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Internationale Politik – Bündnisse und Konflikte

Die Welt rückt immer enger zusammen. Krisen in einer Region haben Auswirkungen auf andere Staaten und können oft nur durch internationale Organisationen wie die UNO, in denen nahezu alle Staaten vertreten sind, überwunden werden. Die außenpolitischen Interessen haben sich im Lauf der Zeit geändert: Im Imperialismus versuchten die europäischen Großmächte, sich möglichst viele Kolonien zu verschaffen. Dagegen gehören zu den Zielen der heutigen Außenpolitik die Friedenssicherung und die Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Beziehungen, wobei jeder Staat versucht, seine Vorstellungen durchzusetzen. Zu den größten internationalen Problemen zählen heute die Kluft zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern, der Verteilungskampf um knappe Ressourcen sowie der internationale Terrorismus.

Neben Diplomatie und Militärgewalt zählt der Eingriff in die Wirtschaftsbeziehungen anderer Länder zu den Instrumenten der Außenpolitik. Protektionistische Maßnahmen sollen die eigene Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz schützen. Dazu gehören Zölle und Einfuhrquoten, aber auch die Subventionierung eigener Waren. Andererseits kann ein Land sich auch darum bemühen, den Freihandel auszuweiten, z. B. indem es der Welthandelsorganisation (WTO) beitritt. Durch Wirtschaftssanktionen wie Aus- oder Einfuhrverbote kann eine internationale Organisation oder ein Staat ein außenpolitisches Einlenken zu erzwingen versuchen. Auch mit Auslandshilfe versuchen viele Geberländer, die innenpolitischen Verhältnisse in den Empfängerstaaten zu beeinflussen oder die eigene Einflusssphäre auszuweiten.

Nach wie vor legen viele Staaten Wert auf militärische Stärke. Um in diesem empfindlichen Wirkungsgefüge Rechtssicherheit herzustellen, wurden internationale Rechtsnormen geschaffen. Zur Durchsetzung solcher Rechte soll u. a. der Internationale Gerichtshof beitragen, eine Unterorganisation der UNO. Immer wichtiger werden auch Institutionen, die sich länderübergreifend Problemen wie der Klimaveränderung widmen.

Außenpolitik: Interessenausgleich auf höchster Ebene

Wie heißen die bundesdeutschen Außenminister?
Name (Partei) Amtszeit
Name (Partei) Amtszeit
Konrad Adenauer (CDU) 1951–55
Heinrich von Brentano (CDU) 1955–61
Gerhard Schröder (CDU) 1961–66
Willy Brandt (SPD) 1966–69
Walter Scheel (FDP) 1969–74
Hans-Dietrich Genscher (FDP) 1974–82
Helmut Schmidt (SPD) 17.9.–1.10.1982
Hans-Dietrich Genscher (FDP) 1982–92
Klaus Kinkel (FDP) 1992–98
Joschka Fischer (B'90/Die Grünen) 1998–2005
Frank-Walter Steinmeier (SPD) Ab 2005

Was versteht man unter Außenpolitik?

Unter Außenpolitik ist die Gesamtheit der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Maßnahmen und Handlungen eines souveränen Staates gegenüber anderen Staaten oder internationalen Organisationen zu verstehen. Die Art der Außenpolitik wird u. a. von der Größe und Lage eines Staates bestimmt, aber auch von der Zahl, Größe und wirtschaftlichen, politischen wie militärischen Stärke seiner Nachbarn, seiner eigenen Stärke sowie der jeweiligen Ideologie. Dementsprechend können sich auch die außenpolitischen Ziele unterscheiden.

Woraus besteht das internationale System?

Aus allen Nationalstaaten und Institutionen, die der Verständigung und Zusammenarbeit der Völker dienen, z. B. der UNO.

Die Staaten der Welt haben unterschiedliche Kulturen und daher auch unterschiedliche Werte. Um den daraus erwachsenden Spannungen in den internationalen Beziehungen entgegenzuwirken und bewaffnete Konflikte zwischen Staaten zu vermeiden, entstand nach dem Zweiten Weltkrieg eine Reihe internationaler Organisationen. Auch zwischenstaatliche Verträge und Bündnisse dienen dem Zweck des friedlichen Interessenausgleichs auf politischem, wirtschaftlichem und militärischem Gebiet.

Wer macht bei uns die Außenpolitik?

In Deutschland bestimmt die Bundesregierung über die Außenpolitik; die Bundesländer dürfen hingegen keine außenpolitischen Entscheidungen treffen. Die Bundesregierung wird nach außen in der Regel von ihrem Außenminister vertreten, der dem Auswärtigen Amt (Außenministerium) vorsteht. Aber auch die Verteidigungs-, Wirtschafts- und Kulturpolitik spielen in den Beziehungen zu anderen Staaten eine wichtige Rolle, weshalb die jeweiligen Ministerien an der Außenpolitik beteiligt sind.

Wie hängen Innen- und Außenpolitik zusammen?

Die innenpolitische Lage und die Interessen eines Staates spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung seiner Außenpolitik, allen voran wirtschaftliche Beweggründe. Darüber hinaus kann eine Regierung versuchen, durch außenpolitische Erfolge von innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken. Eine Diktatur wird sich hingegen eher nach außen abschotten bzw. sich jede Einmischung verbitten.

Nach welchem Prinzip wird Außenpolitik betrieben?

Das wichtigste Instrument der Außenpolitik ist Diplomatie, die auf einen wirtschaftlichen, politischen, militärischen und kulturellen Interessenausgleich abzielt. Zuständig dafür sind vor allem die Auslandsvertretungen der Staaten. Bei akuten Krisen werden jedoch oft Regierungsmitglieder oder Spezialisten hinzugezogen. Dann kommt auch heute noch Geheimdiplomatie zum Einsatz – ohne Information der Öffentlichkeit.

Übrigens: Die deutsche Vereinigung 1990 wurde auch durch »hohe Diplomatie« ausgehandelt und in Gestalt zweier Verträge national und international abgesichert: durch den Einigungsvertrag zwischen der BRD und DDR und durch den Zwei-plus-vier-Vertrag zwischen den beiden deutschen Staaten und den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs (USA, Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich).

Gibt es einen roten Faden in der deutschen Außenpolitik nach 1945?

Abseits aller Tagespolitik lässt sich durchaus ein roter Faden erkennen, der sich aus der geografischen und historischen Lage erklärt: Deutschland liegt inmitten Europas, hat den Zweiten Weltkrieg verloren und wurde geteilt. Die Bundesrepublik war danach auf Stabilität, gute Nachbarschaft, Entspannung und die Einbindung der Nationalstaaten in internationale Organisationen bedacht. So war sie z. B. die treibende Kraft bei der Durchsetzung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (Eurozone). Deutschland ist in etliche internationale Organisationen eingebunden: 1955 trat es dem Nordatlantikpakt (NATO) und 1973 den Vereinten Nationen (UNO) bei. Auch gehört es seit Beginn an der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union an. In der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, haben sich die Mitglieder, darunter Deutschland, der Lösung von wirtschaftlichen und sozialen Problemen verschrieben. In der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, beteiligt sich Deutschland am vorbeugenden Krisenmanagement.

Was ist eigentlich ...

ein Attaché? Der niedrigste diplomatische Rang, auch Bezeichnung für Mitglieder des diplomatischen Dienstes, denen besondere Aufgaben in den Botschaften im Ausland zugewiesen werden (z. B. Kulturattaché)

eine Botschaft? Die ständige diplomatische Auslandsvertretung bei fremden Staaten, die an der Förderung der auswärtigen Beziehungen mitwirkt

ein Generalkonsulat? Vertretung eines Staates in einem regional begrenzten Amtsbezirk; für Verwaltungsaufgaben, nicht aber für politische Beziehungen zuständig

ein Gesandter? Zweiter Rang in einer Botschaft nach dem Missionschef, dem eigentlichen Botschafter

Wirtschaftsbündnisse: Konsequenzen aus der Geschichte

Wozu gibt es Wirtschaftsbündnisse?

Zahlreiche souveräne Nationalstaaten sind in Wirtschaftsbündnissen zusammengeschlossen, weil sie sich ihrer wechselseitigen Abhängigkeit bewusst sind und die wirtschaftlichen Verflechtungen durch Außenhandel, Direktinvestitionen und mobile Arbeitskräfte nutzen wollen. Wichtigste Voraussetzungen für das Bestehen eines solches Bündnisses sind gemeinsame Interessen und die Überzeugung, wirtschaftliche Ziele im Verbund besser erreichen zu können.

Wie entstanden IWF und GATT?

Noch während des Zweiten Weltkriegs planten die USA und Großbritannien eine krisenfeste Neuordnung der Weltwirtschaft. Die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren und ihre Folgen – schrumpfende Volkseinkommen, hohe Arbeitslosigkeit – hatten viele Industrieländer dazu bewogen, ihre Volkswirtschaften gegen Importe abzuschotten. In Deutschland hatte die Krise das Vertrauen in Marktwirtschaft und Demokratie untergraben und somit der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur Vorschub geleistet.

Man beschloss, zu einer liberalen Weltwirtschaftsordnung zurückzukehren, die durch internationale Verträge und Institutionen gesichert werden sollte. Protektionistische Tendenzen sollten durch eine koordinierte Währungs- und Wirtschaftspolitik unterbunden werden. So wurden 1945 der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank ins Leben gerufen. Zwei Jahre später folgte als Instrument der Welthandelsordnung das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT).

Entwicklung des Weltwährungssystems: Was geschah im Jahr ...

1945? Zwischen den Währungen der IWF-Mitglieder werden fixe Wechselkurse festgelegt.

1971? Die unter Druck geratene Leitwährung US-Dollar wird abgewertet.

1973? Die großen Industrieländer gehen dazu über, die Kurse ihrer Währungen frei schwanken zu lassen.

1978? Den IWF-Mitgliedern wird freigestellt, ihre Währung an eine einzelne Fremdwährung oder einen Währungskorb zu binden oder den Marktkräften zu überlassen.

2003? Es gibt drei Leitwährungen: US-Dollar, Euro und Yen. Die strikte Pflicht der Notenbanken, durch An- oder Verkäufe von Fremdwährungen für stabile Wechselkurse zu sorgen, wird aufgehoben.

Globale Wirtschaftsorganisationen: Frieden durch Handel?

Wie hieß die Wirtschaftsorganisation des Ostblocks?

Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) oder, auf Englisch, COMECON.

Zeitweilig war die Sowjetunion an den Verhandlungen über die Neugestaltung der weltwirtschaftlichen Beziehungen beteiligt, doch trat sie dem GATT nicht bei. Stattdessen schlossen sich die kommunistischen Länder im Zuge des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts 1949 zum RGW zusammen, der bis 1991 Bestand hatte.

Übrigens: Die Entkolonialisierung und der Rohstoffhunger der Industrieländer waren maßgeblich dafür verantwortlich, dass ab den 1960er Jahren auch der Einfluss der Entwicklungsländer auf die Gestaltung der internationalen Wirtschaftsordnung wuchs. Lateinamerikaner, Afrikaner und Asiaten pochten auf eine gerechtere Verteilung der Gewinne aus dem internationalen Handel.

Was macht der IWF?

Der unter dem Dach der UNO angesiedelte Internationale Währungsfonds (IWF) mit seinen heute 184 Mitgliedsländern fördert die Stabilität der Währungen und trägt so zu einer gleichmäßigen Entwicklung des Welthandels und der Weltkonjunktur bei. Dazu gehört die Beseitigung von staatlichen Beschränkungen im Devisenhandel, die den freien Fluss der internationalen Kapitalströme behindern. Außerdem vergibt der IWF Kredite an Mitgliedsländer zum Ausgleich vorübergehender Ungleichgewichte in den Zahlungsbilanzen.

Was bewirkt ein IWF-Kredit?

Er federt ein Ungleichgewicht zwischen zwei Ländern in Form eines Importüberschusses ab. Verfügt das eine Land nicht über genügend Reserven in der Währung des anderen Landes, so kann es beim IWF gegen Herausgabe eigener Währung einen Kredit in der Währung des Gläubigerlandes aufnehmen, um sein Handelsdefizit zu finanzieren.

