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Artemis-1: Generalprobe für die Rückkehr zum Mond
Fast 50 Jahre ist es her, seit Astronauten zum letzten Mal den Mond betreten haben. Doch das soll sich ändern. Nach Jahrzehnten, in denen die bemannte Raumfahrt nicht über den Erdorbit hinausgekommen ist, wollen nun gleich mehrere Raumfahrtnationen wieder Astronauten zum Mond schicken. Am weitesten gediehen sind die Pläne der USA und ihrer europäischen Partner.
Rückkehr zum Mond mit dem Artemis-Programm
Im Rahmen des von der NASA geleiteten Artemis-Programms sind zunächst drei Flüge zum Mond geplant. Der erste noch unbemannte Testflug Artemis-1 dient letzten Tests der eigens für die Mondmission entwickelten NASA-Trägerrakete "Space Launch Systems" (SLS) sowie der von der ESA gebauten Orion-Kapsel, die die Besatzung beherbergen wird. Dieser Flug wird den Mond umrunden, in einen Orbit einschwenken und dann zur Erde zurücklehren.
Doch gerade die Entwicklung der SLS hatte es in sich: Ihre Fertigstellung hat sich um Jahre verzögert und 2022 gab es wiederholt Probleme bei der Betankung – der Start von Artemis-1 musste mehrfach verschoben werden. Entsprechend groß waren die Spannung, mit der der Start des Giganten weltweit verfolgt wurde, und die Erleichterung nach dem Abheben.
Der nächste Schritt, Artemis-2, wird voraussichtlich im Jahr 2024 folgen. Erstmals werden dann vier Menschen in der Orionkapsel zum Mond fliegen und diesen auf einer ähnlichen Flugbahn wie Artemis-1 umrunden. Im Unterschied zu Artemis-1 wird diese Mission aber wahrscheinlich nicht in einen lunaren Orbit einschwenken, sondern eine achtförmige Schleife fliegen, in der das Raumschiff allein durch die Mondschwerkraft umgelenkt und wieder zurück auf Erdkurs gebracht wird.
Mit Artemis-3 – voraussichtlich im Jahr 2025 oder 2026 – werden dann erstmals wieder Menschen ihren Fuß auf den Mond setzen. Bei dieser Mission werden zwei Astronauten mit einem Landemodul auf die Mondoberfläche hinabfliegen und landen. Die beiden restlichen Astronauten bleiben im Mondorbit.
Artemis-1: Die Generalprobe
An Bord des Orion-Raumchiffes ist bei Artemis-1 eine Besatzung der besonderen Art: Drei Dummys werden den ersten Mondflug des Artemis-Programms mitmachen und mithilfe zahlreicher Sensoren und Messinstrumente aufzeichnen, welchen Belastungen menschliche Astronauten ausgesetzt sein werden.
Der "Moonikin" getaufte Pilotendummy wird neben Sensoren für Strahlung, Vibration und Druckkräften auch den Raumanzug testen, den die Astronauten später in kritischen Missionsphasen tragen. Die beiden Passagiere "Helga" und "Zohar" sind nur Rumpfdummys, die der Anatmie des weiblichen Körpers nachempfunden sind. Zohar trägt eine spezielle Strahlenschutzweste, Helga hingegen nicht. Mehrere tausend Strahlensensoren ermitteln, welchem Maß an harter kosmischer Strahlung die Dummys während des Fluges ausgesetzt sind.
Besonders wichtig ist diese Generalprobe aber auch für den neu entwickelten Hitzeschild des Orionmoduls. Weil die Kapsel bei ihrer Rückkehr zur Erde mit fast 40.000 Kilometern pro Stunde in die Erdatmosphäre eintritt, wird sie sich bis auf knapp 2.800 Grad aufheizen – weit stärker als bei einer Rückkehr von der Internationalen Raumstation im niedrigen Erdorbit. Der Orion-Hitzeschild nutzt daher ähnlich wie schon die Apollo-Mondmissionen ein Material, das von der Hitze aufgezehrt wird, aber nur wenig davon zur Kapsel durchlässt. Eine zusätzliche Isolierschicht und Kühlungssysteme in den Wänden des Raumschiffs sorgen dafür, dass die Orionkapsel keinen Schaden nimmt.
