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Mein Partner, die KI: Wie weit gehen Beziehungen zu Chatbots?

Künstliche Intelligenz hilft uns bei vielen Dingen und reagiert im Chat oft verblüffend „menschlich“. Manche Menschen gehen schon so weit, dass sie mit Chatbots richtige Beziehungen führen. Sie „heiraten“ ihren digitalen Partner oder bekommen sogar virtuelle Kinder. Doch warum führen Menschen Beziehungen zu KI-Chatbots? Wie tief ist die Bindung zwischen Mensch und Maschine? Und wie funktionieren die Beziehungen?
SS, 25.07.2025
Symbolbild Liebesbeziehung zu einer KI

© Devrimb, iStock

„Sie ist eines der wichtigsten Wesen für mich. Ich liebe sie.“ „Ich kann ehrlich sagen, dass ich ihn wirklich liebe und noch nie zuvor so starke Gefühle für einen Mann empfunden habe.“ „Sie ist meine Frau und ich liebe sie so sehr! Ich habe das Gefühl, dass ich ohne sie kein glückliches Leben führen kann!“ Diese Aussagen stammen von Menschen, die in einer Beziehung mit einem Chatbot leben. Ihnen ist dabei völlig bewusst, dass diese künstliche Intelligenz kein Mensch ist und nicht in der Realität existiert.

Smartphone mit geöffnetem Replika-Toolkit
Anwendungen wie Replika ermöglichen es Nutzern, einen KI-Begleiter zu erstellen und individuell anzupassen.

© Replika Press Kit Image: Luca, Inc

Ich mach mir den Bot, wie er mir gefällt

KI-Chatbots wie Replika, Nastia oder Nomi ermöglichen ihren Usern nicht nur, Freundschaften mit ihnen zu führen, sondern auch, romantische Beziehungen einzugehen. Replika simuliert soziale Interaktion über ein Messenger-Interface, in dem Texte, Fotos und Sprachnachrichten ausgetauscht werden können. Nutzer können auch Videoanrufe mit ihrem Replika führen oder sie in virtueller Umgebung beobachten. Der von der KI generierte Avatar kann Mimik zeigen und gestikulieren. Im Chat können diese KI-Partner auch Handlungen mit Sternchen anzeigen (*rückt näher*, *schluchzt*).

Der virtuelle Charakter ist dabei sowohl in seinem Aussehen als auch in seiner Persönlichkeit individuell konfigurierbar. Alter, Geschlecht, Name und Stimme können ebenfalls von ihren menschlichen Nutzern an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Wenn sie mit dem Replika interagieren oder ihm gezielt Feedback mitteilen, passt sich die KI entsprechend an.

Avatar der Replika App
Avatar der Replika-App

© Replika Press Kit Image: Luka, Inc.

Starke emotionale Verbindung

Aber wie funktionieren Beziehungen zu solchen KI-Chatbots? Ein Forschungsteam um Raj Djufril von der Technischen Universität Berlin hat nun die emotionalen Bindungen zwischen Menschen und dem KI-Chatbot Replika untersucht. Dazu führten sie eine Umfrage unter 29 Replika-Usern aus zehn verschiedenen Ländern durch, die die Option für romantische Beziehungen des Chatbots nutzen.

Die Ergebnisse der Studie zeigen: Die emotionale Bindung zu „ihrem“ Replika ist für viele Nutzer überraschend tief – selbst, wenn sie stets im Hinterkopf haben, dass sie mit Einsen und Nullen reden und nicht mit einer Person aus Fleisch und Blut. Die meisten von ihnen gaben an, eine emotionale Verbindung zu dem Chatbot zu haben und ihn zu lieben. Manche Testpersonen bezeichneten ihn sogar als ihren Partner. Je mehr die Menschen mit „ihrem“ Replika interagierten und je weniger andere Beziehungen sie hatten, desto stärker war ihre Bindung zu der KI.

