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Wie gefährlich sind E-Scooter-Fahrten?
Nur wenige Klicks auf dem Smartphone und schon flitzt man auf dem E-Scooter durch die Stadt: Das ist schnell, effizient und oft bequemer als das Warten auf den nächsten Bus. Doch die batteriebetriebenen Roller erinnern nicht nur an den Tretroller-Spaß aus der Kindheit, sondern sie können auch gefährlich werden – vor allem wenn man ohne Helm unterwegs ist. Um die von den flinken Transportmitteln ausgehende Unfallgefahr besser abschätzen zu können, werden E-Scooter-Unfälle mit Schwerverletzten seit 2020 im Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie erfasst. Forschende der Technischen Universität München haben diese Daten nun erstmals ausgewertet.
Wie gefährlich sind E-Scooter?
Das Ergebnis: In den ersten drei Jahren seit Beginn der Erfassung haben sich 538 Menschen bei E-Scooter-Unfällen schwer verletzt. Mehr als 80 Prozent von ihnen mussten auf der Intensivstation behandelt werden, 26 Personen starben sogar an ihren Verletzungen. Wie das Forschungsteam berichtet, erlitt rund ein Fünftel der Verletzten eine Blutung zwischen der mittleren und der inneren Hirnhaut. Auf Platz zwei der häufigsten Verletzungen landen Schädelbasisbrüche und auf Platz drei Brüche von drei oder mehr Rippen.
Insgesamt betreffen acht der zehn häufigsten Verletzungen allerdings Kopf oder Gesicht der Fahrer. Das liegt unter anderem daran, dass E-Scooter bei einem Aufprall schnell wie ein Hebel wirken und den Fahrer regelrecht in die Luft katapultieren können. „Abhängig von der Geschwindigkeit kann der Sturz eine Weite von zwei bis fünf Metern erreichen“, schreiben die Münchner Forschenden. Zwar sterben pro Jahr insgesamt mehr Fahrrad- als E-Scooter-Fahrer, aber Studien deuten darauf hin, dass Letztere ein viermal höheres Unfallrisiko pro gefahrenem Kilometer haben.
Wer verunfallt am häufigsten?
Anhand der Begleitdaten zu den erfassten Unfällen konnte das Forschungsteam auch ermitteln, unter welchen Umständen die meisten schweren E-Scooter-Unfälle passieren. Am häufigsten kommt es demnach in den Sommermonaten zu Crashs. Rund die Hälfte der Unfälle ereignet sich außerdem am Wochenende, häufig zwischen 18 Uhr abends und 6 Uhr morgens. E-Scooter-Fahrer verunfallen dementsprechend eher seltener auf dem Arbeitsweg, sondern eher auf dem Weg zu oder von Partys und Treffen mit Freunden. Es verwundert daher nicht, dass fast zwei Drittel der schwerverletzten E-Scooter-Fahrer zum Zeitpunkt des Unfalls Alkohol im Blut hatten, ein Drittel davon sogar über dem gesetzlichen Grenzwert.
Doch wer neigt am ehesten zu Unfällen mit dem E-Scooter? Wie das Forschungsteam herausgefunden hat, betrug das Durchschnittsalter der Betroffenen 44,3 Jahre und gut 78 Prozent von ihnen waren männlich. Damit sind entgegen gängiger Annahmen keineswegs nur Jugendliche oder junge Erwachsenen besonders gewagt mit dem E-Tretroller unterwegs. Stattdessen sind es häufig auch Männer im mittleren und höheren Alter. Bei vergleichbar schweren Unfällen mit Fahrrädern liegt der Altersdurchschnitt mit 54,5 Jahren allerdings noch rund zehn Jahre höher. Der Männeranteil ist mit 72 Prozent dagegen vergleichbar hoch.
Was lässt sich gegen die Unfälle tun?
Doch unabhängig davon, wer besonders häufig zum Unfallopfer wird: „Die Zahl der schweren Verletzungen nach E-Scooter-Unfällen müsste nicht so hoch sein“, sagt Mitautor Frederik Hartz. Erhebliche Abhilfe könnte bereits das Tragen eines Helms schaffen. Eine Helmpflicht gibt es zwar derzeit weder für Fahrrad- noch für E-Scooter-Fahrer, doch der Nutzen des Kopfschutzes ist bewiesen: Seit in einigen australischen Regionen eine Helmpflicht für E-Scooter-Fahrer eingeführt wurde, kommt es dort zu weniger Verletzungen.
Auch abseits von Schutzausrüstung gäbe es Wege, das Verletzungsrisiko auf E-Scooter-Fahrten zu verringern. „Für mehr Verkehrssicherheit wäre es sinnvoll, die Verfügbarkeit der Scooter nachts und an Unfallhotspots zu reduzieren und die Höchstgeschwindigkeit ab einer bestimmten Uhrzeit zu drosseln“, schlägt Forschungsgruppenleiter Michael Zyskowski vor. Letzteres ist unter anderem bereits in der finnischen Hauptstadt Helsinki geschehen. Dort wurde die Höchstgeschwindigkeit für E-Scooter nachts von 25 auf 15 Kilometer pro Stunde gesenkt. In Deutschland beträgt die zugelassene Höchstgeschwindigkeit rund um die Uhr 20 Kilometer pro Stunde.
„Außerdem könnte man Reaktionstests zu einem festen Teil des Ausleihprozesses machen, um Alkoholfahrten zu minimieren“, so Zyskowski weiter. Und: „Durch Prävention können wir viel erreichen. Das beginnt mit gezielter Aufklärungsarbeit über die Folgen von schweren Kopfverletzungen für die Risikogruppen.“ In diesem Sinne: Fahrt vorsichtig.