Der Start und die ersten Schritte
Den Schub für das Abheben von der Erde bekommt das Raumschiff von der SLS-Trägerrakete. Angetrieben von vier Triebwerken mit flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff als Treibstoff und zwei Feststoffraketen ist dieses fast 100 Meter hohe Gefährt die stärkste Trägerrakete, die je gebaut wurde. Sie übertrifft selbst die legendäre Mondrakete Saturn-V. SLS wird Artemis-1 innerhalb von wenigen Minuten bis auf gut 36.000 Kilometer pro Stunde beschleunigen.
Etwa acht Minuten nach dem Start sind die Feststoffraketen und die vier Triebwerke der ersten Raketenstufe ausgebrannt und werden abgeworfen. Artemis-1 ist nun in einer Umlaufbahn um die Erde und die Orionkapsel entfaltet ihre beiden Solarsegel. Um dem Raumschiff den nötigen Schub für das Verlassen des Erdorbits und den Flug zum Mond zu geben, setzt nun die Raketenoberstufe, das sogenannte Cryogenic Propulsion Stage (ICPS), ein. Ihr ebenfalls von flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff gespeistes Triebwerk bringt das Orion-Raumschiff auf Mondkurs.
Etwa zwei Stunden nach dem Start trennt sich die Orionkapsel von der ICPS-Brennstufe. Die Orionkapsel hat nun genügend Schub erhalten, um alleine weiter zum Mond zu fliegen. Das ICPS setzt währenddessen zehn Minisatelliten frei, sogenannte CubeSats. Diese tragen verschiedene kleine Messinstrumente und Sensoren, mit denen sie unter anderem die Mondoberfläche und die Strahlung, Teilchen und Magnetfelder zwischen Erde und Mond untersuchen. Ein CubeSat soll zudem auf dem Mond landen, ein weiterer wird mithilfe eines Lichtsegels zu einem erdnahen Asteroiden fliegen.
Um den Mond und zurück
Die Orionkapsel wird mehrere Tage benötigen, um bis zum Mond zu gelangen. Voraussichtlich am sechsten Tag nach dem Start passiert sie den mondnächsten Punkt ihrer Flugbahn: Sie wird in knapp 100 Kilometer Höhe über die Mondoberfläche hinwegfliegen. Anschließend zündet die Raumkapsel ihre Antriebsdüsen, um in einen elliptischen Orbit um den Mond einzuschwenken. Dieser bringt Orion mehr als 64.000 Kilometer über den Mond hinaus. Sie ist dann rund 450.000 Kilometer von der Erde entfernt – so weit, wie noch kein für bemannte Missionen gedachtes Raumschiff vor ihr.
Um das Raumschiff wieder aus dem Mondorbit hinauszubringen und Kurs zurück zur Erde zu nehmen, werden rund eine Woche später erneut die Triebwerke des Orion-Servicemoduls gezündet. Am 26. Tag nach dem Start wird Orion wieder die Erde erreichen und in die Erdatmosphäre eintreten. Nachdem das Hitzeschild und die Reibung der Atmosphäre die Raumkapsel von rund 40.000 auf nur noch 480 Kilometer pro Stunde heruntergebremst haben, wird etwa auf 7.600 Metern Höhe ein erstes Paar Spezialfallschirme ausgelöst. Wenig später übernehmen dann die drei großen Hauptfallschirme und lassen die Kapsel sanft bis ins Meer hinuntergleiten. Die Landestelle liegt unweit der kalifornischen Küste im Pazifik.