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Hinschauen und melden: Wie sich Mitarbeiter für die technische Sicherheit von Maschinen sensibilisieren lassen

Bei einer überwältigenden Mehrheit von Schäden und Unfällen in Unternehmen lässt sich menschliches Fehlverhalten zumindest anteilig als Verursacher ausmachen. Häufig geschieht das aus mangelndem Sicherheits- oder Gefahrenbewusstsein. Sensibilisierung ist ein wichtiges Mittel dagegen.
Nattakorn Maneerat
Keine Brille, kein Gehörschutz und ein sichtlich schlechter Maschinenzustand: Derartige Dinge sind stets ein Nachweis für eine nicht ausreichende Mitarbeitersensibilisierung – und daher äußerst risikant.

© Nattakorn Maneerat, Gettyimages

Die Sicherheit von Maschinen ist aus gleich mehreren Gründen ein zentrales Thema in jedem Betrieb. Denn Maschinen sind für das operative Geschäft unverzichtbare und ihrerseits häufig sehr kostspielige Assets – womit der finanzielle Aspekt abgedeckt wäre.

Weiter sind Sicherheit bzw. Arbeitsunfälle extrem relevant innerhalb der verschiedenen Regularien, die jeder Betrieb zu erfüllen hat – damit wäre eine rechtliche Komponente gegeben.

Last, but not least, spielt hier der Mensch eine zentrale Rolle. Er muss mit der Maschine arbeiten, muss sie gegebenenfalls warten; sein Arbeitsplatz hängt ebenso an ihrer Funktionssicherheit wie es seine Gesundheit tut – wodurch hier ein menschlich-moralischer Faktor ins Spiel kommt.

Aufmerksame erkennen es bereits: Bei all diesen Themenkomplexen steht der Mensch ebenso im Mittelpunkt wie die Maschine. Er muss sie richtig bedienen können, muss sich korrekt verhalten und Abweichungen vom Normalzustand richtig deuten.

Bloß: Selbst, wenn es unter anderem durch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) sowie diverse Berufsgenossenschaften zahlreiche Vorgaben gibt, so genügen diese in der Praxis jedoch nicht immer, um eine vollständige Sensibilisierung durchzuführen. Was also tun?

1. Eine persönliche Verbindung schaffen

Unter anderem rund um Maschinen ergeht aus den DGUV-Regularien eine umfassende Unterweisungspflicht – sowohl bei Neueinstellungen als auch Tätigkeitswechseln und nicht zuletzt bei der Einführung neuer Maschinen.

Das Problem bei vielen solcher Unterweisungen: sie sind unpersönlich. Rings um die Maschine wird zwar vieles beschrieben, häufig wird dabei jedoch sehr unpersönlich gesprochen oder geschrieben:

„Trennt man die Maschine vor dem Sägebandwechsel
nicht vom Strom, kann man sich verletzen…“

„Der Wasserstrahl kann bei einem Menschen
schwerste Verletzungen hervorrufen…“

Solche Sprache mag zwar neutral sein. Sie verhindert jedoch, dass sich diejenigen, die mit der Maschine arbeiten, persönlich involviert fühlen. Um Mitarbeiter zu sensibilisieren ist es jedoch nötig, in ihrem Kopf Szenarien entstehen zu lassen, mit denen sie sich ganz persönlich identifizieren: Sie können sich verletzen; deine Gesundheit wird Schaden nehmen; du wirst bei Fehlverhalten im Krankenhaus liegen; ihr werdet den teuren Produktionsausfall verursacht haben.

Das mag harsch klingen. Aber nur so wird jeder Mitarbeiter die Folgen von Fehlverhalten bildlich vor dem inneren Auge haben. Ein „man“ kann aufgrund menschlicher Denkmuster immer jemand anderes sein; das schafft Distanz. Ein „du“ oder „sie“ lässt hingegen keine gedanklichen Ausweichmanöver zu.

2. Informationen alltäglich sichtbar machen

Warum findet sich der nächste HU-Termin eines Autos auf dem hinteren Kennzeichen und nicht nur im Fahrzeugschein? Unter anderem, weil er dort im Alltag für den Halter deutlich sichtbarer ist als das Datum in den Papieren – die höchstens bei einer Verkehrskontrolle hervorgeholt werden.

Ganz ähnlich verhält es sich bei Maschinen. Prüftermine, Wartungsintervalle, aber auch wichtige Verhaltensregeln nützen deutlich weniger, wenn sie nur in irgendwelchen Unterlagen festgehalten werden.

