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Was bringt der Mobilfunkstandard 6G?

Ob ferngesteuerte Pflegeroboter, 3D-Telefonie oder „digitale Zwillinge“ – der neue Mobilfunkstandard 6G könnte die verschiedensten Hightech-Anwendungen möglich machen. Die ersten kommerziellen Netze sollen schon ab 2030 verfügbar sein. Doch wie schnell kann 6G Daten wirklich übertragen? Und welche unerwarteten Möglichkeiten ergeben sich noch daraus?
THE, 12.12.2024
Fernmeldeturm mit 6G-Symbolen

© Lari Bat, iStock

Mit den unterschiedlichen Mobilfunkstandards 4G, 3G und vielleicht noch LTE beschäftigen sich viele von uns vermutlich nur, wenn sie auf ihrem Smartphone die Netzwerkgeschwindigkeit prüfen. Dabei beschleunigt sich diese bald sogar noch weiter, denn Mobilfunkanbieter bauen bereits das neue schnellere 5G-Mobilfunknetz aus. Laut Prognosen könnten bald 80 Prozent der Bevölkerung einen Zugang zu den schnellen Daten haben.

Und obwohl sich 5G noch nicht richtig durchsetzen konnte, tüftelt die Mobilfunkindustrie bereits am nächsten Datenstandard 6G. Die ersten kommerziellen Netze sollen schon ab 2030 verfügbar sein. Das könnte die zukünftige Up- und Downloadgeschwindigkeit immens beschleunigen: Forscher des University College London haben kürzlich sogar bis zu 938 Gigabit pro Sekunde erreicht – damit ließen sich innerhalb einer Sekunde knapp 20 Netflixfilme downloaden. Aber welche neuen Technologien ermöglicht das in Zukunft?

Symbolbild Augmented Reality
Der Digitale Zwilling beschreibt ein virtuelles Abbild eines physischen Gegenstands oder Systems. Ob sich der Ansatz durchsetzen kann, hängt unter anderem von schneller Datenübertragung ab.

© gorodenkoff, GettyImages

Digitale Zwillinge

Allem voran könnte 6G die Erstellung sogenannter digitaler Zwillinge ermöglichen. Vereinfacht gesagt ist ein digitaler Zwilling eine virtuelle Kopie eines realen Objekts wie zum Beispiel einer Windkraftanlage. Um das Windrad digital zu „kopieren“, stattet man es mit Sensoren aus, die den Aufbau des Windrads und dessen Stromerzeugung messen, aber auch beispielsweise die Temperatur und die Wetterbedingungen der Umgebung. All diese Daten fließen in Echtzeit an das virtuelle Windrad. Daran lassen sich dann Simulationen durchführen, etwa zur Problemanalyse, wenn das Windrad weniger Strom erzeugt, als es theoretisch sollte, oder um Prozesse zu optimieren.

In der Medizin könnten digitale Zwillinge von Patienten erstellt werden – sie wären dann eine exakte, virtuelle Nachbildung der jeweiligen individuellen gesundheitlichen Situation. Ärzte könnten dann erst verschiedene Behandlungen am virtuellen Patienten testen, bevor sie sie tatsächlich anwenden. „Diese Technologie bietet das Potenzial, Diagnose- und Behandlungsprozesse erheblich zu beschleunigen und zu individualisieren“, erklärt Gernot Marx von der Uniklinik RWTH Aachen.

Doch um die digitalen Simulationen in Echtzeit aufrechtzuerhalten, benötigen die jeweiligen Anbieter immense Datenmengen. Diese Anforderungen lassen sich mit dem aktuellen Mobilfunkstandard 5G allein schwer erreichen, insbesondere in komplexen und dynamischen Umgebungen wie dem Gesundheitswesen. Erst der neue Standard 6G mit seiner immensen Datenübertragungsrate ermöglicht diese Technologie.

Holgrammfigur einer telefonierenden Geschäftsfrau
Star-Wars-Feeling: Die für Hologrammtelefonate notwendigen Datenübertragungsraten sind mit 6G in greifbarer Nähe.

© R_Type, iStock

Holografische 3D-Echtzeitvideos

Zudem könnten wir dank 6G bald per Hologramm miteinander kommunizieren – so wie die Charaktere in Star Wars oder Star Trek. Im Zoom-Call säße uns dann statt einem Video im Laptop eine 3D-Version der besten Freundin oder des Chefs am Tisch gegenüber. Praktisch sähe das so aus: Der Anrufende hält sein Smartphone vor dem Gesicht und filmt sich mit der Selfie-Kamera. Dem Angerufenen erscheint der Gesprächspartner dann in realitätsgetreuer Abbildung als digitales Hologramm in seiner VR-Brille.

Hologrammtelefonie scheint sich dabei langsam vom fernen Science-Fiction-Traum zur Realität zu transformieren. Der spanische Telekommunikationsanbieter Telefónica mit seiner deutschen Tochter O2 will Hologrammtelefonie beispielsweise schon bis 2026 ermöglichen. „Telefonieren, als stünde mein Gesprächspartner vor mir, ist so ein Traum, der nun näher an die Realität rückt. Wir testen das zusammen mit den anderen Mobilfunkunternehmen“, so Sven von Aschwege von der Deutschen Telekom.

Doch noch erfordert Hologramm-Kommunikation fünf- bis zehnmal mehr Daten als ein normaler Videocall. Schließlich muss jeder Teil des Körpers in Echtzeit erfasst, vom System „umgerechnet“ und dann weitergeleitet werden. Für einige wenige Hologrammtelefonate reicht das aktuelle 5G-Netz deshalb zwar aus, doch damit alle Haushalte ihre Telefonate künftig in 3D führen können, wäre das ultraschnelle 6G-Netz nötig.

Taktiles Internet

Noch eine Stufe über der Hologrammtelefonie steht das taktile Internet. Es ermöglicht, dass Nutzer Objekte, Menschen oder Maschinen in der Ferne nicht nur sehen und hören, sondern auch ertasten können. Konkret würden in einem solchen Fall Sensoren angebracht, die den Druck, die Temperatur oder die Textur des Objekts erfassen und weiterleiten. Haptische Rückgabegeräte könnten diese physischen Empfindungen dann für den Empfänger umwandeln und so spürbar machen.

Das eröffnet Möglichkeiten in vielen Bereichen wie der Telemedizin oder der Industrieautomation. „Ein Szenario ist zum Beispiel die Fernsteuerung von mobilen Maschinen oder Robotern, die in gefährlichen Arbeitsumgebungen im Einsatz sind oder die Bedienung durch lokal nicht verfügbares Fachpersonal erfordern“, erklärt Hans Schotten vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.

Auch ferngesteuerte Pflegeroboter könnten beispielsweise mit weit entfernten Pflegern interagieren. Diese könnten den Roboter dann in Echtzeit steuern und dabei durch haptisches Feedback fühlen, was der Roboter berührt.

 

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