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Raus aus dem Reaktor, rein in den Tank – so entstehen E-Fuels

Bald soll das Verbrenner-Aus für Fahrzeuge kommen. Damit Autofahrer auch danach noch in ihrem heißgeliebten Porsche, BMW oder auch Mercedes über die Autobahn düsen können, forschen Wissenschaftler seit Jahren an klimaneutralen Alternativen zu Benzin und Co. – sogenannten E-Fuels. Aber wie werden diese eigentlich hergestellt? Und sind die synthetischen Kraftstoffe überhaupt nachhaltig?
THE, 16.02.2024
Symbolbild E-Fuels

© privetik, iStock

Um die Klimaschutzziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und so den Temperaturanstieg infolge des Klimawandels unter 1,5 Celsius zu halten, müssen fossile Energieträger wie Kohle oder Erdgas langfristig durch regenerative ersetzt werden. Das hat auch Folgen für unsere Fortbewegungsmittel: Autos müssen ohne Diesel oder Benzin auskommen, Flugzeuge ohne Kerosin fliegen und Schiffe ohne Schweröl über das Wasser fahren.

Wenn es aber klimaneutrale Kraftstoffe gäbe, könnte man weiterhin umweltfreundlich und ohne schlechtes Gewissen mit dem Auto zur Arbeit fahren oder auf die Malediven fliegen. Um diesen Traum zu verwirklichen, forschen Wissenschaftler an der E-Fuel Produktion, doch bis sich diese im großen Stil im Luft- oder Schiffsverkehr einsetzen lassen, ist der Weg noch weit. Derzeit lässt sich nicht mal einen Bruchteil der weltweit benötigten Kraftstoffmengen nachhaltig erzeugen. Der Grund hierfür ist vor allem der komplizierte Herstellungsprozess.

Die Zutaten der E-Fuels

Um E-Fuels herzustellen, benötigt man drei Hauptzutaten: Strom, Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid. Wie bei einem Kuchen, der am Ende zuckerarm sein soll, müssen auch die Basiszutaten von E-Fuels möglichst emissionsarm erzeugt werden. Ein etabliertes Verfahren zur Herstellung von nachhaltigem – sogenanntem grünen – Wasserstoff ist die Elektrolyse. Dabei wird das Wasser durch Einsatz von Strom elektrochemisch in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Der Strom hierfür stammt aus erneuerbaren Energiequellen wie Solarenergie oder Windkraft.

Die zweite Zutat ist CO2. Dieses lässt sich beispielsweise aus den Abgasen von Industrieprozessen abscheiden, bevor diese aus dem Schornstein in die Atmosphäre entweichen. Das hat den doppelten Vorteil, dass die CO2-Emissionen des Kraftwerks oder der Fabrik sinken, während man Kohlendioxid für die E-Fuel-Produktion gewinnt. Alternativ lässt sich CO2 auch im Direct-Air-Capture-Verfahren direkt aus der Umgebungsluft filtern. Hierfür nutzt man einen Absorber, der CO2 aus der Luft an sich bindet und erst bei Temperaturen weit über der Umgebungstemperatur wieder abgibt. Dieses Verfahren ist allerdings noch sehr energieintensiv und ineffizient.

M100 Demonstration GTL Plant in Wharton, Texas
Mobile Fischer-Tropsch-Demonstrationsanlage zur Verarbeitung von etwa 28.000 Kubikmeter Erd- und Begleitgas pro Tag zu synthetischem Öl.

Alte Prozesse neu gedacht

Anschließend können die beiden Basiszutaten Wasserstoff und CO2 im sogenannten Fischer-Tropsch-Verfahren zu E-Benzin, E-Kerosin oder E-Schweröl weiterverarbeitet werden. Doch um dieses schon seit fast hundert Jahren bekannte Verfahren durchzuführen, benötigt man Kohlenstoffmonoxid. Dieses farb- und geruchlose Gas entsteht, indem der elektrolytisch hergestellte Wasserstoff und das gefilterte CO2 bei hohen Temperaturen und hohem Druck in einem abgegrenzten Raum zusammenkommen: Die Gase reagieren, heraus kommt ein Gemisch aus Wasser(dampf) und Kohlenstoffmonoxid.

