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Wie funktionieren Noise-Cancelling-Kopfhörer?

Man kommt gestresst von der Arbeit und will auf dem Heimweg einfach nur entspannen, am besten durch den aktuellen Lieblingssong. Doch der Lärm der Stadt überdeckt alles und an der nahegelegenen Baustelle wird auch noch gebohrt, geschrien und Schutt zerlegt. Doch mittlerweile gibt es eine Technologie, mit der sich störende Geräusche einfach ausblenden lassen: Noise-Cancelling-Kopfhörer. Doch wie genau funktioniert das Noise Cancelling? Werden alle Töne gleich gut abgeschirmt? Und sorgen die Kopfhörer wirklich für absolute Stille?
THE, 04.04.2024
Junge Frau mit geräuschreduzierendem Bügelkopfhörer und geschlossenen Augen

© Burak GULER, iStock.com

Automotoren heulen auf, Baustellen lärmen und Kinder schreien herum – der Lärm in Städten kann einem schon gehörig auf den Geist gehen. Wer wünscht sich da nicht, den Krach mal auszublenden, um sich auf Aufgaben zu konzentrieren oder einfach zu entspannen? Wer nicht mit Ohrstöpseln oder riesigen klobigen Baustellenkopfhörern durch die Weltgeschichte laufen möchte, kann mittlerweile auf Noise-Cancelling-Kopfhörer zurückgreifen: Die praktischen In-Ear-Kopfhörer blenden den Umgebungslärm aus und spielen gleichzeitig Musik.

Kopfhörer, die Ohrenstöpsel ähneln

Dabei schließen nicht alle Kopfhörer den Umgebungslärm auf die gleiche Art und Weise aus, denn Noise Cancelling ist nicht gleich Noise Cancelling: In der Regel unterscheidet man zwischen passiver Geräuschisolierung und aktiver Geräuschunterdrückung. Kopfhörer mit passiver Geräuschisolation funktionieren dabei nach demselben Prinzip wie Ohrstöpsel. Sie minimieren Umgebungsgeräusche, indem sie eine Barriere zwischen Umwelt und Trommelfell aufbauen. Diese Barriere kann dann wahlweise ein Ohrstöpsel oder eben ein sehr eng sitzender In-Ear-Kopfhörer sein.

Alternativ lassen sich auch klassische Kopfhörer, also solche, die außen auf dem Kopf sitzen, mit integrierter Geräuschisolation verwenden. Diese sind dann häufig mit einem Ohrmuschelpolster ausgestattet, dass die Umgebungsgeräusche besonders gut abschirmt. Doch damit die passive Geräuschunterdrückung funktioniert, müssen die Kopfhörer sehr fest am Kopf beziehungsweise sehr fest im Ohr sitzen. Das ist nicht immer bequem und der Druck kann im schlimmsten Fall zu Kopfschmerzen führen.

Nothing ear (1) earphone, rechte Seite
Kabellose Ohrstöpsel integrierter, aktiver Geräuschunterdrückung.

Schallwellenanalyse im Kopfhörer

Vermutlich aus diesem Grund haben sich Kopfhörer mit sogenanntem aktivem Noise Cancelling durchgesetzt. Hier ist es keine physische Barriere, die Umgebungsgeräusche abschirmt, sondern eine ausgefeilte Technologie: Aktive Noise-Cancelling-Kopfhörer machen sich das sogenannte Gegenschallprinzip zunutze – für jede eingehende Schallwelle wird im Kopfhörer sozusagen eine Gegenschallwelle produziert, die das eingehende Geräusch auslöscht.

Doch wie genau funktioniert das? In den Kopfhörern befindet sich ein Außenmikrofon, welches die Geräusche aus der Umwelt aufzeichnet. Diese werden anschließend blitzschnell von einer eingebauten Elektronik verarbeitet. Sie bestimmt die Wellenform, sozusagen das Aussehen der Schallwellen.

Um das besser zu verstehen, stellt man sich eine Gitarrensaite vor. Wenn der Spieler die Gitarrensaite zupft, beginnt sie zu schwingen – je nachdem welche Saite gezupft wird, schlägt diese unterschiedlich stark aus und schwingt unterschiedlich schnell. Genau wie die Gitarrensaite schwingen die entsprechenden Schallwellen ebenfalls unterschiedlich stark und schnell – diese beiden Eigenschaften bezeichnet man als Amplitude und Frequenz.

Antischall löscht Geräusche aus

Wenn eine solche Schallwelle an der Elektronik des Kopfhörers ankommt, ermittelt diese deren Amplitude und Frequenz und produziert einen sogenannten Antischall – dieser entspricht der umgekehrten Wellenform des eingefangenen Tons. Jedem Wellenberg der ursprünglichen Schallwelle entspricht dabei im Antischall ein genau gleich großes Wellental. Dadurch löschen sich die beiden Schallwellen gegenseitig aus. Wenn der Schall anschließend gemeinsam mit dem Antischall am Ohr ankommt, hört man also: gar nichts.

Das dahinterliegende physikalische Prinzip heißt destruktive Interferenz und beschränkt sich nicht nur auf Schallwellen, sondern taucht auch bei anderen Wellenphänomenen auf. Bildlich kann man sich das auch so vorstellen: Wenn man jeweils einen Stein an die beiden Enden einer Badewanne wirft, erzeugt dies kleine Wellen, die sich von beiden Seiten der Badewanne ausbreiten. Treffen die beiden Wellenfronten aufeinander, entsteht in deren Mitte eine Zone aus ruhigem, unbewegtem Wasser.  Auch hier haben sich die Wellen gegenseitig aufgehoben.

Active noise redcution via headset
Aktive Geräuschunterdrückung

© Jan Broeckx / Public domain

Besser bei niedrigen Frequenzen

Aber ist es nicht gefährlich, wenn man fast komplett gehörlos durch die Straßen einer Großstadt irrt? Die gute Nachricht: Auch mit Noise-Cancelling-Kopfhörern im Ohr kann man seine Umgebung immer noch wahrnehmen, denn auch das beste Modell kann nicht für absolute Stille sorgen. Ein Teil des Umgebungsschalls wird durch den nicht idealen Sitz der Kopfhörer durchgelassen. Außerdem nimmt nicht nur das Trommelfell, sondern auch der Körper, also beispielsweise die Schädelknochen, die Vibrationen von Umgebungsgeräuschen auf und transportiert diese zum Trommelfell. Das kann auch der beste Kopfhörer nicht verhindern.

Hinzu kommt, dass Noise Cancelling nur bei niedrigen Frequenzen wirklich gut funktioniert, beispielsweise um Flugzeugbrummen zu neutralisieren. Zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Kopfhörer das Umgebungsgeräusch aufnimmt und der Produktion der Antiwelle sollten nur wenige Millisekunden liegen – ansonsten ist die Schallwelle schon im Ohr angekommen, bevor der Antischall überhaupt produziert werden konnte.

Da hohe Töne allerdings höhere Frequenzen und somit mehr Schwingungen pro Sekunde haben als tiefe Töne, ändert sich auch die Amplitude der jeweils nächsten Welle häufiger beziehungsweise schneller. Dieser schnelle Wechsel der Wellenform macht hohe Frequenzen schwer berechenbar und es werden mehr hohe Töne durchgelassen. Kreischende Kinder können die Noise-Cancelling-Kopfhörer daher weniger gut ausblenden als das tiefere Brummen des Straßenverkehrs oder eines Flugzeugs.

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