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Roboter: Zwischen Sci-Fi-Androiden und KI

Ein Roboter kann so klein sein wie eine Tablette oder so groß wie ein Auto, er kann einem Menschen ähneln oder einer Maschine: Wie ein Roboter aussieht und was er kann, hängt stark davon ab, welchem Zweck er dient. Es ist daher keineswegs immer die beste Lösung, einen Roboter möglichst menschenähnlich zu machen, erklären uns Robotik-Experten. Wann sind humanoide Roboter sinnvoll? Und wie kann ihnen künstliche Intelligenz helfen?
NPO / Technische Universität München, 19.06.2023
Serviceroboter beim Saftausschank

© sompong_tom, GettyImages

Ob in der Gastronomie, der Pflege oder im Einzelhandel: Der Fachkräftemangel ist im Alltag angekommen. Was läge hier näher, als einem Roboter einen Teil dieser Arbeiten zu übertragen? Beispiel Restaurant: Ein Roboter steht hinter dem Tresen, beobachtet neue Kunden, läuft zum Tisch, wenn jemand bestellen will, nimmt die Bestellung auf und gibt sie weiter. Er serviert Essen und Getränke, hält einen kleinen Plausch und kassiert.

Doch so praktisch dieses Szenario auf den ersten Blick scheint – für den Robotikforscher Daniel Rixen von der Technischen Universität München ist es nicht optimal. „Wollen wir wirklich einen Roboter haben, der wie ein Mensch aussieht, oder eher eine wie auch immer geartete Maschine, die die Funktionalität des Menschen ersetzt oder besser macht?“, fragt Rixen.  Wenn wir uns von der Vorstellung eines menschenähnlichen Roboters lösen, könnte das Zusammenspiel von Robotik und KI in vielen Anwendungsszenarien weit effizienter aussehen, erklärt der Robotik-Experte.

Im Restaurant könnten Kameras die Menschen beobachten, erkennen, wenn Kunden einen Wunsch haben und über ein im Tisch integriertes Mikrofon bestellen. Und: Müssen die Getränke und das Essen wirklich durch einen humanoiden Roboter an den Tisch gebracht werden? „Das könnten ja auch Roboterarme machen, die von oben den Sekt und von der Seite das Steak auf den Tisch stellen“, meint Rixen.

Robo-Kellner in einem Restaurant
Müssen die Getränke und das Essen wirklich durch einen humanoiden Roboter an den Tisch gebracht werden?

© PhonlamaiPhoto, GettyImages

Muss ein Roboter laufen können?

Und schon damit deutet sich an: Wie ein Roboter aussieht, kann eine Rolle spielen, muss es aber nicht. Von Nanorobotern über Drohnen, selbstfahrende Autos bis hin zu Roboterarmen reicht das Spektrum. „Form follows function“ gilt nicht nur im Design, sondern auch in der Robotik. Rixen, der unter anderem am humanoiden Roboter Lola forscht, weiß, was es bedeutet, einem zweibeinigen Roboter das Laufen beizubringen, besonders auf unebenem Grund. Sollen noch dazu Gläser transportiert werden, die nicht überschwappen dürfen, steigen die Anforderungen an einen humanoiden Ober im Restaurant weiter.

„Lola wurde vor fünfzehn Jahren als steife Maschine gebaut, die sich präzise regeln lässt“, erläutert Rixen. „Heute wissen wir, dass mehr Flexibilität und Nachgiebigkeit in den Gelenken wichtig ist. Wenn Lola stolpert, kann man weniger als sieben Mal pro Sekunde effizient nachregeln“, so der Robotikforscher. Konkret nutzen Algorithmen Bewegungsmessungen im Brustbereich des Laufroboters "Lola", um seine Motoren und Gelenke zu steuern.

Doch im Vergleich dazu spielt der in Jahrmillionen entwickelte Mensch noch immer in einer anderen Liga. Die "Muskeln" eines Roboters so effizient zu machen wie die eines Menschen sei eine Art heiliger Gral der Robotik. Denn menschliche Sehnen können wegen ihrer Elastizität Energie speichern und später wieder freisetzen. Durch diese Fähigkeit gibt beispielsweise die Achillessehne einen wichtigen Impuls für das Gehen des Menschen und macht unser Laufen besonders energieeffizient. Wollte man einem humanoiden Roboter diese Fähigkeit verleihen, müsste man ihm mechanische Federn in die Gelenke einbauen und diese noch dazu gezielt steuern.

Androider Roboter beim Gitarrespeilen
Wie ein Roboter aussieht, kann eine Rolle spielen, muss es aber nicht.

© PhonlamaiPhoto, GettyImages

Wie humanoid sollte ein Roboter sein?