Anschließend sollen Kohlenmonoxid und Wasserstoff reagieren: Die Gase spalten sich auf und die Kohlenstoffatome binden sich aneinander – so entstehen Kohlenstoff-Kohlenstoff-Ketten. Eine komplexe Abfolge von Reaktionen führt dann zur schrittweisen Verlängerung dieser Ketten und es entsteht ein Gemisch unterschiedlich langer ketten- und ringförmiger Kohlenwasserstoffe. Dieses Gemisch ist ein synthetisches Rohöl, dessen fossile Variante den Grundbaustein zur Herstellung von Benzin oder Diesel darstellt.

Vom Alkohol zum Kraftstoff

Es gibt noch weitere Verfahren zur Herstellung von E-Fuels: Eines funktioniert über die Aufbereitung von Methanol. Dieser einfache Alkohol, der in Kleinstmengen auch in Spirituosen wie Obst- oder Kartoffelbrand enthalten ist, findet auch häufig Anwendung in der Industrie – beispielsweise als Lösungsmittel für Lacke und Farbstoffe. Doch während konventionelle Produktionsanlagen für Methanol üblicherweise Erdgas oder Kohle als Ausgangsstoff verwenden, gibt es auch alternative, nachhaltige Wege, den einfachsten aller Alkohole zu produzieren. Und zwar ebenfalls aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid.

Auch hier wird das Gasgemisch unter hohem Druck und bei hohen Temperaturen zur Reaktion gebracht. Da andere Betriebsbedingungen herrschen, als bei der Fischer-Tropsch-Synthese, entsteht in diesem Fall eine Flüssigkeit, die aus etwa drei Vierteln Methanol und einem Viertel Wasser besteht. Um den kurzkettigen Alkohol abzutrennen und zu reinigen, wird das Wasser-Methanol-Gemisch destilliert. Das synthetisierte Methanol kann dann in E-Diesel oder E-Kerosin weiterverarbeitet werden.

Power-to-X-Atlas des Fraunhofer IEE
Der Power-to-X-Atlas des Fraunhofer IEE zeigt, welche Regionen der Welt gute Bedingungen für die Produktion von grünem Wasserstoff sowie regenerativ erzeugten synthetischen Kraft- und Brennstoffen bieten. Deutschland zählt leider nicht dazu.

Stromhungrige Produktion

Doch auch wenn E-Fuels oft als nachhaltigere Alternative zu fossilen Energieträgern beworben werden: Die synthetischen Kraftstoffe können auch zur Zerstörung der Umwelt und zur Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre beitragen. Der Grund: Der Herstellungsprozess braucht sehr viel Strom. Um beispielsweise den etwa 300 Kilometer weiten Weg von Berlin nach Hamburg mit dem Auto zurückzulegen, verbrennt man um die 18 Liter E-Diesel. Für die Produktion dieser Menge E-Kraftstoff würden rund 500 Kilowattstunden Strom benötigt – das ist mehr als der durchschnittliche monatliche Stromverbrauch eines Zwei-Personen-Haushalts.

Grüner Strom aus Solarzellen oder Windrädern ist aber derzeit noch zu knapp. Selbst ohne die stromfressende Produktion von E-Fuels deckten Erneuerbare Energien in Deutschland im Jahr 2023 erst knapp 50 Prozent des nationalen Gesamtstromverbrauchs. Dazu kommt, dass in jedem der Herstellungsschritte etwas Energie verloren geht – insgesamt „verpuffen“ so bei dem aktuellen technischen Stand fast 85 Prozent der eingesetzten Energie. Auch deshalb ist die direkte Nutzung von „grünem“ Strom oft effizienter als die Verwendung des Stroms für E-Fuels. Würde man diese trotzdem produzieren, müsste der benötigte Strom womöglich doch aus Kohle- oder Gaskraftwerken kommen – die Herstellung der angeblich klimaneutralen Kraftstoffe würde dem Klima dann eher schaden als nutzen.

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