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Autotechnik: Was bringen Sensoren gegen Übermüdung?

Moderne Autos sind längst rollende Computer, die das reine Fahren durch immer mehr Assistenzsysteme einfacher und sicherer machen sollen. Neuester Trend dabei sind sogenannte In-Cabin Sensing Systeme - spezielle Sensoren, die überwachen, ob der Fahrer müde, abgelenkt oder in anderer Weise fahruntüchtig ist. Aber was bringen diese Innenraumsensoren? Und wie gut sind sie? Das hat der ADAC kürzlich getestet.
ADAC / NPO, 26.01.2023
Gähnende Autofahrerin
Viele Unfälle passieren, weil der Mensch am Steuer nicht schnell genug reagiert – etwa weil er völlig übermüdet ist.

metamorworks, GettyImages

Viele Unfälle passieren, weil der Mensch am Steuer nicht schnell genug reagiert: Er ist durch das Handy oder anders abgelenkt, völlig übermüdet oder hat ein akutes gesundheitliches Problem. Immerhin rund zehn Prozent aller schweren Verkehrsunfälle außerorts gehen laut ADAC-Unfallstatistik auf solche Ursachen zurück. Bei insgesamt 25 Prozent aller Unfälle dieser Art waren Müdigkeit oder Ablenkung des Fahrers zumindest mitschuld. Dabei enden Unfälle auf Autobahnen, Bundes- und Landestraßen meist tragisch: 71 Prozent der bei Verkehrsunfällen Getöteten und 48 Prozent der Schwerverletzten werden den Außerorts-Straßen zugeordnet.

Mehr Sicherheit durch Innenraumsensoren

Um solche Unfälle zu vermeiden, müssen Fahrzeughersteller seit 2022 in alle neuen Modelle entsprechende Warnsysteme einbauen, ab Juli 2024 sind sie dann für alle verkauften Neuwagen in Deutschland Pflicht.  Während die bisher schon in viele Autos eingebauten Systeme die Müdigkeit oder Ablenkung des Fahrers nur indirekt erkennen, beispielsweise durch das Lenkverhalten, das Fahrtempo und weitere Merkmale des Fahrverhaltens, überwachen die neuen Innenraumsensoren den Zustand des Fahrers direkt.

Dafür nutzen diese sogenannten In-Cabin Sensing Systeme beispielsweise Infrarotkameras und Radartechnik, um zu erkennen, ob der Fahrer abgelenkt ist und woanders hinschaut oder ob ihm die Augen zuzufallen. Einige Systeme können sogar identifizieren, ob der Mensch am Steuer ein Handy in der Hand hält und daher abgelenkt ist.

Symbolbild In-Cabin Sensing Systeme
Drei der vier untersuchten Systeme sind aktiv, d.h. sie warnen, wenn sie Anzeichen für Müdigkeit oder Ablenkung detektieren.

© ADAC / Matthias Zimmermann

Vier Prototypen im Test

Doch wie gut funktionieren diese Innenraumsensoren? Können sie wirklich zuverlässig erkennen, ob ein Fahrer abgelenkt oder müde ist? Und was passiert dann? Das hat der ADAC jetzt für vier solche Systeme untersucht. Alle vier sind Prototypen, die noch nicht in normalen Neuwagen verkauft werden. Der ADAC hat diese Prototypen von den Fahrzeugherstellern aber zu Testzwecken erhalten. Drei dieser Systeme – von Ford, DTS/SPERI und Bosch - sind aktiv, sie überwachen das Verhalten von Fahrer und teilweise Beifahrern und warnen, wenn sie Anzeichen für Müdigkeit oder Ablenkung detektieren.

Das System von Sony ist dagegen bisher rein passiv: Es nutzt eine Infrarotkamera, um die Position und Merkmale von Fahrer und Beifahrer zu erfassen. Durch dieses 3D-Tiefenbild können beispielsweise das Volumen und der Winkel des Oberkörpers, der Abstand zwischen Kopf und Lenkrad oder eine nicht fahrtypische Sitzhaltung erkannt werden. Diese Informationen sollen dann bei einem Unfall dazu dienen, vor einem Aufprall die Sitze und Kopfstützen gezielt anzupassen uns die Airbags auslösen.

Positive Resultate, aber noch Luft nach oben

Die Tests des ADAC ergaben: Alle untersuchten Prototypen funktionieren bereits gut und sind in der Lage, auf Anzeichen von Ablenkung und gesundheitliche Probleme zu reagieren. Schwächen bei den aktiven Innenraumsensoren zeigten sich allerdings, wenn bestimmte Teile des Gesichtes durch lange Haare oder eine Sonnenbrille verdeckt wurden oder wenn beispielsweise das ablenkende Handy außerhalb des Blickwinkels der Kamera lag. Wie gut diese Systeme eine Übermüdung des Fahrers detektieren können, konnte der ADAC zudem nicht realistisch testen. Denn dafür werden auch unbewusste, nicht künstlich imitierbare Körpersignale ausgewertet wie die Blinzelrate und Körperhaltung.

Dennoch fällt das Fazit des ADAC insgesamt weitgehend positiv aus. Die Experten sehen in diesen  Innenraumsensoren durchaus das Potenzial, das Autofahren sicherer zu machen udn Unfälle zu vermeiden. Dennoch gibt es auch noch Raum für Optimierung: Bisher sind die Systemprototypen noch nicht mit den ebenfalls schon in den Autos verbauten Fahrassistenzsystemen verknüpft. Dadurch können die Systeme noch nicht aktiv bremsen oder anderweitig eingreifen, wenn sie Müdigkeit oder Ablenkung registrieren.

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