Die Höhe der Kreditlinie richtet sich nach einer dem Land zugewiesenen Quote, die nach dem Volkseinkommen und den Währungsreserven bemessen wird und auch die Stimmrechtsanteile und die Höhe der ständigen Bareinlagen des Landes beim IWF bestimmt. Die USA halten regelmäßig mehr als 15 % der Stimmrechtsanteile. Das gibt ihnen die Möglichkeit, Entscheidungen des IWF durch ihr Veto zu blockieren.

Übrigens: Auch die Weltbank vergibt Kredite, die aber der Finanzierung von Projekten zur wirtschaftlichen Entwicklung der Mitgliedsländer dienen. Außerdem gewährt die Weltbank technische Hilfe bei Entwicklungsprojekten und koordiniert die Entwicklungshilfeleistungen der Industrieländer.

Warum gibt es Widerstand gegen IWF und Weltbank?

Schulden- und Währungskrisen haben die Kreditpolitik von IWF und Weltbank gegenüber den Entwicklungs- und Schwellenländern seit den 1980er Jahren in Misskredit gebracht. Kritiker rieben sich in erster Linie an den Bedingungen für die Kreditvergabe: Rückzug des Staates aus der Wirtschaft und Öffnung der nationalen Märkte für den ausländischen Wettbewerb. Dieser Glaube an die selbstheilende Kraft marktwirtschaftlicher Regulierung lief überall dort ins Leere, wo funktionierende Märkte noch gar nicht existierten.

Was ist im GATT geregelt?

Kernelement des 1947 geschlossenen Abkommens ist die Meistbegünstigungsverpflichtung: Alle Vorteile im Außenhandel, die ein Land einem anderen gewährt hat, z. B. Zollermäßigungen, müssen auch allen übrigen GATT-Mitgliedern eingeräumt werden. Hinzu kommen das Verbot von Mengenbeschränkungen, das Verbot der Diskriminierung ausländischer Waren auf Inlandsmärkten sowie Ausnahmeregelungen bei der Bildung von Zollunionen und Freihandelszonen. 1965 wurde das GATT durch Sonderregeln für Entwicklungsländer ergänzt. So sollen die Industriestaaten Handelshemmnisse bei wichtigen Exportgütern der Entwicklungsländer abbauen – auch ohne Gegenleistungen.

Übrigens: Auch fünf Jahrzehnte nach der Begründung des GATT gibt es immer noch Zölle und andere Handelsverzerrungen, die besonders die Entwicklungsländer treffen. Verglichen mit dieser Benachteiligung ist die Entwicklungshilfe ein Tropfen auf den heißen Stein – und Korruption und Vetternwirtschaft in vielen Entwicklungsländern das kleinere Übel.

Gibt es Wohlstand ohne Frieden?

Wohl kaum. Daher organisierte die 1976 gegründete, von Nigeria angeführte Wirtschaftsunion Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) in den 1990er Jahren Friedenseinsätze in den Mitgliedsländern Liberia, Sierra Leone, Guinea-Bissau und Côte d'Ivoire, denn inmitten von bewaffneten Auseinandersetzungen ist wirtschaftliche Aufbauarbeit unmöglich. Die Ziele der 15 Mitgliedsländer sind der freie Handel untereinander und eine gemeinsame Währung.

Regionale Zusammenschlüsse: Gemeinsam sind wir stark

Warum kam die WTO ins Spiel?

Bei den Verhandlungen der GATT-Mitglieder zwischen 1986 und 1994 wurde deutlich, dass die einseitige Ausrichtung des GATT auf den Warenhandel überwunden werden musste, da diese die Entwicklungschancen vieler Länder beeinträchtigte. Deshalb wurde das GATT in die 1994 unter dem Dach der Vereinten Nationen neu errichtete Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) überführt. Die bis dahin ausgeklammerten Bereiche Agrar- und Textilwirtschaft wurden in den Aufgabenkatalog des GATT integriert. So wurde auch die Abschottung der Industrieländer-Märkte gegen Agrar- und Textilprodukte aus den Entwicklungs- und Schwellenländern zum Thema.

Wie hilft die Weltbank?

Die Darlehen der Weltbank werden zur Bekämpfung der Armut und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in Afrika, Asien und Lateinamerika eingesetzt. Seit 1990 zählen auch die mittel- und osteuropäischen Reformstaaten zu den Kreditnehmern.

2003 vergab die Weltbank Mittel im Umfang von 11,2 Mrd. US-Dollar an 37 Länder mit mittlerem Einkommen. Ihre Schwesterorganisation, die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA), vergab zinslose Kredite in Höhe von 7,3 Mrd. US-Dollar an 55 arme Länder mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von max. 735 US-Dollar.

Mit drei Vierteln der Kredite werden Investitionsprojekte finanziert, der Rest fließt in die Strukturanpassung. Solche Maßnahmen sollen ein entwicklungsfreundliches Umfeld schaffen. Dazu gehören gesetzliche Rahmenbedingungen für einen funktionierenden marktwirtschaftlichen Wettbewerb ebenso wie eine verantwortungsbewusste öffentliche Verwaltung und die soziale Sicherung.

Zu den von der Weltbank unterstützten Entwicklungsprojekten gehören der Bau von Verkehrswegen, Anlagen zur Wasserversorgung, Schulen und Krankenhäusern. Außerdem hilft die Weltbank, den Landbesitz von Kleinbauern zu sichern und Soldaten wieder in das zivile Leben einzugliedern.

Wer gründete den »Markt des Südens«?

1991 beschlossen die lateinamerikani- schen Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, den »Gemeinsamen Markt des Südens«, kurz Mercosur, zu gründen. 1995 trat der Vertrag in Kraft, 2005 wurde Venezuela (mit einer mehrjährigen Übergangsfrist) als fünftes Mitglied aufgenommen. Assoziierte Mitglieder sind Chile (seit 1996), Bolivien (1997), Peru (2003), Kolumbien und Ecuador (2004). Der Mercosur will Zölle und andere Handelshemmnisse im Kreis der Mitglieder abbauen und den Handel mit Drittländern liberalisieren.

Wie bringt man Mexiko, die USA und Kanada unter einen Hut?

Seit 1994 in der Nordamerikanischen Freihandelszone. Die NAFTA soll durch den stufenweisen Abbau von Zöllen und Handelsbeschränkungen für gewerbliche Güter, Dienstleistungen und Kapital den Handel zwischen ihren Mitgliedern – den USA, Kanada und Mexiko – intensivieren.

Das wirtschaftlich schwache Mexiko durfte sich beim Abbau seiner Einfuhrzölle Zeit lassen, während die nördlichen NAFTA-Partner mexikanische Waren von Anfang an weitgehend von Einfuhrzöllen befreiten. Für eine Reihe von Agrarprodukten gelten noch bis 2008 Schutzklauseln: Der Zollabbau kann zeitweilig ausgesetzt werden. So soll der Anpassungsdruck auf handelssensible Wirtschaftszweige abgefedert werden.

Ist der Freihandel für ganz Amerika ein Segen?

Vorerst nicht. Die Vision einer Freihandelszone von Alaska bis Feuerland beseelt vor allem US-Handelsstrategen. Die Skepsis Brasiliens hat das Projekt der Free Trade Area of the Americas jedoch ins Stocken gebracht. Zu unterschiedlich sind die Auffassungen über die wirtschaftliche Zukunft Lateinamerikas: Führen mehr Freiheiten für US-Unternehmen in den Märkten Südamerikas wirklich zu mehr Arbeitsplätzen und Wohlstand – oder wären die Länder des Subkontinents in einem gestärkten Mercosur mit einer gemeinsamen den internationalen Terrorismus bestimmt.

Wie stark ist die ASEAN?

Heute ist die Association of Southeast Asian Nations nach den USA und Japan der drittgrößte Handelspartner der EU.

Schon 1967 haben Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Singapur und Thailand die Vereinigung gegründet. Nach den Beitritten von Brunei, Vietnam, Myanmar (Birma), Laos und Kambodscha umfasst sie rd. 500 Mio. Menschen in Südostasien. Mitte der 1970er Jahre wurde der Abbau von Zollschranken in Angriff genommen, gefördert wurden grenzüberschreitende private Investitionen und die Bildung von Gemeinschaftsunternehmen. Die rasche Wirtschaftsentwicklung hat die Rolle der ASEAN in der Weltwirtschaft gestärkt.

Geht es eigentlich auch ganz ohne Zölle?

Fast. 1994 schlossen sich die ASEAN-Gründungsmitglieder und Brunei zur Asian Free Trade Area (AFTA) zusammen, um die Öffnung ihrer Märkte zu beschleunigen. In zehn Jahren wurden die Zolltarife für über 99 % der von den Partnern gelisteten Waren auf eine Spanne von 0–5 % gesenkt. Bis 2018 soll der Zollabbau im gesamten Gebiet der ASEAN vollständig abgeschlossen sein.

Boomt in Südostasien die Wirtschaft?

Nein, nicht überall. Es gibt noch beträchtliche Unterschiede: Myanmar (Birma), Laos und Kambodscha sind noch landwirtschaftlich geprägt, mit Abstrichen auch Vietnam. Demgegenüber beträgt in den südostasiatischen »Tigerstaaten« Malaysia, Thailand, Indonesien und Philippinen der Anteil der Agrarerzeugnisse an der Wirtschaftsleistung (Bruttonationaleinkommen, BNE) nur noch zwischen 8 % und 17,5 %.

Die Unterschiede in Arbeitsteilung, Wirtschaftsstruktur und Produktivität schlagen sich in erheblichen Einkommensunterschieden nieder. Das vom Bürgerkrieg geschwächte Kambodscha hat mit 280 US-Dollar das niedrigste BNE pro Kopf. Der kleine, sehr dicht besiedelte Inselstaat Singapur und das erdölreiche Sultanat Brunei haben praktisch keine Landwirtschaft; Dienstleistungen dominieren mit deutlichem Abstand zur industriellen Produktion das Bild. Das Bruttonationaleinkommen pro Kopf liegt in diesen beiden Ländern auf westeuropäischem Niveau.

Gibt es freien Handel rings um den Pazifik?

Noch lange nicht. Das Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsforum (APEC) ist nur eine lockere Gemeinschaft von Ländern aus drei Kontinenten. Sie soll die wirtschaftliche Zusammenarbeit im ganzen Pazifikraum stärken.

Der APEC gehören neben Australien alle ASEAN-Staaten außer Laos, Kambodscha und Myanmar (Birma) an. Hinzu kommen Neuseeland, die USA, Kanada, Japan, Südkorea, China und Hongkong, Taiwan, Chile, Mexiko, Papua-Neuguinea, Russland und Peru.

Übrigens: Das Gipfeltreffen der APEC-Staats- und Regierungsschefs 2003 in Bangkok war nicht von wirtschaftlichen Fragen, sondern von Überlegungen zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus bestimmt.

Warum baut VW Autos in Mexiko?

Die USA befürchteten, dass ausländische Automobilhersteller Mexiko als Hintertür zum zollermäßigten Eintritt in den US-Markt nutzen und damit den einheimischen Anbietern Marktanteile streitig machen könnten. Deshalb enthält das NAFTA-Abkommen die Bestimmung, dass Autos und Autoteile aus Mexiko nur dann zollermäßigt eingeführt werden dürfen, wenn sie zum Teil in der NAFTA hergestellt wurden. Ausländische Anbieter haben daher Teile ihrer Produktion nach Mexiko verlagert – wie der Volkswagen-Konzern, der in Puebla ein Werk mit 10 000 Beschäftigten betreibt und sich das niedrige mexikanische Lohnniveau zunutze macht.

Der lange Weg: Die europäische Einigung

Wie alt ist eigentlich der europäische Gedanke?

Bemühungen um eine gemeinsame Europapolitik setzten bereits nach dem Ersten Weltkrieg ein.

