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Magerwahn 2.0 dank Trend Size Triple Zero

Redaktion wissen.de

Bereits beim Aufkommen der Size Zero, welche der Konfektionsgröße 32 entspricht, schreckten Kritiker empört auf. Doch das Unternehmen Abercrombie & Fitch hatte sich schließlich gänzlich weltweiter Empörung ausgesetzt. Die amerikanische Modemarke führte Kleidung in Größe 28 oder anders ausgedrückt in Triple Zero. Erwachsene Frauen, die diese Größe besitzen würden, können beispielsweise auch die Kleidung ihrer siebenjährigen Tochter tragen. Als XXXXS deklariert, soll das Unternehmen laut eigenen Angaben und nach zahlreichen Protesten die Jeans in der Größe wieder aus dem Sortiment genommen haben. Sicher dürfte aber sein, dass solche Unternehmen ein gänzlich falsches Bild von der Realität suggerieren.

1. Schlankheitswahn hoch drei

Magerwahn
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Bei der Betrachtung der Verteilung der Konfektionsgrößen deutscher Frauen wird jedoch schnell deutlich, dass Größen kleiner als 34 eher zu den Ausnahmen gehören. Aus der Verbraucheranalyse des Jahres 2012 geht hervor, dass ein Großteil der Frauen über die Konfektionsgrößen 38 und 40 verfügt. Zu bedenken ist allerdings, dass die Frauen in dieser Umfrage selbst diese Auskunft gegeben haben. Andere Untersuchungen ergeben, dass die Durchschnittsfrau in Deutschland Größe 42 trägt. Unabhängig davon, welche Zahlen letztlich stimmen, ist somit sicher, dass Kleidung der Größen kleiner als 34 nur von den wenigsten erwachsenen Frauen getragen werden können. 

Magerwahn
Kein Wunder also, dass Kritik nicht nur von Seiten der Mediziner kommt, sondern auch von Politikern oder Promis. So hat sich beispielsweise die National Eating Disorder Association (NEDA) aus den USA zum Trend Triple Zero wie folgt geäußert: „"Die neue 000-Größe des Unternehmens wird nur dazu beitragen, dass sich die Anzahl der ungesunden Diäten verdreifacht.“ (Quelle) Weiterhin merken viele Kritiker an, dass vor allem junge Mädchen sich sehr dünne Stars und Models zum Vorbild nehmen, was im schlimmsten Fall zu Magersucht oder Bulimie führen kann. Gerade heute, im Zeitalter sozialer Netzwerke, präsentieren sich junge Menschen bereits früh einer größeren Öffentlichkeit, was letztlich auch den gesellschaftlichen Druck, einem Schönheitsideal zu entsprechen, fördert. Dementsprechend stellen sich die Fragen: Wie kam es eigentlich zum heutigen Schönheitsideal und welche Faktoren spielten für diesen Trend letztlich eine entscheidende Rolle? 

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Das Verständnis darüber, was als schön angesehen wird, wurde schon immer versucht zu vereinheitlichen. Was allerdings als Idealbild, besonders bei Frauen, angesehen wird, unterscheidet sich zum Teil deutlich beim Vergleich der letzten Jahrzehnte. So sei insgesamt laut Untersuchungen festgestellt worden, dass das Idealbild mehr und mehr vom tatsächlichen Bild der Durchschnittsfrau abweichen würde. Das vorherrschende Schönheitsideal ist sicherlich nicht nur ein Produkt von gesellschaftlichen Veränderungen, sondern wird durch unterschiedliche Faktoren bestimmt. Drei zentrale Faktoren sollen hierbei nähere Betrachtung finden. Auch wenn hierzulande die Modemacher betonen, dass es keine Probleme mit Magermodels gäbe, sind eben aber die Haute-Couture-Schauen in London, Paris, Mailand oder New York in den Medien mit dünnen Models präsent. Zwar verdient die Modeindustrie hauptsächlich mit Größen ab 38 ihr Geld, dennoch wird vor allem durch die Medien ein anderes Ideal suggeriert. 

