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Erdgas: Welche Industrie verbraucht wie viel?
Erdgas spielt eine wichtige Rolle im deutschen Energieverbrauch – nur Mineralöl liefert derzeit mehr Primärenergie. Während in der Politik momentan viel über private Einsparmöglichkeiten gesprochen wird, werden etwa 37 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases von der Industrie benötigt. Im Gegensatz zu der privaten Heizung im Wohnzimmer können viele dieser industriellen Prozesse allerdings nicht so flexibel heruntergefahren werden.
Wofür braucht die Industrie das ganze Erdgas?
Der größte Anteil des industriell genutzten Erdgases wird für die sogenannte Prozesswärme verwendet: Hier landen fast 60 Prozent des fossilen Rohstoffs. Hinter dem Begriff Prozesswärme steckt schlichtweg die Energie, die notwendig ist, um die Temperatur zur erreichen, die für den Ablauf bestimmter Herstellungsprozesse gebraucht wird. So wird Glas beispielsweise bei über 1.000 Grad Celsius verarbeitet und auch die Zement- und Stahlindustrien kommen ohne Erdgas nur schwer auf die benötigten Temperaturen. Bisher laufen die Öfen in solchen Anlagen vorwiegend mit Gas. Aufgrund der hohen Temperaturen, bei denen die Prozesse ablaufen, ist der Energieträger nur äußerst schwer zu ersetzen.
Besser geht das bei Herstellungsverfahren mit geringeren Temperaturen. Zu diesen zählen beispielsweise die Lebensmittel- und die Tabakindustrie, wo Wärme unter anderem zum Trocknen benötigt wird. Aber auch beim Erhitzen des Materials in der Papierherstellung könnten kurzfristig Kohle oder Biomasse als Brennstoffersatz dienen. Eine weitere Hürde ist jedoch der häufige Dauerbetrieb der Anlagen. Meist ist es nämlich effizienter, die Heizkessel auch bei Rohstoffknappheit auf Temperatur zu halten, anstatt sie kurzfristig abkühlen zu lassen und später wieder aufzuheizen.
Fest im Ablauf verankert
Auch die industrielle Stromerzeugung, die etwa 17 Prozent des gewerblich genutzten Erdgases verbraucht, ist nur schwer zu entkoppeln. Das hängt damit zusammen, dass die Abläufe in Industrieanlagen meist bis ins Detail durchgeplant sind und auch Teile der überschüssigen Prozesswärme für die Stromerzeugung genutzt werden. Häufig haben solche Fabriken eigene Gaskraftwerke auf ihrem Gelände stehen, die Wärme und Strom zugleich liefern. Um Erdgas in einem solchen Kreislauf zu ersetzen, wäre also ein langfristiger und aufwendiger Umbau der jeweiligen Anlagen von Nöten. Erst dann könnte der fossile Brennstoff beispielsweise durch Wasserstoff substituiert werden.
Mit gut 13 Prozent Anteil am Gesamt-Erdgasverbrauch der Industrie landet auf Platz drei ein Zweig, bei dem es erstmals nicht um die in den Kohlenwasserstoffen gespeicherte Energie geht. Stattdessen stehen die chemischen Komponenten im Fokus. So werden jährlich etwa zehn Millionen Tonnen Erdgas für die Herstellung sogenannter High Value Chemicals verwendet. Zu diesen zählen etwa die Kunststoffe Propylen und Ethylen, aber auch die Lösungsmittel Benzol und Toluol. Weitere drei Millionen Tonnen Erdgas gehen jedes Jahr in die Ammoniak-Produktion. Aus diesem Zwischenstoff werden dann hauptsächlich Düngemittel hergestellt.
Auch diese Prozesse stehen vor dem Problem, fossiles Erdgas kaum ersetzen zu können. Als einzige Alternative steht den entsprechenden Industrien derzeit die Verwendung von synthetischem Methan und Wasserstoff zur Verfügung. Diese werden aber noch nicht ausreichend produziert. Um dennoch Erdgas einzusparen, bleibt diesen Industriezweigen dementsprechend nur, ihre Produktionsmengen zu reduzieren.
Auch manche Büros gehören dazu
Auch in der Industrie gibt es Räume, die beheizt werden müssen. Zu diesen zählen beispielsweise Büros oder Kontrollräume. Und auch hier gibt es warmes Wasser, um sich die Hände zu waschen oder zu duschen. Zwar nehmen diese Aspekte einen eher kleinen Teil des industriellen Erdgasverbrauchs ein, mit etwa neun Prozent sind sie aber auch nicht zu vernachlässigen. Die Einsparungsmöglichkeiten sind hier ähnlich wie in den privaten Haushalte: weniger heizen, kürzer duschen.