Der deutsche Außenminister Gustav Stresemann und sein französischer Kollege Aristide Briand strebten Mitte der 1920er Jahre eine Aussöhnung als Basis für einen europäischen Bund souveräner Staaten an. Ähnliche Ziele verfolgte die Paneuropa-Bewegung des Österreichers Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi. Seine Idee eines vor allem gegen den Einfluss der Sowjetunion (UdSSR) gerichteten europäischen Bundesstaates scheiterte Anfang der 1930er Jahre ebenso wie die deutsch-französische Initiative: Zum einen keimte in Deutschland ein neuer Nationalismus auf, zum anderen betrachteten viele Staaten den 1920 ins Leben gerufenen Völkerbund als vorrangig.

Wann kam die Einigung in Fahrt?

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Die westeuropäischen Staaten waren vor allem von drei Gedanken geleitet: Im Spannungsfeld zwischen den Supermächten USA und UdSSR konnte sich nur ein geeintes Europa wirtschaftlich und politisch als dritte Kraft behaupten. Auch sollte der Kriegsaggressor Deutschland eng in ein Staatengeflecht eingebunden und so politisch diszipliniert werden. Schließlich bot ein geeintes Europa die besten Voraussetzungen, um Kriege zwischen den Mitgliedstaaten zu verhindern.

1949 gründeten zehn Länder den Europarat mit Sitz in Straßburg, der eine wirtschaftliche, soziale, kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit vorsah und sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzte.

Welchen Zweck erfüllte die Montanunion?

Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch Montanunion) war die erste Organisation mit überstaatlichen Befugnissen in Europa. Sie wurde 1951 von Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden begründet. Die EGKS verfolgte zwei Ziele: Zum einen wollte die Gemeinschaft die Versorgung mit Bergbauprodukten und Metallen rationeller gestalten, zum anderen sollten die Arbeitsbedingungen und Lebensumstände aller Beschäftigten in der Montanindustrie angeglichen und verbessert werden.

Was verbirgt sich hinter dem Kürzel EWG?

Die Abkürzung steht für Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. 1957 unterzeichneten die sechs EGKS-Staaten die Römischen Verträge zur Gründung der EWG und der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM).

Hauptziel der EWG war ein gemeinsamer Markt, von dem vor allem das wirtschaftlich aufstrebende Deutschland und Frankreich als zweiter Motor der europäischen Einigung zu profitieren hofften. Zu diesem Zweck sollten Zollschranken und Handelsbarrieren zwischen den Mitgliedern abgebaut und ein freier Verkehr von Kapital und Waren sowie von Dienstleistungen und Personen gewährleistet werden. Die EURATOM als dritte »Gemeinschaft« strebte eine gemeinsame Politik bei der Nutzung der Kernenergie an.

Wann wurde aus drei Abkürzungen nur noch eine?

1967 fusionierten die EGKS, die EURATOM und die EWG zur Europäischen Gemeinschaft (EG). Deren Legislative (die gesetzgebende Gewalt) war der Ministerrat, ihre Exekutive (die ausführende Gewalt) die Europäische Kommission. Bis 1986 traten der EG weitere Länder bei: Dänemark, Großbritannien und Irland, Griechenland, Spanien und Portugal.

In der Folgezeit wurden die Zölle innerhalb der Gemeinschaft abgeschafft; 1970 erzielte die EG erstmals Agrareinnahmen, wodurch sich der politische Spielraum gegenüber den Mitgliedstaaten erweiterte. 1972 vereinbarten die Mitgliedstaaten eine Zusammenarbeit in der Außenpolitik, 1978 die Schaffung des Europäischen Währungssystems. 1979 durften die EG-Bürger das Europäische Parlament erstmals direkt wählen. Die meisten Europäer nahmen überhaupt erst durch diese Wahl zur Kenntnis, dass die Utopie der »Vereinigten Staaten von Europa« in den Bereich des Möglichen rückte.

1992 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der EG im niederländischen Maastricht einen Vertrag zum Ausbau der EG zur Europäischen Union (EU). Kernpunkte waren die Einführung einer gemeinsamen Währung ab 1999 (der »Euro« wurde 2002 auch Barzahlungsmittel), die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sowie als dritte Säule die gemeinsame Innen- und Rechtspolitik. Außerdem erhielten alle Europäer die Unionsbürgerschaft – u. a. eine Aufenthaltserlaubnis für die ganze EU.

Was ist das Schengener Abkommen?

Es regelt den Wegfall von Grenzkontrollen zwischen bestimmten EU-Staaten. Als 1995 das zehn Jahre zuvor geschlossene Schengener Abkommen in Kraft trat, war dies zwischen den Benelux-Staaten, Frankreich, Deutschland, Portugal und Spanien der Fall. Dem Abkommen, das auch eine einheitliche Visa- und Asylpolitik regelt, traten zahlreiche weitere EU-Staaten bei.

Wussten Sie, dass …

Finnland keine 1- und 2-Cent-Münzen im Umlauf hat?

die drei europäischen Kleinstaaten Vatikanstadt, Monaco und San Marino eigene Euromünzen prägen?

der Euro auch offizielles Zahlungsmittel in Montenegro ist?

nur auf den österreichischen Münzen »Euro-Cent« steht?

der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel den Namen »Euro« erfunden hat?

1 € genau 1,95583 DM wert war (ab 31. 12. 1998) und derselbe Umrechnungskurs heute noch für die Konvertible Mark, die Währung Bosnien-Herzegowinas, gilt?

»Euro« keine Mehrzahl hat, es also »15 Euro« heißt und nicht etwa »15 Euros«?

Die EU: Wirtschaftsunion und Gremiendschungel

Ist die EU auch militärisch aktiv?

Ja, im Rahmen der zweiten Säule: der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) mit friedenserhaltenden und friedenschaffenden Maßnahmen zur Krisenbewältigung. Langfristiges Ziel ist eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik.

Die GASP soll jedoch kein Konkurrenzbündnis zum Nordatlantikpakt (NATO) werden, sondern eng mit ihr zusammenarbeiten. Nur wenn die NATO nicht in einen Konflikt eingreift, soll die GASP militärisch tätig werden. Kernstück zur Krisenbewältigung ist seit 2003 die sog. Schnelle Eingreiftruppe mit insgesamt 60 000 Soldaten sowie – falls erforderlich – Luft- und Seestreitkräften, die von den EU-Staaten (außer Dänemark) abgestellt werden. Da GASP-Beschlüsse des Rates einstimmig gefasst werden müssen, sind gemeinsame Linien zur Außen- und Sicherheitspolitik aber nur schwer erreichbar.

Wie stark ist die EU?

Nach der großen Erweiterung 2004 umfasst die Europäische Union 25 Staaten, darunter acht ehemalige Ostblockländer. Insgesamt hat die EU rund 459 Mio. Einwohner, weit weniger als China oder Indien, aber deutlich mehr als die USA. Die Anteile der EU am Weltsozialprodukt und am Welthandel überstiegen bereits vor der Erweiterung jene der USA. Allerdings klaffen die Pro-Kopf-Einkommen innerhalb der Union noch weit auseinander: Im reichsten Mitgliedstaat Luxemburg liegt es mehr als zehnmal so hoch wie im Schlusslicht Lettland.

Übrigens: Der Schritt der Türkei in die Union scheiterte immer wieder an nicht erfüllten politischen Beitrittskriterien, insbesondere im Bereich der Menschenrechte. Die Türkei bemüht sich bereits sehr lange um eine Mitgliedschaft. Dank zahlreicher Reformen wie der Abschaffung der Todesstrafe konnten Ende 2005 die Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Die Türkei wäre das erste überwiegend islamische Land in der EU, was vor allem bei christdemokratischen Politikern Bedenken auslöst.

Wo kann man überall mit Euro bezahlen?

Die Länder der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU), der bisher zwölf EU-Staaten beigetreten sind, haben die Gemeinschaftswährung Euro. Schon 1999 war der Euro in den EWWU-Ländern offizielles Zahlungsmittel, allerdings vorerst nur im bargeldlosen Zahlungsverkehr.

Der Euro hat die nationalen Währungen in Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal und Spanien abgelöst. Es gibt Banknoten (sieben Nennwerte) und Münzen (acht Werte). Die gemeinsame Geldpolitik, z. B. die Entscheidung über die Leitzinsen, liegt in den Händen der Europäischen Zentralbank; an ihrer Spitze steht ein Präsident, seit 2003 der Franzose Jean-Claude Trichet.

Von der Wirtschafts- und Währungsunion erhofften sich die EU-Staaten eine weitere politische Integration. Zugleich soll sie Wachstum und Beschäftigung fördern und den Wettbewerb stärken.

Wer hat in der EU das Sagen?

Als oberste Instanz bestimmt der Europäische Rat auf seinen Gipfeltreffen (zwei pro Jahr) die Leitlinien der EU-Politik. Er besteht aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten und den Präsidenten der Kommission und des Europäischen Parlaments. Seine Leitlinien setzen dann der Ministerrat und die Kommission um.

Im Ministerrat (offiziell Rat der EU), der etwa 100-mal im Jahr tagt, wird um wichtige Details der gemeinsamen Politik gerungen. Er setzt sich aus den jeweils zuständigen Fachministern der Mitgliedstaaten zusammen. Jedes Land hat – abhängig von seiner Größe – drei bis 29 Stimmen. Entscheidungen werden in der Regel mit qualifizierter Mehrheit (71 %) getroffen, nur in manchen Fällen muss Einstimmigkeit herrschen.

Der Ministerrat erlässt die Rechtsvorschriften, Verordnungen und Richtlinien der EU, die dann von der Kommission umzusetzen sind. Verordnungen gelten unmittelbar für alle EU-Staaten, Richtlinien müssen jeweils in nationales Recht umgesetzt werden. Der Ministerrat entscheidet u. a. über die Vorschläge der Kommission, er koordiniert die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und setzt die Außen- und Sicherheitspolitik um.

Wo sitzt die Zentrale der Europäischen Union?

In der »europäischen Hauptstadt« Brüssel, dem Sitz der Europäischen Kommission mit ihren etwa 20 000 Mitarbeitern. Die Kommission ist das Exekutivorgan der EU. Sie achtet darauf, dass die Mitgliedstaaten sich an die Rechtsvorschriften und Abkommen halten bzw. sie in nationales Recht umsetzen. Daneben erarbeitet sie Gesetzesvorschläge für den Ministerrat. In den Bereichen Wettbewerbs-, Landwirtschafts- und Handelspolitik sowie auf den Gebieten Kohle und Stahl hat sie eigene Entscheidungsbefugnisse. Zudem ist sie für den Vollzug des Haushalts zuständig und verwaltet die sog. Strukturfonds, etwa zusätzliche Haushaltsmittel für die ärmeren Regionen in der EU.

Die Kommission besteht aus dem Kommissionspräsidenten und 24 weiteren Kommissaren, die für einzelne Fachressorts zuständig sind. Die Kommissare werden von den Mitgliedstaaten auf fünf Jahre ernannt.

Wer darf in die Wirtschafts- und Währungsunion?

Für die Teilnahme an der EWWU nennt der Maastrichter Vertrag sog. Konvergenzkriterien: Die Inflationsrate im Land darf maximal 1,5 Prozentpunkte über dem Durchschnittswert der drei preisstabilsten Länder liegen, das Zinsniveau darf den Durchschnittswert der drei preisstabilsten Länder um höchstens 2 Prozentpunkte übersteigen und die Neuverschuldung des Staates darf bei höchstens 3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen. Überschreiten teilnehmende Staaten die Stabilitätskriterien, drohen ihnen Sanktionen.

Ist auch der Europarat ein Gremium der EU?

Nein. Bereits 1949 gegründet, gehörten ihm 2005 insgesamt 46 Mitgliedstaaten an. Zu den Aufgaben des Europarats zählen der Schutz der Menschenrechte und die Förderung der Zusammenarbeit der Mitglieder – sowohl in wirtschaftlicher als auch in sozialer und kultureller Hinsicht. Organe des Europarats sind das Komitee der Außenminister und die parlamentarische Versammlung, der Abgeordnete der nationalen Parlamente angehören.

Die Politik der EU: Im Geflecht der Interessen

Welche Aufgaben hat das Europäische Parlament?

Das Europäische Parlament ist die Volksvertretung der EU und wird alle fünf Jahre von der Bevölkerung in den EU-Staaten gewählt (erstmals 1979); jedem Land steht abhängig von seiner Größe eine festgelegte Anzahl Sitze zu.

