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Drei Monate Deutschlandticket: Was hat es gebracht?

Seit etwas mehr als drei Monaten können wir für 49 Euro pro Monat den kompletten öffentlichen Nahverkehr Deutschlands nutzen. Das Deutschlandticket soll dazu beitragen, mehr Pendler vom Auto in die Busse und Bahnen zu bringen. Doch ist das tatsächlich gelungen? Und wie sieht die Zukunft des Sparangebots aus?
AMA, 06.09.2023
Blick in die Halle des Bahnhofs Berlin-Alexanderplatz

© IGphotography, GettyImages

Eines der großen Themen im Sommer 2022 war das 9-Euro-Ticket, mit dem sich jeweils einen kompletten Monat lang Busse, Regionalzüge, U-Bahnen und sonstiger ÖPNV nutzen ließen. Über 50 Millionen Mal wurde das extreme Sparticket zwischen Juni und August gekauft. Die Menschen fuhren damit zur Arbeit und auch in den Urlaub. Schnell war klar: Ein Nachfolger muss her. Und seit Mai 2023 ist er schließlich da – in Form des 49 Euro teuren Deutschlandtickets, angeboten als monatlich kündbares Abo-Modell.

Mehr ÖPNV, aber nicht weniger Autos

Die Hoffnungen von Politik und Verbänden waren groß, dass auch das 49-Euro-Ticket mehr Menschen für den öffentlichen Nahverkehr begeistern würde. Aus Sicht von Bundesverkehrsminister Volker Wissing ist das auch gelungen. Er bezeichnete das Ticket erst kürzlich als „bombastischen Erfolg“ und spricht von einer Million Neukunden für den ÖPNV. Auch die Bahn hat bekanntgegeben, dass die Zahl der Fahrgäste in Nahverkehrszügen um 25 Prozent gestiegen ist. Also alles super, oder?

Nicht ganz, wie eine Studie der Technischen Universität München enthüllt. Anhand von Umfragen und per Smartphone-App erhobenen Daten konnte das Forschungsteam zwar bestätigen, dass die Studienteilnehmer den ÖPNV im Schnitt fünf bis sieben Prozent stärker nutzten als zuvor. Doch nicht bei allen nahm damit auch gleichzeitig die Autonutzung ab. Diejenigen, die vorher schon regelmäßig Bahn gefahren waren, ließen ihr Auto nun immerhin sieben Prozent häufiger stehen – trotzdem nicht gerade viel, wie die Forschenden einordnen. Unter denjenigen jedoch, die vor der Einführung des Deutschlandtickets keine ÖPNV-Kunden waren, schränkten nur 20 Prozent ihre Autonutzung ein. 80 Prozent machten hingegen weiter wie bisher.

Hinzu kommt, dass das Ticket bei seiner eigentlichen Hauptzielgruppe – den „Hardcore-Autofahrern“ – ohnehin nicht den erwünschten Anklang gefunden hat. Mobilitätsforscher berichten, dass das Deutschlandticket stattdessen vor allem von jenen nachgefragt wird, die auch vorher schon Bahn gefahren sind – entweder zu teureren Preisen oder nur gelegentlich. Seiner Grundidee, die Menschen von der Straße auf die Schiene zu bewegen, wird das 49-Euro-Ticket also nur zum Teil gerecht.

 

Chipkarte für das Deutschland­ticket, ausgegeben vom Hamburger Verkehrs­verbund
Chipkarte für das Deutschland­ticket, ausgegeben vom Hamburger Verkehrs­verbund

Fahrgastverband ist skeptisch

Auch unabhängig davon stand das Ticket in den vergangenen Monaten immer wieder in der Kritik, unter anderem vom Fahrgastverband Pro Bahn. „Erstmal begrüßen wir natürlich einen Zuwachs an Fahrgästen. Aber darüber hinaus muss auch das Angebot stimmen. Aktuell sehen wir sehr oft, dass Züge viel zu überfüllt sind, sodass das Personal nicht mehr durch die Züge gehen kann. Auch in den Bahnhöfen sind Treppen und Fahrstühle viel zu voll“, beklagt Noah Wand, Pro Bahn-Landesvorsitzender von Rheinland-Pfalz und dem Saarland.

Hinzu komme, dass das Ticket aktuell nur digital verfügbar ist, was ältere Menschen ausschließe. Außerdem lasse es sich nur schwer kündigen. An Pro Bahn wenden sich nach eigener Aussage häufig Menschen, bei denen der Kündigungsvorgang immer wieder mittendrin abgebrochen ist oder von deren Konto auch nach der offiziellen Kündigung trotzdem weiter Geld abgebucht wurde.

Wie geht es jetzt weiter?

Aber selbst wenn alles genauso laufen würde wie geplant, ist aktuell nicht einmal sicher, wie und ob es überhaupt mit dem Deutschlandticket weitergeht. Der Grund: Die Finanzierung des Angebots ist nur bis Ende 2023 vollständig geklärt. Bund und Länder teilen sich noch bis Jahresende alle anfallenden Kosten je zur Hälfte auf. Ab 2024 jedoch beteiligt sich der Bund nur noch an den Grund-, nicht mehr aber an den inflationsbedingten Mehrkosten und würde die Länder damit übermäßig belasten.

Mobilitätsexperten gehen zwar davon aus, dass sich Bund und Länder zumindest bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode irgendwie zusammenraufen werden – allein schon, weil das 49-Euro-Ticket der Regierung viele Sympathiepunkte einbringt. Doch es kann gut sein, dass sich der Preis für das Ticket in den kommenden Jahren deutlich erhöhen wird. Und das, obwohl Branchenexperten den aktuellen Preis schon als zu unattraktiv und teuer empfinden.

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