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Kriegen wir bei der Energiewende noch die Kurve?
Eine Million Fußballfelder und halb Schleswig-Holstein. So viel Fläche müsste man mit Solaranlagen bebauen, um Deutschland allein mithilfe der Sonnenenergie mit Strom zu versorgen. Alternativ müssen andere erneuerbare Energien wie die Windenergie ordentlich zulegen, damit wir für unsere Energieversorgung auf fossile Brennstoffe wie Kohle, Gas und Öl verzichten können. An diesem Punkt sind wir zwar noch lange nicht angekommen, doch der Anteil an Strom aus Sonnen- und Windenergie wächst Jahr für Jahr.
Wie weit ist Deutschland von der Zielgeraden entfernt?
Um die Energiewende voranzubringen und auf erneuerbare Energien umzustellen, hat sich die Bundesregierung konkrete Ziele gesetzt: Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen, bis 2045 sollen es 100 Prozent sein. Dafür muss sich der Anteil des erneuerbaren Stroms in weniger als zehn Jahren allerdings fast verdoppeln. Das klingt zwar ambitioniert, doch wir sind näher am Ziel als gedacht. Im Jahr 2023 haben Windkrafträder, Solaranlagen und Co. schon fast 60 Prozent des Stroms in Deutschland erzeugt – das ist ein neuer Rekord. Den größten Anteil daran hatten vor allem Wind- und Solarstrom: Während Windkraft knapp ein Drittel zur öffentlichen Stromerzeugung beigetragen hat – und damit 14,1 Prozent mehr als im Vorjahr – haben Solaranlagen immerhin zwölf Prozent des Stromverbrauchs abgedeckt. Das ergibt eine Auswertung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme.
2023: Solar triumphiert, Wind bleibt auf der Strecke
Es war aber nicht alles gut in 2023. Zwar erzeugten erneuerbare Energien mehr Strom als in den Vorjahren, doch der Ausbau neuer Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien hat die Erwartungen nicht immer erfüllt. Gerade die Windkraft schwächelte: In 2023 sollten eigentlich Windkrafträder mit insgesamt 4,7 Gigawatt Leistung neu gebaut werden, am Ende wurden es nur knapp drei Gigawatt. Als Ursachen gelten unter anderem die langwierige Bürokratie und hohe Hürden für die Genehmigung neuer Anlagen – beispielsweise müssen bestimmte Mindestabstände zu Siedlungen und Häusern eingehalten werden. Auch der Artenschutz schränkt die potenziellen Standorte für neue Windanlagen stark ein. Erschwerend kamen vor allem im letzten Jahr die teuren Rohstoff- und Energiepreise und ein Mangel an Fachkräften hinzu. Im nächsten Jahr sind zwar mehr zusätzliche Windkraftwerke geplant, doch die Ziellinie für Ende 2024 wird laut Prognose trotzdem verfehlt, wahrscheinlich um etwa drei Gigawatt.
Glücklicherweise kann die Solarenergie diesen Schnitzer wettmachen: Im Jahr 2023 gab es bei der Sonnenenergienutzung einen rasanten Zuwachs, so haben vor allem private Solaranlagen um rund 14 Gigawatt zugelegt. Das sind 85 Prozent mehr als im Vorjahr. Deutschland hat dadurch mit 14 statt der geplanten neun Gigawatt die Solarausbauziele bereits vier Monate vor Jahresende erreicht. Am 7. Juli 2023 haben die Solaranlagen in Deutschland sogar so viel Strom erzeugt, dass sie allein 68 Prozent des deutschen Strombedarfs an diesem Tag abgedeckt haben, wie Auswertungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE belegen. Wegen dieser Erfolgszahlen hat die Bundesregierung die "sonnigen" Ausbauziele für die nächsten Jahre erhöht.
Und wie geht es weiter?
Die Herausforderung bleibt trotzdem groß. Denn die erneuerbaren Energien müssen nicht nur den aktuellen Strombedarf decken, sondern auch den in Zukunft deutlich steigenden: Durch den verstärkten Einsatz von Wärmepumpen, Elektroautos und anderen nicht-fossilen, aber dafür Strom verbrauchenden Technologien wird Deutschland in Zukunft mehr Strom benötigen als bisher. Um die Energiewende zu schaffen und die Energiegewinnung auf klimafreundlichere Technologien umzustellen, bedeutet das für 2024: weitersprinten.