Die Kompetenzen eines nationalen Parlaments hat das Europäische Parlament nicht: Es besitzt kein Initiativrecht für Rechtsvorschriften, das heißt, es darf keine Gesetzesvorschläge machen. Es kann allerdings zu Gesetzesvorschlägen der Kommission Änderungswünsche äußern, Gesetzesinitiativen des Ministerrats mit absoluter Mehrheit ablehnen und Entscheidungen über einen Teil des EU-Haushalts treffen. Und es muss dem Beitritt von Staaten zur Union zustimmen. Rat und Kommission sind ihm gegenüber auskunftspflichtig. Auch muss das Parlament der Ernennung der Kommissionsmitglieder zustimmen.

Wer richtet und rechnet in der EU?

Der Europäische Gerichtshof mit Sitz in Luxemburg ist für Einhaltung, Durchsetzung und Auslegung des EU-Rechts zuständig; er kann von den nationalen Gerichten, von den Mitgliedstaaten und Einzelpersonen angerufen werden. Der Europäische Rechnungshof (Luxemburg) prüft den Haushalt der EU.

Übrigens: Es gibt noch zahlreiche weitere EU-Gremien, z. B. beratende Ausschüsse, die jeweils nach Themenbereichen eingerichtet werden. Einer der wichtigsten ist der 1993 gegründete Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss. Er muss bei allen Fragen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik angehört werden und vertritt dabei gegenüber allen EU-Organen die Interessen der Bürger.

Welche Freiheiten bietet der Binnenmarkt?

Neben dem uneingeschränkten Kapitalverkehr, der mit der Einführung des Euro stark vereinfacht wurde, sieht die zugrunde liegende Einheitliche Europäische Akte von 1987 vor, dass der Verkehr von Personen, Waren und Dienstleistungen in der EU von Beschränkungen frei sein soll. Seinen sichtbarsten Ausdruck findet dies darin, dass jeder Bürger innerhalb der EU Wohnort und Arbeitsplatz frei wählen kann.

Die praktische Umsetzung ist oft kompliziert. Es reicht z. B. nicht, die Zölle abzuschaffen – die Beseitigung der sog. nichttarifären Behinderungen des freien Austauschs von Gütern, Kapital und Dienstleistungen ist erheblich schwieriger. Man denke z. B. an technische Sicherheitsstandards, die dem Schutz der Verbraucher dienen sollen. Ein Land, das für strenge Standards plädiert, setzt sich unter Umständen dem Verdacht aus, den eigenen Markt damit gegen ausländische Konkurrenz abschotten zu wollen. Welcher technische Standard letztlich als Handelshemmnis betrachtet wird, hängt davon ab, wie der in den beiden Zielen »Verbraucherschutz« und »Handelsfreiheit« angelegte Konflikt gelöst wird.

Ist die EU nur für die Bauern da?

Die Frage kommt auf, wenn man bedenkt, dass in der Landwirtschaft nur ein geringer Anteil aller Erwerbstätigen beschäftigt ist, aber ein Großteil des EU-Haushalts für die Bauern ausgegeben wird. Und: Die Gemeinsame Agrarpolitik ist eine komplizierte Konstruktion, die wenig mit Markt und Wettbewerb zu tun hat.

Etwa 90 % der Erlöse aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Produkte werden in der EU nicht im freien Handel erzielt, sondern unter dem Einfluss von Preisregulierungen und Mengenbegrenzungen. Agrarmarktordnungen gelten für Getreide, Milchprodukte, Schweine- und Rindfleisch, Geflügel und Eier, Zucker, Wein und Bananen. Sie schotten den Europäischen Binnenmarkt für Agrarprodukte vom Weltmarkt ab und halten somit die Preise hoch. Abgaben und Einfuhrzölle machen Produkte aus Ländern außerhalb der EU teurer.

Umgekehrt werden Ausfuhrerstattungen gewährt, um auch bei niedrigerem Weltmarktpreisniveau den Absatz von landwirtschaftlichen Produkten der EU auf dem Weltmarkt zu sichern.

Wer legt die Preise für Butter und Äpfel fest?

Der Ministerrat. Er bestimmt die Produktpreise jährlich neu. Übersteigt die Produktion im Binnenmarkt zu den festgelegten Preisen die Nachfrage, so greifen staatliche Stellen in das Marktgeschehen ein und kaufen überschüssige Mengen auf. Diese Interventionskäufe verhindern, dass die Preise und damit auch die Einkommen der Erzeuger unter eine bestimmte Schwelle fallen. Die angekauften Mengen werden entweder in den Binnenmarkt zurückgegeben oder exportiert.

Können die EU-Staaten noch über sich selbst bestimmen?

Ja, trotz ihrer Mitgliedschaft in der EU bleiben die Staaten souverän. Die EU darf nur dann für ihre Mitgliedstaaten handeln, wenn ihr dies per Vertrag, dem alle Staaten zustimmen müssen, erlaubt wurde. Alle anderen Themenbereiche sind für die Union tabu – mit Ausnahme von gemeinsamen Zielen, die von den EU-Staaten nicht allein verwirklicht werden können.

Wie schützt die EU die Fischbestände?

Neben der 2002 beschlossenen Halbierung der Fangquoten hat die Europäische Kommission zahlreiche weitere Reformmaßnahmen vorgeschlagen: Die jährliche Festsetzung von Fischfangquoten, etwa für Kabeljau und Hering, soll mehrjährigen Bewirtschaftungsplänen auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten weichen, damit sich die bedrohten Fischbestände erholen können. Die überdimensionierten Fangflotten sollen durch Abschaffung der Zuschüsse für neue Schiffe verkleinert werden. Den Fischern soll der Berufswechsel erleichtert werden. Für die Einhaltung der Regeln sorgt eine gemeinsame Fischereiaufsicht.

Wird es die Vereinigten Staaten von Europa geben?

Vorerst nicht, wie der Widerstand gegen die EU-Verfassung gezeigt hat. Der 2004 verabschiedete Verfassungsvertrag wurde von den Niederländern und den Franzosen abgelehnt und kann daher nicht in Kraft treten.

Streitpunkte: Demokratie oder Bürokratie?

EU-Staaten
Land Beitritt1)
Belgien 1951/58
Deutschland (BRD) 1951/58
Frankreich 1951/58
Italien 1951/58
Luxemburg 1951/58
Niederlande 1951/58
Dänemark 1973
Großbritannien 1973
Irland 1973
Griechenland 1981
Portugal 1986
Spanien 1986
Finnland 1995
Österreich 1995
Schweden 1995
Estland 2004
Lettland 2004
Litauen 2004
Malta 2004
Polen 2004
Slowakei 2004
Slowenien 2004
Tschechien 2004
Ungarn 2004
Zypern 2004
1) 1951 EGKS, 1958 EWG, ab 1967 EG, ab 1993 EU  

Ist die Kritik an der Agrarpolitik berechtigt?

Durchaus. Die Stabilisierung der Agrarpreise im Binnenmarkt mithilfe von Zöllen und Subventionen bringt überhöhte Produktionsmengen mit sich – Stichwort »Butterberge« – und ist ein ständiger Zankapfel im internationalen Agrarhandel mit den USA und den Entwicklungsländern. Die Abschottung der EU-Agrarmärkte verwehrt den Entwicklungsländern nicht nur die Möglichkeit, ihre reiche Ausstattung mit Boden und billigen Arbeitskräften auszuspielen: Sie setzt deren eigene Märkte auch der Konkurrenz durch künstlich verbilligte Agrareinfuhren aus.

Hilft die EU auch den Schwachen?

Ja: mit finanziellen Entwicklungsanreizen. In der EU leben 116 Mio. Menschen bzw. 25 % der Gesamtbevölkerung in Regionen mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf von weniger als 75 % des Gemeinschaftsdurchschnitts. Nicht nur in Ost- und Südeuropa, sondern z. B. auch in den neuen Bundesländern muss die Wirtschaftsstruktur modernisiert werden. Daher wird beispielsweise die Umstellung landwirtschaftlicher Betriebe auf umweltschonende Anbaumethoden oder der Biotopschutz durch Landwirte gefördert.

Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung bestreitet vier Fünftel der strukturpolitisch motivierten Ausgaben der EU: von 2000 bis 2006 insgesamt 158,4 Mrd. Euro. Sie kommen in Form von finanziellen Beihilfen vor allem der Schaffung von Arbeitsplätzen in kleinen und mittleren Unternehmen und dem Ausbau von Verkehrswegen, Telekommunikation und Umweltschutz zugute. Die Einrichtung wurde u. a. von Großbritannien angestoßen, das als Agrarimportland kaum von der gemeinsamen Agrarpolitik profitierte und eine Verbreiterung der Grundlagen von Förderansprüchen bewirkte.

Ist die EU ein bürokratischer Moloch?

Hierzu gehen die Meinungen auseinander. Einerseits ist der Regelungsbedarf immens: Bei 25, in naher Zukunft vielleicht 27 oder 28 Mitgliedstaaten müssen immer mehr nationale und regionale Interessen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht, immer mehr kulturelle Besonderheiten bei Entscheidungen berücksichtigt werden. Die Angst vor einer allmächtigen Bürokratie, die auch die letzten Alltagsbereiche mit sinnlosen Verordnungen überschwemmt, ist jedoch unbegründet: Der Beamtenapparat der Europäischen Kommission entspricht etwa dem einer deutschen Großstadt. Problematisch sind vielmehr die Versuche der nationalen Regierungen, die Vereinbarungen durch Sonderregelungen für ihr eigenes Land aufzuweichen. Kompromisse werden mühsam ausgehandelt und die Ausarbeitung der Rechtsvorschriften dauert übermäßig lang, so dass die Behörden den Eindruck von Schwerfälligkeit erwecken.

Wie wahren die Regionen ihre Eigenständigkeit?

Beispielsweise durch den Ausschuss der Regionen, der 1994 im Maastrichter Vertrag vereinbart wurde.

Dieser Ausschuss war eine Antwort auf die Befürchtung, dass Regionen wie die deutschen Bundesländer an Einfluss verlieren, wenn immer mehr Entscheidungen von der Europäischen Union getroffen werden. Die von den Regionen entsandten Vertreter geben im Ausschuss der Regionen politische Stellungnahmen ab; insbesondere zu Umweltschutz, Sozial- und Verkehrspolitik, Ausbildungs- und Regionalpolitik muss der Ausschuss gehört werden. Der Amsterdamer Vertrag gab dem Ausschuss der Regionen 1999 weitere Befugnisse.

Worum geht es beim Haushaltsstreit?

Die Staaten, die am meisten einzahlen, erwarten im Gegenzug ein Höchstmaß an Gestaltungsmöglichkeiten, ein Ansinnen, das die kleineren Staaten kritisch sehen. Den mit Abstand größten Anteil an den Eigenmitteln für den EU-Haushalt trug bisher Deutschland. 2004 kamen zehn sog. Nehmerländer hinzu.

Die alten Geberländer fürchteten erhebliche finanzielle Neubelastungen; bisherige Nettoempfänger sahen sich zu Nettozahlern aufrücken. Die Vorteile der Osterweiterung überwiegen jedoch: Die EU gewinnt neue Absatzmärkte, von denen insbesondere Deutschland als exportorientiertes Land profitieren wird. Auch gelten die Beitrittsländer als Wachstumsmärkte.

Die NATO: Vom Verteidigungsbündnis zur Antiterrorkoalition

Was geschah im Kalten Krieg?
1947 Truman-Doktrin
1948/49 Berlinblockade
1949 Gründung der NATO
1955 Gründung des Warschauer Paktes
1961 Bau der Berliner Mauer
1962 Stationierung sowjetischer Raketen auf Kuba
1972 Rüstungskontrollabkommen zwischen UdSSR und USA (SALT I)
1979 Sowjetischer Einmarsch in Afghanistan
1983 Initiierung des SDI-Programms (»Krieg der Sterne«) durch US-Präsident Ronald Reagan
1985 Michail Gorbatschow leitet als KPdSU-Generalsekretär Reformpolitik ein (Perestroika, Glasnost)
1987 bis 1990 Abrüstungsverträge: atomare Mittelstreckenraketen (INF), konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE), strategische Nuklearwaffen (START I)

Wer sprach zuerst vom »Eisernen Vorhang«?