Es gibt allein in Sachen Prüfplaketten verschiedenste Optionen für jede Maschine. Darunter solche, die über die DGUV-Pflichten hinausgehen und sogar individuell gestaltbar sind. Sie sollten nicht nur allgemein umfassend genutzt werden. Sie sollten darüber hinaus auch mit Sinn und Verstand angebracht werden.

Wer etwa, um den nächsten Prüftermin zu finden, hinter eine schwere Industriestanzmaschine treten oder bei einer Bandsäge eine Klappe öffnen muss, hat diese Daten nicht dauernd im Blick. Je nach Maschine gilt das sogar, wenn die Informationen lediglich deutlich außerhalb der bei der Bedienung typischen Blickwinkel liegen.

Bedeutet: Um Mitarbeiter zu sensibilisieren, müssen relevante Informationen dort angebracht sein, wo sie täglich automatisch gesehen werden, ohne dass persönliches Wohlverhalten notwendig ist.

3. Den finanziellen Aspekt sichtbar machen und darüber persönliche Verantwortung herstellen

Ein Mitarbeiter stellt sein Wissen und seine Arbeitskraft zur Verfügung und erhält dafür im Gegenzug ein regelmäßiges Gehalt – das grundsätzliche Prinzip von Lohnarbeit. Leider ist jedoch in den Köpfen vieler Angestellter nicht präsent, wie sehr ihr eigenes Verhalten mit darüber entscheidet, wie es um ihr Gehalt und sogar die Arbeitsplatzsicherheit bestellt ist.

Zwar mag der Arbeitgeber eine Maschine anschaffen und bezahlen. Ihre Bediener sind jedoch dafür verantwortlich, wie rasch sich die Maschine amortisiert und welche weiteren Kosten sie verursacht.

Just das sollte unbedingt sichtbar gemacht werden. Konkret:

  • Der Preis einer Maschine.
  • Der Umsatz, der durch ihren Betrieb erwirtschaftet wird.
  • Der Anteil dieser Summe an den Gehältern der Mitarbeiter.
  • Die Kosten von Wartungen, insbesondere im Vergleich mit Reparaturen bzw. Ausfällen.

Im Kern geht es darum, jedem Mitarbeiter deutlich zu vermitteln, wie sehr sein Kontostand von einem tagtäglichen pfleglichen und bestimmungsgemäßen Umgang mit der Maschine abhängt.

Sie muss in den Köpfen aller, die mit ihr arbeiten, vereinfacht gesprochen, wie ein wichtiger Kollege betrachtet werden – nicht nur wie etwas, das ein mitunter anonymer Konzern zur Verfügung stellt. Die Kernaussage: „Wenn die Maschine gut läuft, habt ihr weniger Arbeit und gleichzeitig mehr Geld und obendrein ein verringertes Risiko für Ärger, Stress und Verletzungen“.

4. Gefahren nicht abstrahieren und verharmlosen

Mit diesem vierten Kapitel schließt sich der Kreis zum ersten Punkt dieses Texts. Dort wurden mit Absicht typische vage Beschreibungen genutzt: „kann verursachen“, „Verletzungen“. Derartige Formulierungen lassen viel Interpretationsspielraum – und meist tendiert das menschliche Gehirn aufgrund seiner Denkweise nicht nur dazu, dabei „andere“ zu sehen, sondern ebenso vom Best Case auszugehen:

  • „Das passiert nur anderen.“
  • „Es muss schon viel schiefgehen, damit es passiert.“
  • „Dazu muss man sich aber schon sehr dumm anstellen.“
  • „Hat bislang immer funktioniert.“
  • „Wird schon nicht so schlimm werden.“
  • „Ja, kann passieren – muss aber nicht.“

In der Folge werden Wahrscheinlichkeiten, eigenes Risiko sowie Gefahren als viel zu niedrig angesehen. Das wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit für deren Eintritt.

Was also tun? Ganz einfach: Konkret, detailliert, realistisch und persönlich sein:

„Kein Schalter ist hundertprozentig sicher. Sollten Sie die Säge vor dem Wechsel des Sägebandes nicht von der Stromversorgung trennen, kann sie deshalb anlaufen. In dem Fall werden ihre Finger zumindest sehr tief eingeschnitten, mitunter sogar abgetrennt. Zum Reagieren bleibt aufgrund der Anlaufgeschwindigkeit definitiv keine Zeit.“

Dies mag sowohl überspitzt als auch übertrieben blutig klingen. Tatsächlich ist es jedoch nur die realistische Beschreibung der Gefahren im Umgang mit einer handelsüblichen Bandsäge.

Merke: Nur wenn Mitarbeiter im Detail darüber informiert sind, was wirklich passiert, haben sie keinen Interpretationsspielraum, der eine Verharmlosung zulässt.

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