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Wirtschaftspolitik: Welcher Weg ist der richtige?

Was beschreibt das magische Viereck?

Die Ziele der deutschen Konjunkturpolitik, festgelegt im Stabilitätsgesetz von 1967.

Die Konjunkturpolitik strebt erstens einen möglichst hohen Beschäftigungsstand in einer Volkswirtschaft an. Zweitens soll das Preisniveau dank niedriger Inflation stabil bleiben. Drittes Ziel ist ein stetiges Wirtschaftswachstum, als dessen Indikator das Bruttoinlandsprodukt dient. Schwankungen der Konjunktur zwischen wirtschaftlichem Boom und Rezession (Wirtschaftskrise) werden in erster Linie am Wirtschaftswachstum festgemacht. Im Bereich der Außenwirtschaft führen hohe Handelsüberschüsse zwar zu Einnahmen, die aber zu Lasten anderer Staaten gehen und Handelskonflikte nach sich ziehen können. Daher will die Konjunkturpolitik, viertens, ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht erreichen.

Neben diesem sog. magischen Viereck (aus Beschäftigung, Preisniveau, Wachstum und Außenwirtschaft) steht als fünftes Ziel eine gerechte Einkommensverteilung. Im Umweltbereich gilt schließlich als Ziel die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen bei der Produktion, es wird oft als sechstes Ziel der Konjunkturpolitik bezeichnet.

Eine günstige konjunkturelle Entwicklung versucht der Staat u. a. dadurch zu erreichen, dass er die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch Finanz-, Geld- und Währungspolitik beeinflusst und für gute Rahmenbedingungen der Wirtschaft sorgt.

Welche Theorie vertritt der Liberalismus?

Grundannahme des Liberalismus ist, dass sich der Markt am besten entwickelt, wenn der Staat nur die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft schafft. Dazu gehören die Rechtsstaatlichkeit, eine angemessene Infrastruktur und der nationale Schutz. Die Gedanken des Liberalismus entstanden im 18. Jahrhundert und gehen zurück auf den schottischen Nationalökonomen Adam Smith.

Der französische Nationalökonom Jean Baptiste Say (1767–1832) entwickelte zusätzlich das Say'sche Theorem. Danach schafft sich jede Produktion ihre Nachfrage, da sich die Einkommen der Arbeitnehmer erhöhen, was zu einer gesteigerten Nachfrage führe. Angebot und Nachfrage müssten sich in einer Volkswirtschaft daher – abgesehen von kurzfristigen Störungen – die Waage halten.

Arbeitslosigkeit wird den Vertretern des klassischen Liberalismus zufolge »produziert«, wenn durch tariflich erhöhte Einkommen der natürliche Preis der Ware, also der Preis, bei dem sich Angebot und Nachfrage decken, angehoben wird. Dadurch sinkt ihrer Meinung nach die Nachfrage, wodurch wiederum Arbeitsplätze wegfallen. Die Gültigkeit des Say'schen Theorems ist heute jedoch sehr umstritten.

Soll der Staat die Konjunktur lenken?

Darüber gehen die Meinungen auseinander. Der Wirtschaftsliberalismus geht davon aus, dass sich die Märkte weitgehend selbst regeln. Spätestens seit John Maynard Keynes (1883–1946) überwiegt jedoch die Ansicht, dass gelegentlich Eingriffe des Staates erforderlich sind.

Die neue Denkrichtung geht zurück auf die Weltwirtschaftskrise von 1929, die zu einer hohen Arbeitslosigkeit führte. Damit schien die Theorie des Liberalismus widerlegt, dass eine Wirtschaft ihr Gleichgewicht eigenständig halten könne und Arbeitslosigkeit eine hausgemachte Angelegenheit sei. Der britische Wirtschaftspolitiker Keynes schlug daher vor, die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen durch staatliche Investitionen gezielt anzukurbeln. Notfalls sollte der Staat diese Konjunkturprogramme durch die Aufnahme von Krediten finanzieren.

Welche Wirtschaftstheorie formulierte Keynes?

Den nach ihm benannten Keynesianismus, der besagt, dass auf dem Arbeitsmarkt nicht notwendigerweise ein Gleichgewicht herrschen muss. Die Märkte seien nicht so vollkommen, wie der Liberalismus es annehme, und die Selbstheilungskräfte des Marktes nicht ausgeprägt genug. So sei z. B. nicht jedes Angebot mit ausreichender Nachfrage gekoppelt – irgendwann sei der Markt gesättigt. Dadurch würde die Nachfrage weiter sinken und Arbeitslosigkeit auftreten bzw. steigen. Dann fehle vielen Menschen das Geld, und die Nachfrage schwäche sich (weiter) ab.

Wovon geht der Monetarismus aus?

Monetarismus ist Ausdruck einer wirtschaftsliberalen Einstellung und geht davon aus, dass Krisen allein vom Markt überwunden werden können. Eingriffe des Staates würden solche Entwicklungen nur behindern. Der Monetarismus wurde in den 1950er und 1960er Jahren von Milton Friedman (*1912) entwickelt. Der Monetarismus glaubt, dass staatliche Konjunkturprogramme lediglich zu Preiserhöhungen führen.

Welcher Theorie folgte die deutsche Politik?

Nach dem Zweiten Weltkrieg wandte Deutschland wie alle anderen westlichen Staaten zunächst den Keynesianismus bei seinen wirtschaftspolitischen Maßnahmen an. Als das Wirtschaftswachstum in den 1970er Jahren in vielen Industrienationen abflaute und in der Folge die Arbeitslosigkeit und Inflationsrate stiegen, reagierte der Staat mit Konjunkturprogrammen. Durch staatliche Investitionen sollte die allgemeine Nachfrage angekurbelt werden.