Den Begriff prägte im März 1946 der britische Politiker Winston Churchill (1874–1965), Premierminister 1940–45 und 1951–55: Ein »Eiserner Vorhang« drohe Europa in eine freiheitliche westliche und eine kommunistische östliche Hälfte zu zerteilen.

Dies wurde schnell Realität: Die UdSSR, deren Truppen im Krieg bis an die Elbe vorgedrungen waren, brachte nach und nach alle von der Roten Armee besetzten Staaten unter ihre Kontrolle. Wachsende Spannungen führten zu einem Kurswechsel in der westlichen Besatzungspolitik. 1947 betonte die Truman-Doktrin den Willen der USA, weltweit gegen den Kommunismus vorzugehen. Zum Wiederaufbau Europas und zur Eindämmung des Kommunismus wurde der Marshallplan gestartet.

Welche Rolle spielte die Berlinblockade?

Die Westmächte untermauerten die Zugehörigkeit Westberlins zu ihren Besatzungszonen, indem sie auch in der Stadt am 20. Juni 1948 die Deutsche Mark als Währung einführten. Die UdSSR reagierte vier Tage später mit der Blockade aller Wege in die Stadt und berief ihren Vertreter im Alliierten Kontrollrat, dem obersten Entscheidungsgremium der Besatzungsmächte, ab. Die Westmächte versorgten 322 Tage lang Millionen Menschen aus der Luft mit Nahrungsmitteln und Ähnlichem. Am 12. Mai 1949 gab die UdSSR die Wege nach Berlin wieder frei.

Wann entstand die NATO?

Am 4. April 1949. Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal und die USA unterzeichneten den Vertrag zur Gründung der North Atlantic Treaty Organization, eines Defensivbündnisses, das nur im Verteidigungsfall aktiv werden darf. Gemäß der Beistandsverpflichtung müssen alle Mitglieder einem Bündnispartner helfen, der angegriffen wird.

Übrigens: Dieser Bündnisfall wurde in der Geschichte der NATO erst einmal ausgerufen: nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA.

Seit wann ist Deutsch-land in der NATO dabei?

Die Bundesrepublik Deutschland trat mit Wiedererlangung ihrer Souveränität 1955 in die NATO ein. Anlass war der 1950 ausgebrochene Koreakrieg, bei dem sich der von der UdSSR und China unterstützte Norden und der von den USA und der UNO unterstützte Süden gegenüberstanden. Nun wurde die Wiederbewaffnung Deutschlands für notwendig erachtet, um dem Expansionsstreben der UdSSR nach Westeuropa einen Riegel vorzuschieben.

Was ist der Warschauer Pakt?

Da die sozialistischen Staaten die NATO als Gefährdung wahrnahmen, schlossen sie sich 1955 zum Warschauer Pakt zusammen. 1956 kam die DDR hinzu. Wie in der NATO gab es eine Beistandspflicht bei einem Angriff auf einen Mitgliedstaat. Doch nur im eigenen Lager wurde der Pakt aktiv: 1956 schlugen seine Truppen den Ungarnaufstand nieder, 1968 den Prager Frühling. 1991 löste sich das Militärbündnis schließlich auf.

Hat die NATO auch eine zivile Seite?

Ja. Das oberste zivile Entscheidungsgremium ist der NATO-Rat, der seinen Sitz in Brüssel hat. Ihm gehören die Außen- und Verteidigungsminister der Mitgliedstaaten an.

Für Entscheidungen im militärpolitischen Sektor ist der Ausschuss für Verteidigungsplanung zuständig. Die nukleare Planungsgruppe, der die jeweiligen nationalen Verteidigungsminister angehören, befasst sich mit Strategien zum Einsatz von Kernwaffen. Vorsitzender aller drei Gremien ist der NATO-Generalsekretär, seit 2004 der Niederländer Jaap de Hoop Scheffer.

Der Militärausschuss mit den Stabschefs der Mitgliedsländer ist das höchste und wichtigste Militärorgan. Er berät die zivilen Gremien in militärischen Fragen. Erarbeitet wird die Militärpolitik der NATO von Arbeitsgruppen, die dem Ausschuss Empfehlungen unterbreiten. Der internationale Militärstab setzt die Entscheidungen des Militärausschusses um.

Ist die NATO überflüssig geworden?

Nein, aber nach dem Ende des Kalten Krieges musste sie ihre Aufgaben neu definieren und ehemalige Kontrahenten zu Partnern machen. 1999 wurden die Tschechische Republik, Polen und Ungarn aufgenommen – gegen den Widerstand Russlands, das aber nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 seine Positon änderte. 2004 traten weitere sieben Staaten der NATO bei.

1994 griff die NATO in den Bosnienkrieg ein, 1999 in den Kosovokonflikt. Gegenwärtig zeichnet sich ab, dass die NATO ihre Aktivitäten vor allem auf den Kampf gegen den internationalen Terrorismus konzentrieren wird.

Völkerrecht: Regeln für Krieg und Frieden

Wieso können Völker im Recht sein?

Aufgrund der Rechtsnormen des Völkerrechts. Diese durch Verträge oder Gewohnheitsrecht entstandenen Normen regeln die Beziehungen zwischen den Staaten sowie zwischen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten (z. B. internationalen Organisationen). Vor allem behandeln sie die Rechte und Pflichten der Staaten – im Frieden (Friedensrecht) wie im Krieg (Kriegsrecht). Grundprinzip des Völkerrechts ist die Gleichheit und Souveränität der Staaten. Es ist auf Übereinstimmung (Konsens) angewiesen, denn es gibt keine Instanz, die die Bestimmungen mit Gewalt durchsetzen könnte.

Ursprünglich konnten nur Staaten im völkerrechtlichen Sinn Rechte und Pflichten übernehmen, also sog. Völkerrechtssubjekte sein. Dies gilt heute wegen der Übertragung von Aufgaben an internationale Organisationen wie die UNO als überholt. Neben selbständigen Staaten und dem Heiligen Stuhl sind internationale Organisationen und begrenzt auch Einzelpersonen Völkerrechtssubjekte – z. B. in Fragen der Menschenrechte, die die Staaten durch völkerrechtliche Verträge zu beachten versprechen.

Wie hat sich der Völkerrechtsgedanke entwickelt?

Bereits in der Antike gab es Bündnisse zwischen Staaten. In den italienischen Staaten bildete sich ab Mitte des 15. Jahrhunderts eine Rechtsordnung für Diplomatie heraus; Handelsverträge, Seerechtsabkommen und Regelungen des Konsularwesens gehörten dazu. Die Entwicklung des neuzeitlichen europäischen Staatensystems und die damit einhergehenden Konflikte brachten das klassische Völkerrecht hervor, die Grundlage für große Friedenskongresse – z. B. den Westfälischen Friedenskongress (1648) nach dem Dreißigjährigen Krieg und den Wiener Kongress (1815) nach der endgültigen Niederlage Napoleons.

Welche Fortschritte wurden im 20. Jahrhundert erzielt?

Beruhte das Völkerrecht bis dahin vor allem auf Gewohnheitsrechten, so traten im 20. Jahrhundert Verträge in den Vordergrund. 1907 wurde die Haager Landkriegsordnung verabschiedet; 1928 – im Gefolge des Ersten Weltkriegs und der anschließenden Antikriegskonferenzen – trat mit dem Briand-Kellogg-Pakt das Verbot des Angriffskriegs in Kraft.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Völkerrecht jedoch vollständig missachtet. Nach 1945 wiederholte die neu gegründete Organisation der Vereinten Nationen (UNO) in ihrer Charta die Ächtung eines Angriffskrieges und erweiterte sie sogar zum Gewaltverbot. Seitdem ist Krieg nur noch zur Selbstverteidigung gestattet. Nach und nach wurden die vier Genfer Konventionen geschlossen; 1977 wurden sie auf innerstaatliche Konflikte (Bürgerkriege) ausgeweitet.

Wie werden völkerrechtliche Verträge umgesetzt?

Ein verbindliches völkerrechtliches Regelwerk kann auf zwei unterschiedlichen Wegen in das nationale Recht gelangen. In der sog. dualistischen Theorie gelten Völkerrecht und nationales Recht als voneinander unabhängig. Völkerrechtliche Bestimmungen müssen erst in die jeweilige Verfassung aufgenommen oder zu einem nationalen Gesetz umformuliert werden, um verbindlich zu werden. So sind völkerrechtliche Regeln in Deutschland zum Bestandteil des Verfassungsrechts geworden; sie haben Vorrang vor einfachen Gesetzen. In anderen Staaten wie der Schweiz gilt Völkerrecht innerstaatlich direkt (monistische Theorie); es muss nicht durch Gesetze transformiert (übertragen) werden.

Was tun bei innerstaatlichen Konflikten?

In die inneren Angelegenheiten eines Staates dürfen sich nach herkömmlichem völkerrechtlichen Verständnis andere Staaten und Organisationen nicht einmischen. Bis heute werden die Menschenrechte nicht überall durchgesetzt, obwohl die meisten Staaten die entsprechenden Konventionen unterzeichnet haben. Doch gibt es Bestrebungen, mithilfe internationaler Organisationen in innerstaatliche Konflikte einzugreifen, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord zu verhindern.

Was ist Unilateralismus?

Unter Unilateralismus ist eine Haltung zu verstehen, die auf der einseitigen Lösung von Problemen beharrt und andere Ansätze nicht akzeptiert. Er steht im Gegensatz zum Bilateralismus (System zweiseitiger Verträge) und einer multilateralen Ordnung, die auf dem Mitwirken einer Vielzahl von Seiten (Staaten) beruht.

Besonders den USA wird immer wieder Unilateralismus vorgeworfen. Als einzig verbliebene Weltmacht sind die USA aufgrund ihres wirtschaftlichen und militärischen Potenzials seit dem Zusammenbruch der UdSSR 1990/91 immer häufiger nicht bereit, in bestimmten Fragen auf die Positionen der übrigen Staaten zuzugehen. Sie weigerten sich z. B. bislang, das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz zu unterzeichnen. Auch am Internationalen Strafgerichtshof wollten sie nicht teilnehmen, aufgrund von Bedenken, dass amerikanische Staatsbürger sich vor ihm verantworten müssten.

Der Unilateralismus der USA stößt weltweit auf starke Kritik, u. a. weil er – wie 2003 im Irak-Krieg – die Autorität der UNO untergräbt.

Welche Aufgaben hat die Bundeswehr heute?

Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts und der Herstellung der vollen Souveränität Deutschlands 1990 änderten sich auch die Anforderungen an die Streitkräfte. Auslandseinsätze der Bundeswehr rückten plötzlich in den Bereich des Möglichen. Die Weichen für die Teilnahme an internationalen Friedensmissionen unter dem Mandat der UNO stellte 1994 ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Seither waren und sind deutsche Soldaten im Auftrag von UNO und NATO u. a. auf dem Balkan, in Ost-Timor, Mosambik und Afghanistan im Einsatz.

Sind wir machtlos bei Kriegsverbrechen?

Nicht immer. Zwar kommt es trotz aller internationalen Übereinkünfte in Kriegsgebieten immer wieder zu Massakern an der Zivilbevölkerung, Folterung von Gefangenen, Massenvergewaltigungen, Plünderungen etc. Auch werden international geächtete Waffen eingesetzt. Die Verbrechen können aber geahndet werden: durch internationale Tribunale, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg von den Siegermächten in Nürnberg und Tokio sowie von der UNO 1993 und 1994 für Jugoslawien (Den Haag/Niederlande) und Ruanda (Arusha/Tansania) eingerichtet wurden. 2002 trat das Statut für einen ständigen Internationalen Strafgerichtshof (Den Haag) in Kraft. Außerdem kann die UNO Friedenstruppen in ein Krisengebiet entsenden, um Frieden zu erhalten oder zu erzwingen.

Was bringen Blauhelm-Einsätze?