„Der humanoide Roboter ist ein Forschungsideal“, erklärt Robotik-Forscher Alin Albu-Schaeffer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der TU München. Seiner Ansicht nach hängt es von der Aufgabe und dem Einsatzzweck eines Roboters ab, ob er humanoid sein sollte oder nicht. „Je menschlicher die Umgebung eines Roboters und je vielfältiger seine Aufgaben sein müssen, umso wichtiger ist, dass er humanoid ist“, erklärt der Forscher. Gleichzeitig sollte der Roboter bei dem, was er tut, einen echten Vorteil bieten: „Er muss es schaffen, etwas besser zu sein als der Mensch – etwa schneller zu laufen, präzisere Handgriffe zu machen oder zu fliegen.“

Eine andere Robotervariante, an der zurzeit viele Wissenschaftler arbeiten, sind sogenannte Cobots: Der neue Ansatz der „kollaborierenden Roboter“ kam vor etwa zehn Jahren auf und hat einen Roboter im Fokus, der sich an der Größe, Kraft und Geschwindigkeit des Menschen orientiert und der eng mit dem Menschen zusammenarbeiten kann. Cobot-Roboterarme wie etwa von den Firmen Franka Emika oder Kuka lernen beispielsweise komplexe Aufgaben, die später in Fabriken zum Einsatz kommen und dort den menschlichen Mitarbeitern die Arbeit erleichtern. Ein anderer Einsatzzweck solcher Assistenzsysteme wären Pflegeroboter.

Fertigung elektronischer Bauteile mit Cobot-Unterstützung
Cobots arbeiten mit Menschen zusammen und sind nicht wie typische Industrieroboter durch Schutzeinrichtungen von diesen getrennt.

© JIRAROJ PRADITCHAROENKUL, GettyImage

Lernfähigkeit und "Intelligenz" sind gefragt

Allerdings müssen Roboter lernfähig und flexibel sei, um ihre komplexen Aufgaben zu erfüllen und optimal mit dem Meschen zu interagieren. Der ideale Roboter wird sich in komplexen Umgebungen bewegen und selbst die Planung übernehmen. Er braucht nicht von Hand programmiert zu werden, ist lern- und anpassungsfähig. Hier kommen der Robotik die rasanten Fortschritte in der künstlichen Intelligenz zugute: KI-Systeme wie ChatGPT demonstrieren, wie rasant sich die künstliche Intelligenz entwickelt hat. Solche Systeme können Sprache und Bilder verstehen, auf Ansprache reagieren und ihre eigenen Fertigkeiten im Laufe der Zeit optimieren.

Angenommen, ein Roboter müsste in einem Gebäude selbständig einen bestimmten Raum auf einer definierten Etage finden. „Wenn ein Programmierer nicht alle Details auf dem Weg kennt, kann er das auch nicht vorher programmieren“, sagt die KI-Expertin Angela Schoellig von der TU München. Der Roboter muss sich dann alleine zurechtfinden, Fähigkeiten erlernen, um den Aufzug zu erkennen, den Knopf zur richtigen Etage zu drücken, zu wissen, welchen Flur er nehmen und welche Tür er aufmachen muss. Viele einzelne Fähigkeiten gehören dazu – Gegenstände erkennen, nicht zu fest den Knopf im Aufzug drücken, Hindernissen ausweichen, bei Bedarf sogar nach dem Weg zu fragen.

Können ChatGPT und Co der Robotik helfen?

Anders als ChatGPT müssen solche Roboter aber die Lernfähigkeit einer künstlichen Intelligenz mit der Kontrolle ihres physischen Körpers verbinden. „KI muss mit der physischen Welt interagieren, da reicht es nicht aus, ‚nur‘ quatschen zu können“, sagt Albu-Schaeffer. Würde man ChatGPT in das "Gehirn" eines Roboters einsetzen, würde das dem Roboter daher nur wenig helfen. Denn das KI-System hat nie gelernt, die Bewegungen eines realen Körpers oder Roboterarms zu steuern. Auch die über Robotersensoren einlaufenden Informationen könnte ChatGPT nicht verarbeiten.

Die besondere Herausforderung für die Robotik liegt zudem in der Vielfalt der Systeme: Weil Roboter aktuell noch sehr unterschiedliche Machine-Learning-Modelle und Sensoren einsetzen, ist es schwer, Erkenntnisse zu übertragen und etwa via Cloud allen anderen Robotern zur Verfügung zu stellen. Bis ein Roboterarm oder ein humanoider Roboter ähnlich intelligent agieren kann wie ChatGPT und Co, wird es daher noch einige Zeit dauern.

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