In den 1980er Jahren erfolgte in den Industriestaaten unter den Schlagworten Monetarismus oder Angebotspolitik ein Umschwung hin zu einer wirtschaftsliberalen Politik, dem auch Deutschland folgte. Seit den 1990er Jahren vollzog sich eine allmähliche Hinwendung zu einer pragmatischen Politik, die beide Elemente berücksichtigt.

Wo liegen die Probleme der deutschen Wirtschaft?

Hauptproblem ist heute die hohe Arbeitslosigkeit und die langsame Wirtschafts- oder Konjunkturentwicklung, weitaus weniger die Inflationsrate. Schon seit den 1980er Jahren versuchte die Bundesregierung mit verschiedensten staatlichen Eingriffen und Programmen sowohl die Konjunktur anzukurbeln als auch den Beschäftigungsstand zu erhöhen. Das 2006 beschlossene Wirtschaftsprogramm soll z. B. den Unternehmen durch die Senkung der Lohnnebenkosten Anreize zur Neueinstellung von Arbeitskräften geben. Die hohen Lohnnebenkosten führen dazu, dass viele Unternehmen ihre Produktion ins Ausland (»Niedriglohnländer«) verlagern.

Wozu dient Geldpolitik?

Die Geldpolitik der Notenbank, etwa der Europäischen Zentralbank oder der amerikanischen Federal Reserve, ist im Kern darauf gerichtet, die Preise stabil zu halten.

Wenn die Zentralbank (etwa durch Zinssenkungen) die Bedingungen erleichtert, zu denen die Geschäftsbanken Zentralbankgeld aufnehmen können, weiten diese ihr Kreditangebot aus. Dadurch sinken die kurzfristigen Zinsen, was die Bevölkerung dazu bewegt, mehr Geld auszugeben und ihr Vermögen in längerfristige Anlagen umzuschichten. Dadurch gehen auch die Zinsen an den Kapitalmärkten zurück, was die Kosten der Finanzierung von Investitionen in Wirtschaft und Wohnungsbau senkt. Die zusätzliche Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern regt die Produktion an.

Umgekehrt kann z. B. durch eine Serie von Zinserhöhungen die Nachfrage gedämpft werden, um das Wirtschaftswachstum zu bremsen und eine Überhitzung der Konjunktur zu vermeiden.

Übrigens: Nicht immer führen geldpolitische Maßnahmen zum Ziel. Die belebende Wirkung einer Zinssenkung kann z. B. ausbleiben, wenn in der Zukunft weitere Zinssenkungen erwartet werden. Trotz günstiger Bedingungen werden dann Investitionen aufgeschoben, um noch niedrigere Zinsen abzuwarten.

Was ist Außenwirtschaft?

Alle über die nationalen Grenzen hinausreichenden wirtschaftlichen Geschäfte, die in der Zahlungsbilanz eines Landes berücksichtigt werden: Warenhandel, Handel mit Dienstleistungen, unentgeltliche Übertragungen und Kapitalverkehr.

Der Staat greift in die Außenwirtschaft ein, um spezielle, zeitlich eingegrenzte Ziele zu verwirklichen. Dabei können z. B. Einfuhrbeschränkungen für ausländische Güter erlassen werden, um die heimische Wirtschaft zu unterstützen. Im Rahmen der Preispolitik werden ausländische Produkte z. B. durch Einfuhrzölle verteuert, wodurch deren Konkurrenzfähigkeit sinkt (zumeist Schutz vor Billigimporten). Subventionen (etwa durch Steuererleichterungen) an die Produzenten halten zu exportierende nationale Waren wettbewerbsfähig oder sichern bestehende Wettbewerbsvorteile.

Im gemeinsamen europäischen Markt zielt die Außenwirtschaftspolitik vor allem darauf, den Europäischen Binnenmarkt gegenüber anderen Wirtschaftsgemeinschaften zu fördern. Bei der weltweiten Abstimmung der Handelspolitiken spielt die Welthandelsorganisation WTO seit den 1990er Jahren eine zunehmend wichtige Rolle.

Warum ist das magische Viereck magisch?

Die Bezeichnung rührt daher, dass es nahezu utopisch ist, alle Ziele gleichzeitig zu realisieren, z. B. weil eine geringe Arbeitslosigkeit leicht zu einer stärkeren Nachfrage führt, die wiederum bewirken kann, dass die Preise steigen, wenn nicht genügend Produktionskapazitäten vorhanden sind, um die Nachfrage zu befriedigen.

Was ist »Konjunktur«?

Der Begriff bezeichnet die gesamtwirtschaftliche Lage und Entwicklung eines Staates bzw. internationaler Wirtschaftsgruppen. Merkmale der Konjunktur sind der Stand von Arbeitslosigkeit, Inflation, außenwirtschaftlichen Beziehungen, Wirtschaftswachstum, Einkommensverteilung und Umweltbelastung. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Konjunktur jeweils in Zyklen verläuft. Ein Zyklus besteht aus einem Aufschwung und einem Abschwung der Konjunktur.

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Deutschland einen hohen Außenhandelsüberschuss hat? Das heißt, der Gesamtwert der Ausfuhren übertrifft den der Einfuhren. 2005 lag der Überschuss bei 160 Mrd. Euro.

Deutschland über die Hälfte aller Waren in EU-Länder exportiert? Zweitgrößte Zielregion sind die USA (knapp 10 %).

Welche Folgen haben Eingriffe in den Wechselkurs?

Die Herabsetzung des Wechselkurses einer Währung fördert Exporte (die Waren werden im Ausland billiger, der Kaufanreiz steigt) und hemmt Importe (eingeführte Waren werden, gemessen in heimischer Währung, teurer). Die Heraufsetzung des Wechselkurses hat entgegengesetzte Folgen.

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