Der Erfolg von UNO-Friedensmissionen hängt in erste Linie vom Willen und der Fähigkeit der Beteiligten ab, ihre Konflikte friedlich zu lösen. Mangelt es daran, so stehen die Chancen schlecht, wie etwa in Darfur (Sudan). Dagegen haben Blauhelme 1999–2005 Ost-Timor erfolgreich in die nationale Selbstständigkeit begleitet.

Die Grenzen ihrer Möglichkeiten mussten die Blauhelme 1992 in Bosnien-Herzegowina schmerzlich erkennen: Nicht mit einem Kampfauftrag ausgestattet, mussten die Soldaten tatenlos mit ansehen, wie serbische Verbände von der UNO gekennzeichnete sog. Schutzzonen überfielen und beispielsweise in Srebrenica Menschen deportierten und töteten.

Die Friedenstruppen der UNO mit ihren blauen Helmen umfassen von Mitgliedstaaten abgestellte Soldaten oder zivile Beobachter, die nur zum Eigenschutz oder bei Gefährdung ihrer Tätigkeit Gewalt anwenden dürfen. Erstmals entsandte der Sicherheitsrat 1948 im ersten arabisch-israelischen Krieg Militärbeobachter. 2005 gab es 17 Friedensmissionen mit 67 000 Soldaten und Polizisten, die größte in der Demokratischen Republik Kongo.

Ist Abrüstung nur ein Lippenbekenntnis?

Manchmal ja. Immer wieder setzen sich Staaten über Abrüstungsvereinbarungen hinweg. Der 1970 in Kraft getretene Atomwaffensperrvertrag sollte die Weiterverbreitung von Kernwaffen verhindern; 2006 haben die USA aber Indien de facto als Atommacht anerkannt. Im ABM-Vertrag einigten sich die USA und die UdSSR 1972 auf die Begrenzung von Abwehrsystemen gegen nukleare Interkontinentalwaffen, aber die USA kündigten Ende 2002 den Vertrag, da er den Plänen für eine nationale Raketenabwehr entgegenstand.

Andere Verträge haben Bestand. Mit START-I und -II einigten sich USA und UdSSR bzw. Russland von 1991 bis 1993 auf den Abbau ihrer strategischen Atomwaffen und das Verbot von landgestützten Interkontinentalraketen mit Mehrfachsprengköpfen. 2002 vereinbarten sie eine zusätzliche Verminderung ihres Nuklearwaffenpotenzials.

Was ist die OSZE?

Der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gehören 55 Staaten an, darunter auch die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die USA und Kanada. Ihre Organe dienen z. B. der Frühwarnung vor Konflikten. Anders als die UNO kümmert sich die OSZE auch um innerstaatliche Konflikte. Dazu entsendet sie meist Beobachter in die betroffenen Regionen, z. B. in den Kaukasus. Eigene Streitkräfte unterhält sie allerdings nicht.

Was besagt die Haager Landkriegsordnung?

Zum Schutz von Soldaten und Zivilbevölkerung verbot die Haager Landkriegsordnung von 1907 erstmals Maßnahmen der Kriegführung, z. B. das Plündern. Außerdem erhielten Kriegsgefangene bestimmte Rechte. Nach wie vor galt aber Krieg an sich als legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele. Die teils noch heute gültigen Bestimmungen sind der älteste Kern des Kriegsrechts. Bereits 1899 hatten sich Vertreter zahlreicher Staaten zu einer Friedenskonferenz in Den Haag getroffen.

Was zählt alles zum Völkerrecht?

das Selbstbestimmungsrecht

das Interventionsverbot

das See-, Luft-, Umwelt- und Weltraumrecht

der Schutz der Menschenrechte

das Kriegsrecht

Was besagt die Genfer Konvention zur ...

Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde (1864)? Sie legte auf Initiative des Schweizers Henri Dunant erstmals völkerrechtlich verbindliche Regeln zum Umgang mit verwundeten Soldaten und Kriegsgefangenen fest.

Verbesserung des Loses der verwundeten Soldaten der Armeen im Feld (1906)? Sie erweiterte diejenige von 1864.

Verbesserung des Loses der Kranken und Verwundeten im Feld (1929)? In ihr wurde z. B. der Neutralitätsstatus für Hospitäler, Lazarette und Sanitätspersonal gesichert.

Behandlung der Kriegsgefangenen (1929)? Sie sicherte Kriegsgefangenen eine humane Behandlung zu. Folter, Beeinträchtigung der Menschenwürde sowie Hinrichtung ohne rechtsstaatliches Verfahren waren fortan untersagt.

Vom Völkerbund zur UNO: Fortschritte und Rückschläge

Was war einst der Hauptzweck von Verträgen?

Verträge zwischen Staaten dienten früher oft nicht der Friedenssicherung, sondern der Verbündung gegen einen möglichen Feind. Ein Paradebeispiel ist das komplexe Bismarck'sche Bündnissystem im späten 19. Jahrhundert. Die Pakte mit Italien, England, Russland u. a. waren jedoch nicht von Dauer: Am Vorabend des Ersten Weltkriegs hatte nur noch Deutschlands vertragliche Bindung an Österreich-Ungarn Bestand.

Die Spannungen zwischen den imperialistischen Großmächten entluden sich 1914–18 in einem Krieg von ungeahnter Zerstörungskraft, der die ganze Welt nachhaltig veränderte. Angesichts des neuen Waffenarsenals – Flugzeuge, U-Boote, Panzer und Giftgas – wuchs die Einsicht, dass derartige Kriege verhindert werden müssten.

Wer hat den Völkerbund erfunden?

In seinem sog. 14-Punkte-Plan regte der US-amerikanische Präsident Thomas Woodrow Wilson 1918 u. a. an, einen Völkerbund zu gründen, der internationale Interessenkonflikte mit politischen Mitteln lösen sollte. Die Satzung des Völkerbunds floss 1919 in den Versailler Vertrag ein und trat mit seiner Annahme in Kraft.

Zu den Gründungsmitgliedern gehörten 32 Siegermächte des Ersten Weltkrieges und 13 neutrale Staaten. Zwar wurden einige der als Aggressoren verurteilten Staaten wie Österreich schon nach kurzer Zeit aufgenommen, das Deutsche Reich erhielt wegen des Einspruchs Frankreichs jedoch erst 1926 die Möglichkeit, Teil des Völkerbunds zu werden.

Übrigens: Ausgerechnet die USA traten dem von ihrem Präsidenten initiierten Gremium nicht bei; man fürchtete einen Souveränitätsverlust. Da auch die UdSSR dem als »kapitalistisch« angesehenen Bündnis zunächst fernblieb, wurde die drohende Machtlosigkeit des Völkerbunds schon früh deutlich.

Woran scheiterte der Völkerbund?

An fehlender Handlungsbefugnis. Kam es zu einem Streitfall zwischen Mitgliedstaaten, so traf der Völkerbundrat eine Entscheidung; kollidierte eine Ratsempfehlung jedoch mit den Interessen eines Mitglieds, war der Völkerbund zur Tatenlosigkeit verurteilt.

Wie beschränkt die Sanktionsmöglichkeiten selbst bei groben Verstößen gegen die Völkerbundsatzung waren, zeigte sich etwa 1935, als das faschistische Italien Äthiopien besetzte: Die verhängten Wirtschaftssanktionen wurden von Frankreich und Großbritannien unterlaufen, da man Italien als Gegengewicht zum Deutschen Reich nicht verlieren wollte. Auch der japanischen Großmachtpolitik in Ostasien, dem Spanischen Bürgerkrieg (1936–39) und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 stand der Völkerbund hilflos gegenüber. 1946 löste er sich daher auf.

Was sollte die UNO besser machen?

Nach den Gräueln des Zweiten Weltkrieges sah die UNO ihr Hauptziel in der Wahrung der internationalen Sicherheit. Dem dienten nicht allein Verhandlungen zur Verhinderung von Kriegen, sondern auch vorbeugende Maßnahmen wie die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen. Die Verantwortung für den Frieden sollte in erster Linie bei solchen Staaten liegen, die in der Lage waren, entsprechende Maßnahmen durchzusetzen.

Erste Schritte waren 1941 eine Deklaration der Alliierten über die Zusammenarbeit mit anderen freien Völkern sowie die »Atlantik-Charta«, in der Winston Churchill und Franklin D. Roosevelt Regeln für die internationale Zusammenarbeit festhielten. Die United Nations Organization (UNO) oder Organisation der Vereinten Nationen wurde 1945 mit der Ratifizierung ihrer Charta gegründet.

Wann und wo erfuhr die UNO ihre Feuertaufe?

1950, nachdem das kommunistische Nordkorea in den prowestlichen Süden des Landes eingefallen war. Unter Führung der USA griffen aus 15 Staaten gebildete UNO-Truppen an der Seite Südkoreas in die Kämpfe ein. Weil viele befürchteten, dass sich die UNO als ebenso hilflos erweisen würde wie der Völkerbund, blickte die Welt mit besonderer Spannung auf diese erste Bewährungsprobe. Sie verlief erfolgreich: Drei Jahre später waren die alten Grenzverläufe wiederhergestellt – allerdings um den Preis der bis heute andauernden staatlichen Teilung.

Auch später gab es Erfolge: Die UNO vermittelte 1956 durch den ersten Einsatz von Friedenstruppen erfolgreich in der Suezkrise, als Großbritannien und Frankreich eine Nationalisierung des Suezkanals durch Ägypten nicht akzeptieren wollten und militärisch zusammen mit Israel eingriffen. Der Einfluss der asiatischen und afrikanischen Staaten nahm zu, die Entwicklungspolitik rückte in den Mittelpunkt. Allein 1960 entließen die ehemaligen Kolonialmächte 17 afrikanische Staaten in die Unabhängigkeit, die von den Vereinten Nationen massiv gefördert wurde.

Wo zeigten sich die Grenzen der Weltorganisation?

Weder gelang es der UNO, im Sechstagekrieg (1967) zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarstaaten zu vermitteln, noch konnte die Eskalation des Vietnamkriegs (1946–75) gestoppt werden. Im Sicherheitsrat, dem mächtigsten UNO-Gremium, blockierten sich die Supermächte USA und Sowjetunion gegenseitig.

Anfang der 1970er Jahre standen die Zeichen auf Entspannung. 1973 wurden die Bundesrepublik Deutschland und die DDR gemeinsam in die Staatengemeinschaft aufgenommen. Ende der 1970er Jahre drohte die Welt jedoch durch die Stationierung sowjetischer und US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Europa in eine neue Phase des Wettrüstens zu geraten. Hinzu kam eine Struktur- und Finanzkrise der UNO: Zahlreiche Staaten der Dritten Welt hatten sich an die UdSSR angenähert, so dass die westlichen Staaten in der UNO zur Minderheit wurden. Die USA verweigerten daraufhin zwischenzeitlich Beitragszahlungen an die UNO.

Wie mächtig ist die UNO heute?

Das hängt von ihrer Anpassungsfähigkeit an die neue Weltlage ab. Nach dem Ende der Blockkonfrontation und der Auflösung der Sowjetunion schien die Staatengemeinschaft vor einer Phase des friedlichen Miteinanders zu stehen. Aus dem Zerfall bisheriger Vielvölkerstaaten resultierten jedoch blutige Regionalkonflikte, und der Terrorismus entwickelte sich zu einer weltweiten Bedrohung. Im »Krieg gegen den Terrorismus« stützen sich die USA nicht auf die UNO, sondern auf gleichgesinnte Staaten (im Irakkrieg 2003 »Koalition der Willigen«). Daher steht die UNO vor der Frage, welche Rolle sie bei der Krisenbewältigung spielen soll, wenn die einzige Supermacht eigenmächtig handelt.

Kritisiert wird jedoch auch die Struktur der UNO, die die wichtigsten Entscheidungen ins Belieben der den Sicherheitsrat beherrschenden Großmächte stellt. Qualifizierte Mehrheitsentscheidungen wären eine Alternative. Um der Bedeutung der aufstrebenden Regionen gegenüber der »Alten Welt« gerecht zu werden, wird auch eine Vergrößerung des Sicherheitsrats gefordert. Außerdem könnten Gremien wie die Generalversammlung und der Wirtschafts- und Sozialrat von beratenden zu mitentscheidenden Organen werden. Diese Aufwertung stünde im Einklang mit dem traditionellen UNO-Grundsatz »ein Land – eine Stimme« und würde den Vereinten Nationen größere Legitimität verleihen.

