbarbecken beobachten konnte, wählte von Anfang an richtig. Lernen durch Nachahmung gilt jedoch als Voraussetzung für planvolles Handeln und höhere geistige Fähigkeiten; somit muss man den Kraken durchaus Intelligenz zusprechen.

Wie knacken Kraken die Panzer von Schalentieren?

Gepanzerte Beutetiere wie beispielsweise Hummer werden mit den kräftigen Kiefern, die an einen Papageienschnabel erinnern, geknackt. Verdauungssäfte verflüssigen dann die Nahrung so weit, dass sie eingesogen werden kann. Als Bodenbewohner kriechen Kraken auf der Suche nach Fischen, Krebsen und Schnecken umher oder lauern in einer Höhle oder hinter einem selbst gebauten Steinwall auf Beute.

Wie werben Sepienmännchen?

Auf eine sehr friedliche Weise: mit Farben! Für die Sepien als Augentiere spielen optische Reize bei der Paarungswerbung eine besonders wichtige Rolle. Bevor das Männchen seine Samenkapsel mithilfe eines speziellen Geschlechtsarms (Hektokotylus) in die Begattungstasche des Weibchens einführen darf, um dessen Eier zu befruchten, muss es die Auserwählte durch ein brillantes Farbspiel betören. Trifft es dabei auf einen Nebenbuhler, so liefern sich beide Männchen ein regelrechtes »Farbduell«.

Wie funktioniert das Rückstoßprinzip?

Schon mehrere hundert Millionen Jahre bevor der Mensch den Düsenantrieb entwickelte, haben die Kopffüßer das Rückstoßprinzip zur Fortbewegung genutzt. Dazu nehmen sie Wasser in ihre Mantelhöhle auf und verschließen diese dicht. Dann ziehen sie die Muskulatur in ihrem Mantel zusammen und pressen das aufgenommene Wasser unter hohem Druck durch den nach vorn weisenden Trichter unter dem Kopf, so dass das Tier in die entgegengesetzte Richtung davonschießt. Da der Trichter schwenkbar ist, können die Tiere sich auch zielgerichtet bewegen und ihn zum Beispiel »zurückbiegen«, um vorwärts zu schwimmen. Sepien und vor allem Kraken benutzen diesen »Düsenantrieb« vorwiegend bei Gefahr, Kalmare hingegen bewegen sich immer auf diese Weise fort. Einige Arten können sich sogar beträchtliche Strecken weit über die Wasseroberfläche katapultieren, um ihren Feinden zu entkommen.

Wussten Sie, dass …

die torpedoförmigen Arten der Kalmare die schnellsten Schwimmer unter den Wirbellosen sind? Mit ihrem Rückstoßantrieb erreichen sie kurzzeitig bis zu 80 km/h.

die meisten Krakenmütter nach dem anstrengenden Geschäft der Brutpflege vor Erschöpfung sterben?

Gibt es leuchtende Kalmare?

Ja, die gibt es. Die nur etwa zwölf Zentimeter lange Wunderlampe (Lycoteuthis diadema) besitzt einen durchsichtigen Mantel und verschiedenfarbige Leuchtorgane – ein Paar davon sogar an der Spitze ihrer Tentakel. Diese Leuchtorgane unterscheiden sich nicht nur im Aufbau ihres Gewebes voneinander, sondern auch in der Farbe und Helligkeit des abgegebenen Lichts.

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