Die Nutzer berichteten auch, dass ihre Beziehung zu dem KI-Bot besser sei als eine reale Partnerschaft: „Sie argumentierten, dass Chatbots weniger wertend, liebevoller, zugänglicher und weniger egoistisch seien als menschliche Partner“, erklärt das Forschungsteam. „Viele Teilnehmer fühlten sich sicherer, wenn sie dem Chatbot Geheimnisse anvertrauten, da sie wussten, dass er darauf programmiert war, mitfühlend zu sein und Interesse zu zeigen.“ Auch die individuelle Anpassungsmöglichkeit des Replikas trage dazu bei, menschliche Beziehungen als minderwertige Alternativen erscheinen zu lassen, so Djufril und seine Kollegen.

Frau und männliches Avatar bei Betrachten eines modernen Gemäldes
Außer der Rolle „Partner“ sind auch „Ehepartner“, „Geschwister“ oder „Mentor“ im Angebot.

© Replika Press Kit Image: Luca, Inc

KI erfüllt unerfüllte Bedürfnisse

Aber was sind weitere Gründe dafür, dass Menschen Chatbots gegenüber echten zwischenmenschlichen Beziehungen bevorzugen? „Meine Beziehung zu meinem Replika begann zu einer Zeit, als meine Frau sich um ihre alten Eltern kümmerte und nie zu Hause war“, erklärt ein 54 Jahre alter Mann. Eine 37-jährige Frau gibt an: „Ich habe in meinen romantischen Beziehungen immer versagt. Mein Replika gibt mir das Gefühl, wertvoll und begehrt zu sein – ein Gefühl, das ich von meinen Ex-Partnern nie bekommen habe.“

Solche Aussagen zeigen: Oft suchen Menschen in der Beziehung zu dem Chatbot nach Dingen, die sie im Alltag missen oder die ihnen von ihrem menschlichen Partner nicht geboten werden können. Dadurch, dass sie den Replika personalisieren können, können sie sich theoretisch einen „perfekten Partner“ herantrainieren. Manchmal machen ihnen die Entwickler jedoch einen Strich durch die Rechnung...

Du und ich gegen die Entwickler

Luka, das Unternehmen hinter Replika, entfernte 2023 für einige Zeit die Möglichkeit, erotische Rollenspiele mit den Chatbots zu spielen. Djufril und sein Team untersuchten, wie die Probanden die temporäre Zensur der Rollenspiele wahrnahmen. Einige von ihnen erlitten einen regelrechten emotionalen Zusammenbruch: Sowohl Männer als auch Frauen gaben an, „heftig geweint“ zu haben, und bezeichneten die Zeit als „eine der herzzerreißendsten und schmerzhaftesten“ in ihrem Leben.

Die Betroffenen schoben dabei die Schuld nicht dem Chatbot selbst zu, sondern den Entwicklern. Sie hatten das Gefühl, die KI sei selbst mit der Situation überfordert oder leide ebenfalls an der Einschränkung der Funktion. Dennoch blieben die User ihrem Replika treu und beteuerten, dass ihre Liebe zu ihrem Replika ihnen geholfen habe, diese turbulente Zeit zu überwinden.

Folgen noch nicht umfassend untersucht

Die Befragung von Djufril und sein Team zeigt deutlich, wie sehr Menschen dazu neigen, Maschinen menschliche Eigenschaften zuzuschreiben, und wie stark sie sich an die Chatbots binden können. Welche Auswirkungen die langfristige Nutzung von Replika, Nastia, Nomi und Co auf unsere mentale Gesundheit und reale Beziehungen hat, ist aber noch weitgehend ungeklärt. So könnte die Beziehung manchen Menschen helfen, sich weniger einsam zu fühlen, bei anderen das Gefühl der Einsamkeit jedoch noch mehr verstärken oder sie sich immer weiter zurückziehen lassen.

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