Wo treffen sich die UNO-Mitglieder?

In der General- oder Vollversammlung. Sie ist das Parlament und das zentrale politische Beratungsorgan; einmal jährlich wird sie einberufen. Hier treffen sich alle 191 Staaten.

Meist spricht die Generalversammlung nur Empfehlungen aus. Zudem wählt sie die nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, die Vertreter des Wirtschafts- und Sozialrats und – zusammen mit dem Sicherheitsrat – die Richter des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag sowie (auf Vorschlag des Sicherheitsrats) alle fünf Jahre den Generalsekretär. Mit Zweidrittelmehrheit muss sie über Aufnahmeanträge entscheiden, sofern der Sicherheitsrat zuvor eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen hat.

Wie viele Staaten gehören dem Sicherheitsrat an?

15 Staaten. Die Volksrepublik China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA sind ständige Mitglieder und können durch ihr Veto Entscheidungen des Sicherheitsrats blockieren. Die übrigen zehn Vertreter des Weltsicherheitsrats werden von der Generalversammlung mit Zweidrittelmehrheit für jeweils zwei Jahre gewählt. Der Sicherheitsrat tritt auf Antrag eines UNO-Mitgliedstaats zusammen.

Er ist das in der Öffentlichkeit am stärksten wahrgenommene Gremium, da er für die wichtigen politischen Entscheidungen zuständig ist. Die unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs getroffene Veto-Regelung erweist sich für die Wirksamkeit der UNO bei Konfliktregelungen einerseits als Hemmschuh, andererseits fördert sie den Konsensgedanken.

Wer gibt der UNO ein Gesicht?

Der Generalsekretär ist der höchste Repräsentant der Vereinten Nationen, seit 1997 der Ghanaer Kofi Annan. Er leitet das Generalsekretariat, also die Verwaltung der UNO, und kann vom Sicherheitsrat beauftragt werden, friedenssichernde Maßnahmen vorzubereiten oder durchzuführen.

Als neutrale Autorität vermittelt der Generalsekretär häufig in internationalen Konflikten. Die Außenwirkung der UNO sowie der Erfolg ihrer Bemühungen um den Weltfrieden hängen in entscheidendem Maß von seinen diplomatischen und kommunikativen Fähigkeiten ab.

Was macht eigentlich ...

der UNO-Wirtschafts- und Sozialrat? Er beschäftigt sich mit den wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten und koordiniert auch Bildungs- und Kulturprogramme. Darüber hinaus achtet er darauf, dass jedes UNO-Land die Menschenrechte einhält.

der Internationale Gerichtshof in Den Haag? Er spricht bei Streitfällen zwischen UNO-Mitgliedstaaten Recht, um militärische Konflikte zu verhindern. Akzeptieren die Parteien vorab die Zuständigkeit des Gerichts, so müssen sie dessen Urteil annehmen. Zu den wichtigen völkerrechtlichen Entscheidungen des Gerichtshofs zählen das Urteil, das Frankreich 1973 weitere Atomwaffenversuche im Pazifik untersagte, und die Entscheidung, die 1975 Marokko und Mauretanien die territorialen Souveränitätsrechte über die ehemalige spanische Kolonie Westsahara verweigerte. Bis April 2006 sprach der Gerichtshof 100 Urteile.

Was gehört noch zur UNO?

Neben ihren Haupt- und Nebenorganen hat die UNO noch zahlreiche selbständig arbeitende Programme, Fonds und Sonderorganisationen, darunter folgende:

Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO)

Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA)

Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD, Weltbank)

Internationaler Währungsfonds (IWF)

Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO)

Hoher Kommissar für Flüchtlinge (UNHCR)

Weltkinderhilfswerk (UNICEF)

Weltgesundheitsorganisation (WHO)

Welthandelsorganisation (WTO)

Die Menschenrechtsidee: Von England in die ganze Welt

Wer hat die Menschenrechte »erfunden«?

Die Wurzeln reichen bis in die Antike zurück; philosophische Ansätze finden sich bereits um 300 v. Chr. u. a. im Stoizismus.

Im europäischen Mittelalter gab es noch keinen Versuch, individuelle Rechte festzuschreiben, da sich der Mensch hauptsächlich über seine Zugehörigkeit zu einem Stand definierte. So waren die ersten »Menschenrechte« eher Schutz- und Abwehrrechte, die eine bestimmte Gruppe gegen die Herrschenden durchsetzte. In der Magna Charta libertatum (1215) z. B. legten die englischen Barone ihre Beziehung zu König Johann fest.

Warum spielt England eine so wichtige Rolle?

Hier wurden erstmals allgemeine Menschenrechte gesetzlich verankert. Im 16. Jahrhundert entdeckte das protestantische England die Freiheitsrechte des Individuums: Die Idee, dass alle Menschen vor Gott und dem Gesetz gleich seien, stellte die ständische Ordnung in Frage. Die Petition of Right (1628), die Habeas-Corpus-Akte (1679) und die Bill of Rights (1689) schützten den Einzelnen vor monarchischer Willkür.

Mit den Auswanderern gelangte dieses Gedankengut nach Amerika. Die Virginia Bill of Rights (1776), weltweit die erste verfassungsrechtliche Deklaration von Grundrechten, floss in die amerikanische Unabhängigkeitserklärung ein und prägte auch die zehn ersten Zusatzartikel zur Verfassung der USA, die u. a. Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit, das Recht auf Eigentum und persönliche Sicherheit sowie Religionsfreiheit garantierten.

Gelten Menschenrechte auf der ganzen Welt?

Im Prinzip ja. 1948 verabschiedete die Generalversammlung der UNO die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Sie hatte keine rechtsverbindliche Wirkung in den einzelnen Staaten, legte aber erstmals für die ganze Welt fest, was unter Menschenrechten zu verstehen sei.

Mitte der 1960er Jahre beschloss die UNO zwei Menschenrechtspakte, die 1976 für alle Unterzeichnerstaaten rechtsverbindlich wurden: den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

In der 1975 in Helsinki verabschiedeten Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) bekannten sich die Mitgliedstaaten zur uneingeschränkten Geltung der Menschenrechte. Die Beziehungen der Teilnehmerstaaten sollten zehn Grundsätzen folgen: gleiche Souveränitätsrechte aller Staaten, Gewaltverzicht, Unverletzlichkeit der Grenzen, territoriale Integrität, friedliche Streitlösung, Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Gleichberechtigung und Selbstbestimmungsrecht der Völker, Zusammenarbeit zwischen den Staaten, Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen.

In Afrika zählen die Flüchtlingskonvention von 1969 sowie die 1981 verabschiedete Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker zu den wichtigsten Vereinbarungen. Die Abkommen entstanden unter Federführung der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), deren Erfolge angesichts von Bürgerkrieg, Völkermord, Folter und Vertreibung allerdings als gering einzustufen sind.

Gab es Menschenrechte auch im Sozialismus?

Im Warschauer Pakt wurde die KSZE-Schlussakte von Helsinki anders ausgelegt als im Westen: Man betonte vor allem, dass sich kein Staat in die inneren Angelegenheiten eines anderen einmischen dürfe. Allerdings schlossen sich kritische Bürger zusammen und forderten die Durchsetzung der auch von ihren Regierungen unterzeichneten Menschenrechte. Zu den bekanntesten Bürgerrechtsgruppen gehörten die Charta '77 in der Tschechoslowakei und die Gewerkschaft Solidarität in Polen (1980). Doch erst mit dem durch die Reformpolitik Michail Gorbatschows in der UdSSR eingeleiteten Zerfall der sozialistischen Herrschaft erhielten die Menschenrechte in Ostmitteleuropa Geltung.

Die Menschenrechte: Vom Papier in die Praxis

Was gehört zu den Menschen- und Bürgerrechten?

Rechtsgleichheit

Lebensrecht

Folterverbot

Religionsfreiheit

Meinungsfreiheit

Versammlungsfreiheit

Vereinigungsfreiheit

Reisefreiheit

Asylrecht

Gedankenfreiheit

Gewissensfreiheit

Ist Deutschland ein Spätzünder?

Tatsächlich etablierten sich die Menschenrechte bei uns spät. Die Gedanken von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit kamen mit den französischen Revolutionskriegen (ab 1792) auch nach Deutschland, wo die alte Ordnung jedoch nach der Überwindung Napoleons (1815) wieder erstand. In der Verfassung des Deutschen Kaiserreichs (1871) fehlten Menschenrechtsgarantien weitgehend. In der Weimarer Reichsverfassung (1919) konnte der Staat die Grundrechte seiner Bürger bei Bedarf noch erheblich einschränken. Erst das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (1949) machte sie unantastbar. In Artikel 1 GG steht: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.«

Kann man Menschenrechte einklagen?

In Europa durchaus. 1998 erhielt der aus 41 Richtern bestehende Gerichtshof für Menschenrechte (Straßburg) die ausschließliche Zuständigkeit für Individualklagen von Bürgern der Mitgliedstaaten des Europarats. Verstößt ein Staat, der sich dieser Gerichtsbarkeit unterworfen hat, gegen die Menschenrechtskonvention, so kann ein anderer Vertragsstaat oder ein betroffener Bürger eine Rüge erteilen, die vom Gerichtshof verhandelt wird. Wird die Klage als zulässig erachtet, so wird sie einer Kammer des Gerichts zugeteilt. Die Entscheidungen der Zweitinstanz, der großen Kammer, sind völkerrechtlich verbindlich. Der Gerichtshof hat jedoch keine Möglichkeiten, das Urteil vollstrecken zu lassen.

Passen Religion und Menschenrechte zusammen?

Der Menschenrechtsgedanke ist im christlichen Europa entstanden; so ist die Frage, ob er über diesen Religions- und Kulturraum hinaus Gültigkeit beanspruchen kann. Durch einen Dialog aller Religionen und Kulturen hat man versucht, gemeinsame Grundwerte, ein sog. Weltethos, zu erarbeiten; eine entsprechende Erklärung verfasste 1993 in Chicago ein »Parlament der Weltreligionen«.

1990 verabschiedete die Islamische Weltkonferenz die Kairoer Deklaration für Menschenrechte im Islam. Die Menschenrechte sind nach Auffassung der islamischen Staaten durch Allah in der Scharia begründet: in den Gesetzen und Regeln, die das Leben eines Gläubigen bestimmen.

Wo gibt es noch die Todesstrafe?

Die Todesstrafe ist zwar international geächtet, aber nicht abgeschafft. Trotz des in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerten Rechts auf Leben halten viele Staaten noch an ihr fest. Insbesondere die Volksrepublik China, Bundesstaaten der USA und viele islamische Staaten vollziehen sie noch. 1992 sah das Protokoll Nr. 6 zur Europäischen Menschenrechtskonvention vor, die Todesstrafe in Friedenszeiten abzuschaffen, das Protokoll Nr. 13 war der erste internationale Vertrag, der ihre vollständige und uneingeschränkte Abschaffung vorsah.

Kann die UNO Menschenrechte durchsetzen?

Der Hohe Kommissar für Menschenrechte (United Nations High Commissioner for Human Rights, UNHCHR) ist mit einer Reihe von Vollmachten ausgestattet – u. a. kann er Beobachtermissionen einsetzen. Befugnisse zu Sanktionen fehlen dem 1993 geschaffenen Amt jedoch.

Nicht zuletzt deshalb wurde 1996 der Bürgerrechtspakt über bürgerliche und politische Rechte geschlossen. Alle Unterzeichnerstaaten verpflichten sich darin, regelmäßige Berichte über den Stand der Menschenrechte in ihrem Land an den Ausschuss für Menschenrechte abzugeben. Außerdem kann ein Staat oder ein Bürger, wenn er der Meinung ist, dass ein Land gegen den Bürgerrechtspakt verstößt, Beschwerde einreichen. Allerdings müssen alle betroffenen Staaten die Zuständigkeit des Ausschusses vorab akzeptiert haben.

Wer kämpft für meine Rechte?

Beispielsweise amnesty international (ai). Diese Organisation gilt als erfolgreichste private Instanz im Kampf gegen die Verletzung von Menschenrechten.

