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So gefährlich ist Sekundenschlaf am Steuer

Müdigkeit beim Autofahren ist eine der häufigsten Ursachen für Unfälle. Und doch überschätzen wir uns und unsere Aufmerksamkeit häufig lieber, statt rechts ranzufahren. Der lebensgefährliche Sekundenschlaf kommt allerdings keineswegs aus dem Nichts, sondern kündigt sich immer vorher an. Woran kann ich also erkennen, ob ich zu müde zum Autofahren bin? Was kann ich gegen die Übermüdung machen? Und warum ist es strafbar, am Steuer einzuschlafen?
AMA, 01.09.2023
Symbolbild Sekundenschlaf am Steuer

© monstArrr_, GettyImages

Wenn unser Körper extrem übermüdet ist, holt er sich den mangelnden Schlaf irgendwann einfach in einer Art „Notwehr-Reaktion“. Wir fallen in Sekundenschlaf und sind im Schnitt 0,2 bis fünf Sekunden weg vom Fenster – oft sogar, ohne dass wir es bewusst merken oder dass unsere Augen dabei geschlossen sind.

Übermüdung hat ähnlichen Effekt wie Alkohol

Wenn jemand während des Sekundenschlafs am Steuer eines Autos sitzt, kann das für ihn und andere Verkehrsteilnehmer schnell gefährlich werden. In einer einzigen Sekunde legt das Fahrzeug dann 27,8 Meter ohne Kontrolle des Fahrers zurück, bei fünf Sekunden sind es bereits 138,9 Meter. Auf dieser Strecke kann viel passieren: Wir kommen vom Kurs ab, fahren gegen einen Baum, in einen Graben, in das Heck des Vormannes oder sogar auf die Gegenfahrbahn.

Und nicht nur der Sekundenschlaf ist gefährlich, sondern auch die Übermüdung an sich. Laut Deutscher Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin ist unser Reaktionsvermögen nach 17 Stunden ohne Schlaf so stark beeinträchtigt, als hätten wir 0,5 Promille Alkohol im Blut. Bei 22 Stunden Schlaflosigkeit ist es bereits ein ganzes Promille.

Einschlafen am Steuer ist strafbar

Dass Menschen übermüdet Autofahren, kommt trotz der Risiken verhältnismäßig häufig vor. So zeigen verschiedene Umfragen, dass ein Viertel bis Drittel der Pkw-, Lkw-, und Busfahrer sogar schonmal am Steuer eingeschlafen ist. Insgesamt haben übermüdete Fahrer im Jahr 2021 mindestens 1.507 Unfälle mit Personenschaden verursacht. Jeder vierte tödliche Pkw-Unfall auf der Autobahn ging somit auf Übermüdung am Steuer zurück.

Da das übermüdete Autofahren verheerende Folgen haben kann, ist es per Gesetz verboten. In Paragraf 315c des Strafgesetzbuchs heißt es, dass nur derjenige ein Fahrzeug führen darf, der sowohl körperlich als auch geistig dazu in der Lage ist – was bei Übermüdung nicht gegeben ist. Ein Unfallverursacher, der am Steuer eingeschlafen ist, muss daher mit einer saftigen Geldstrafe oder mehreren Jahren Gefängnis rechnen. Seinen Führerschein bekommt er in jedem Fall entzogen.

Wann bin ich zu müde zum Fahren?

Dabei gibt es klare Anzeichen, die einen auf zu starke Übermüdung hinweisen. Phänomene wie der Sekundenschlaf geschehen nicht einfach so und ganz plötzlich, sondern kündigen sich immer vorher an. Zu den typischen Müdigkeitsindikatoren beim Autofahren zählt, dass man Probleme hat, die Spur zu halten, und dadurch ab und zu über den Seitenstreifen fährt. Außerdem fühlt sich die Straße immer enger an, der Blick haftet starr auf der Fahrbahn und man hat Schwierigkeiten, ein konstantes Tempo zu halten. Ständig fährt man aus Versehen zu langsam oder zu schnell.

Hinzu kommen Erinnerungslücken und Konzentrationsprobleme. Man kann sich dann zum Beispiel nur schlecht an die letzten gefahrenen Kilometer erinnern, übersieht mal ein Straßenschild oder verpasst sogar die Ausfahrt. Auch allgemeine Müdigkeitsmerkmale wie brennende Augen, häufiges Gähnen, abschweifende Gedanken oder eine gereizte Stimmung können wichtige Anzeichen sein, um die eigene Müdigkeit einzuschätzen.

Sogenannte Müdigkeitswarner, die bereits in einigen Neuwagen verbaut sind, achten ebenfalls auf diese Merkmale. Sie beobachten das Gesicht und Fahrverhalten des Fahrers und schlagen Alarm, wenn ihnen die oben genannten Anzeichen vermehrt auffallen. Das System empfiehlt dem Fahrer dann, eine Pause zu machen, und verschärft in manchen Fällen den Notbrems- und Spurhalteassistenten des Autos. Aber auch so kann nicht immer ein drohender Unfall verhindert werden.

Was gegen Müdigkeit am Steuer hilft

Die einzige Maßnahme, die wirklich gegen Übermüdung am Steuer und drohenden Sekundenschlaf hilft, ist eigentlich recht offensichtlich: Schlaf. Laut Schlafforschern reichen bereits 15 bis 20 Minuten Kurzschlaf – zum Beispiel auf dem Parkplatz einer Raststätte –, um kurzfristig wieder wacher zu werden. Noch effektiver wird die Pause, wenn man vor dem Einschlafen einen starken Kaffee trinkt. Denn das Koffein braucht 30 Minuten, um zu wirken, und entfaltet seine volle Wirkung dadurch kurz nach Ende des Nickerchens. Was hingegen nicht oder nur sehr kurzfristig hilft, sind verschiedene „Hausmittel“ wie laute Musik, offene Autofenster oder Kaffee und Energy-Drinks, ohne diese mit einem Kurzschlaf zu verbinden.

Noch besser ist es jedoch, gar nicht erst gegen die bleierne Müdigkeit am Steuer ankämpfen zu müssen. Etwa, indem man Fahrten immer ausgeschlafen beginnt, vorher nichts Schweres gegessen hat, mindestens alle zwei Stunden eine Pause einlegt und nie länger als zehn Stunden fährt. Besonders gefährlich ist es außerdem, zwischen zwei und fünf Uhr nachts unterwegs zu sein, weil dann die Müdigkeit meist am stärksten überhandnimmt.

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