Die 1961 als Gefangenenhilfsorganisation gegründete, heute 1,8 Mio. Mitglieder zählende Vereinigung legt jedes Jahr einen Bericht zur Lage der Menschenrechte vor, um auf Folter und Unterdrückung in aller Welt aufmerksam zu machen. Im Jahresbericht 2005 monierte ai Menschenrechtsverletzungen in 149 Staaten. Als regierungsunabhängige Organisation ist ai von dem Verbot, sich in die inneren Angelegenheiten von Staaten einzumischen, nicht betroffen.

Weitere Organisationen sind die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte sowie Human Rights Watch, die 1978 unter dem Namen Helsinki Watch gegründet wurde, um die Umsetzung der KSZE-Schlussakte insbesondere in den Staaten Osteuropas zu untersuchen.

Was steht in der UNO-Deklaration von 1948?

Die 1948 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen (UNO) verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte stellt einen Katalog von bürgerlichen, politischen und sozialen Rechten auf, die den universellen Schutz der Menschenrechte zum Ziel haben. In den 30 Artikeln heißt es u. a.: »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren ... Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand ... Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.«

Konflikte im 21. Jahrhundert: Alte Wunden, neue Fronten

Wie viele Kriege werden auf der Welt geführt?

2005 zählte das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung weltweit 249 Konflikte, darunter zwei Kriege und 22 gewaltsame Konflikte (»ernste Krisen«); die restlichen Auseinandersetzungen wurden weitgehend gewaltlos ausgetragen.

Als Konflikte gelten Interessengegensätze um nationale Werte wie Autonomie oder territoriale Machtaufteilung. Sie müssen einige Zeit dauern, eine bestimmte geografische Ausdehnung haben und zwischen mindestens zwei Parteien (Staaten, Organisationen etc.) ausgetragen werden. Wenigstens eine Staatsmacht muss beteiligt sein.

Finden Kriege immer zwischen Staaten statt?

Nein. Heute überwiegen sogar die innerstaatlichen Auseinandersetzungen. Viele Konfliktforscher bezeichnen diese mittlerweile auch als Kriege, wenn sie von längerer Dauer und großer Intensität sind. Allerdings sind die genauen Definitionen von Krieg, Bürgerkrieg und ernster Krise durchaus strittig.

Das Ziel eines Bürgerkrieges – einer bewaffneten Auseinandersetzung größerer Bevölkerungsteile mit der Staatsmacht – ist die Änderung der Gesellschaftsordnung oder auch nur der Sturz der Regierung. Hinzu kommen ethnische Konflikte, also Auseinandersetzungen zwischen Volksgruppen, z. B. der Konflikt zwischen den Hutu und Tutsi in Ruanda, bei dem 1994 innerhalb von 100 Tagen etwa eine Million Menschen ums Leben kamen.

Wie verlaufen die weltweiten Fronten?

Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts vor eineinhalb Jahrzehnten wurde aus einem bipolaren (zweipoligen) Kräfteverhältnis eine multipolare (mehrpolige) Ordnung mit den USA als einziger Supermacht.

Bis Ende der 1980er Jahre wurden rivalisierende Konfliktparteien in einem Staat häufig von den USA bzw. der Sowjetunion unterstützt, die ihre Einflusssphären sichern wollten. Die Auflösung des Warschauer Pakts machte solchen Stellvertreterkriegen ein Ende. Zugleich kam es nach dem Zusammenbruch der alten Weltordnung in vielen Staaten zu politischer Instabilität; die Tendenz zur Entstaatlichung von Konflikten verstärkte sich.

Wie entstehen Konflikte?

Zu den bekanntesten Theorien darüber zählt die vom »Kampf der Kulturen«: Dem Harvard-Professor Samuel P. Huntington zufolge stellen die mit der Globalisierung zusammenhängende Wanderung (Migration) großer Bevölkerungsgruppen und die Verlagerung von Produktionsstätten den Fortbestand der Nationalstaaten in Frage. Vor allem in der islamischen Welt werde die Globalisierung als Angriff der westlichen Industriestaaten auf Traditionen und Werte betrachtet, was den Fundamentalismus schüre.

Andere Erklärungsansätze stellen die Konkurrenz um knappe Ressourcen wie Wasser in den Vordergrund. Der Verteilungskampf um Rohstoffe wird demnach heftiger werden; manche Wissenschaftler befürchten gar einen Weltkrieg um Rohstoffe.

Was ist der Nahostkonflikt?

Als Nahostkonflikt wird vor allem die spannungsreiche Beziehung des 1948 gegründeten Staates Israel zu seinen arabischen Nachbarn bezeichnet. Im ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina standen sich seit Ende des 19. Jahrhunderts jüdische Einwanderer und Araber gegenüber.

Ab 1964 kämpfte die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) für einen eigenen Palästinenserstaat. Israel hielt das 1967 eroberte, vornehmlich von Palästinensern besiedelte Ost-Jerusalem, Westjordanland und den Gazastreifen besetzt und baute dort zahlreiche jüdische Siedlungen. 1987 begann ein palästinensischer Volksaufstand (Intifada) gegen die Besatzer. 1993 gelang eine gegenseitige Anerkennung von Israel und Palästinensern, 1994 erhielten die Palästinenser unter Führung der PLO eine Teilautonomie, doch Israels Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten bot immer wieder Anlass zu Zusammenstößen. 1999 begann die zweite Intifada.

Terrororganisationen wie die Hamas verübten zahlreiche Selbstmordanschläge. Die Hamas hat sich in den palästinensischen Autonomiegebieten inzwischen auch als politische Partei etabliert und Anfang 2006 die Wahlen gewonnen. Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht.

Was versteht man unter Terrorismus?

Terrorismus ist eine Sammelbezeichnung für politisch oder religiös motivierte Gewalttaten, mit denen radikale und extremistische Ziele durchgesetzt werden sollen.

Zu unterscheiden sind der sog. Staatsterror und der Terrorismus »von unten«. Staatsterror dient Diktatoren zum Machterhalt; die Mittel reichen von Einschränkungen der Freiheitsrechte, Einschüchterungsaktionen und Pressezensur bis zu Folter, Verhaftungen und Mord. Ausführendes Organ der Gewaltherrschaft sind Sicherheits- und Geheimdienste, Polizei, Militär oder paramilitärische Organisationen.

Als Terrorismus im engeren Sinn werden Gewalttaten bezeichnet, die sich gegen die bestehenden Herrschaftsverhältnisse richten. Zum sog. revolutionären Terrorismus zählen alle Gruppierungen, welche die gesellschaftliche und politische Ordnung eines Landes beseitigen wollen. Ziel der Anschläge sind vor allem Repräsentanten und Institutionen des Staats. Der sog. nationale Terrorismus kämpft meist gegen eine Fremdherrschaft im eigenen Land und für nationale Eigenständigkeit.

Lässt sich terroristische Gewalt rechtfertigen?

Die Frage, was als rechtmäßige (legitime) Gewalt gegen eine Besatzungsmacht gelten kann, führt auf ein gefährliches Feld der ideologischen Wertung: Ist die tschetschenische Verteidigung gegen russische Interventionstruppen in den Tschetschenienkriegen (1994–96, ab 1999) gerechtfertigt? Wenn ja, gilt das auch für Anschläge gegen die US-amerikanische und britische Besatzungsmacht im Irak? Wer hat das Recht, mit Gewalt für einen eigenen Staat zu kämpfen: die Kurden im Irak, aber nicht in der Türkei, die Palästinenser im Nahen Osten, aber nicht die Basken in Spanien? Vielen sog. Freiheitskämpfern ist jedes Mittel recht, auch Anschläge gegen zivile Ziele wie Touristenzentren, Verkehrsmittel, Krankenhäuser und belebte Märkte. Von einem legitimen Notwehrrecht gegen Fremdherrschaft kann bei solchen Verstößen gegen das Völkerrecht nicht die Rede sein.

Wann wurde der Terrorismus international?

Um weltweite Öffentlichkeit herzustellen, trugen Terroristen in den 1970er Jahren die Gewalt in unbeteiligte Staaten. So nahmen arabische Terroristen bei den Olympischen Spielen 1972 in München Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln, um in Israel inhaftierte Gesinnungsgenossen freizupressen. Ab den 1990er Jahren verübten islamistische Terrororganisationen Anschläge gegen US-amerikanische Einrichtungen in aller Welt.

Wofür kämpft Al Qaida?

Mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington D. C. wurde deutlich, dass islamische Extremisten nicht mehr nur einzelnen Regierungen, sondern – verkürzt gesagt – der westlichen Zivilisation den Krieg erklärt haben, von der sie sich bevormundet und unterdrückt fühlen. Ihr Ziel ist die Errichtung einer islamisch geprägten Weltordnung. Bei dem schwersten Terroranschlag in der Geschichte der Menschheit starben ca. 3400 Menschen. Die Täter stammten aus den Reihen des Terrornetzwerks Al Qaida um den saudi-arabischen Islamisten Usama bin Laden.

Wie reagierten die USA auf den 11. September?

Die Terroranschläge wurden von den USA als Kriegserklärung gewertet und mit einem sog. Feldzug gegen den Terrorismus beantwortet.

War der Schlag gegen Al Qaida und das sie unterstützende Taliban-Regime in Afghanistan ab Ende 2001 noch von den Vereinten Nationen gedeckt, so handelten die USA und eine »Koalition der Willigen« im Irakkrieg 2003 ohne Rückendeckung der UNO. Befürworter des Irakkriegs betonten, dass nur militärische Stärke Terroristen in ihre Schranken weisen könne; Kritiker befürchten eine Destabilisierung ganzer Regionen.

Übrigens: Bei allen Differenzen ist man sich einig über die Notwendigkeit, den Kampf gegen den Terrorismus zukünftig über staatliche Grenzen hinweg zu führen. Auch zu diesem Zweck schufen die NATO-Staaten und Russland 2002 den sog. NATO-Russland-Rat. Im selben Jahr legte der Europarat verschiedene Leitlinien für den gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terrorismus fest.

Warum wurde der Irakkrieg geführt?

Im März 2003 marschierten Truppen einer Koalition unter Führung der USA in den Irak ein, weil das arabische Land angeblich über Massenvernichtungswaffen verfügte und eine Bedrohung für den Weltfrieden darstellte.

Anfang 2004 mussten der US-amerikanische Präsident George W. Bush und der britische Premierminister Tony Blair eingestehen, dass diese Geheimdienstinformationen falsch waren. Als Kriegsmotive rückten zwei andere Aspekte in den Mittelpunkt: die Sicherung der Energiezufuhr aus der ölreichen Region am Persischen Golf und – als wesentlicher Teil des Kriegs gegen den Terrorismus – ein Regimewechsel im Irak.

Mit der offiziellen Einstellung der Kriegshandlungen im Mai und der Gefangennahme des Diktators Saddam Hussein im Dezember 2003 zeichnete sich jedoch keine Befriedung des Landes ab. Nach wie vor fallen ausländische Soldaten und Iraker Anschlägen zum Opfer.

Worum geht es eigentlich beim Konflikt in ...

Afghanistan? Eine Koalition unter Führung der USA bekämpfte ab 2002 das islamistische Regime der Taliban und die Terrororganisation Al Qaida. Eine internationale, vor allem um die Hauptstadt Kabul stationierte Friedenstruppe (ISAF) soll die Regierung schützen und den Wiederaufbau des Landes überwachen.

der Demokratischen Republik Kongo? Hier kämpften ab Ende der 1990er Jahre Truppen aus Angola, Namibia und Simbabwe gemeinsam mit der Zentralregierung gegen Rebellengruppen, die von Ruanda und Uganda unterstützt wurden. In dem mittlerweile »erkalteten« Konflikt geht es vor allem um die reichen Rohstoffreserven des Landes.

Kaschmir? Einheimische und pakistanische Muslime betreiben seit 1948 die Abspaltung des Bundesstaates von Indien und die Vereinigung mit dem pakistanischen Teil der Himalayaregion.

Tschetschenien? Rebellen versuchen eine Abspaltung der muslimischen Teilrepublik von Russland zu erzwingen. Der gewaltsame Konflikt dauert seit 1991 an.

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