Gerade junge Frauen haben Prominente aus dem Showgeschäft als Vorbilder, seien es Stars aus dem Fernsehen, Film oder der Musikbranche. Durch die große Aufmerksamkeit und starke Medienpräsenz sind diese Menschen fast täglich Teil der jungen Leute. Aus diesem Grund wird gerade die Hollywood- Prominenz immer wieder für ihre zu dünnen Stars kritisiert, sei es Victoria Beckham oder aktuell auch Sängerin Miley Cyrus. Doch die Branche lebt den Magertrend vor. Wer keine perfekte Figur hat, macht auch keine Karriere im Showgeschäft. Aktuell kommt kaum jemand an dem Selfie-Trend in den sozialen Netzwerken vorbei. Junge Frauen und Männer sowie Promis posieren in ihren scheinbar perfekten Körpern vor der Kamera und posten die Bilder schließlich auf Facebook und Twitter. Dadurch wächst der Anschein, dass die Masse der Bevölkerung über einen idealen Körper verfügt, denn wer sich in seinem eigenen Körper nicht wohlfühlt, postet im Regelfall auch keine Bilder von sich selbst. Immerhin handelt es sich bei sozialen Netzwerken um Plattformen, die den direkten Austausch ermöglichen, was entsprechend nicht nur Lob, sondern vor allem auch Möglichkeit, Kritik zu äußern, bedeutet. So werden die sozialen Netzwerke nicht selten auch zu Plattformen von Cyber-Mobbing.

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2. Appell an die Gesundheit

Ideale wie Size Zero oder Triple Zero bewegt zahlreiche Menschen dazu, strenge Diät zu halten, um dem gewünschtem Schönheitsbild eines sportlichen und dünnen Körpers gerecht zu werden. Schlanke Figuren werden in der heutigen Gesellschaft mit Attraktivität und auch mit Ehrgeiz und Erfolg gleichgesetzt, weshalb auch immer mehr junge Männer nach diesem Schönheitsideal streben. Dass der Magerwahn für zahlreiche Menschen zur Belastung der Gesundheit oder gar zu Magersucht und Bulimie führen kann, welche meist in Kombination mit psychischen Problemen einhergehen, zeigen aktuelle Zahlen. Nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes hat sich im Besonderen die Zahl der diagnostizierten Fälle an Magersucht (Anorexie bzw. Anorexie nervosa) in den letzten Jahren rapide erhöht. 
Magerwahn
Bei Bulimie ist hingegen ein leichter Anstieg in den letzten Jahren festzustellen, nachdem insgesamt aber ein Rückgang zu verzeichnen ist. Allerdings ist anzumerken, dass es sich hierbei um die bekannten Fälle handelt; die Dunkelziffer der erkrankten Menschen dürfte weitaus höher sein. In einer weiteren Untersuchung des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2006/2007 zeigen vor allem Mädchen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren mit um die 30 Prozent Hinweise darauf, an einer Essstörung zu leiden. Die Studie beschäftigte sich allgemein mit Essstörungen im Kinder- und Jugendalter und stellte zusammenfassend fest, dass gut jeder Fünfte der Kinder und Jugendlichen Symptome für eine Essstörung aufweise. Fast acht Jahre nach Veröffentlichung dieser Zahlen und mit Blick auf die wachsende Zahl an Magersüchtigen, kann davon ausgegangen werden, dass der Anteil auch bei den Kindern und Jugendlichen mittlerweile höher liegt. Vor allem Mediziner schlagen beim Thema Magersucht Alarm, im Besonderen dann, wenn es um Fälle bei Jugendlichen oder gar Kindern geht, da sich die jungen Menschen noch im Wachstum befinden. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat die Folgen einer Essstörung zusammengefasst, bei denen unter anderen diese Folgen erläutert werden:
 
Trockene Haut, brüchige Haare
Herz-Kreislauf-Störungen
Ausbleiben der Menstruation
Osteoporose
Organschäden (Niere, Leber, Herz, Magen)
Zwangserkrankungen
Ängste
Depressionen
 
Das Krankheitsbild zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass die Betroffenen sehr dünn sind, sollte die Krankheit schon einige Zeit vorherrschen. Neben dem wenigen Essen treiben die Erkrankten nicht selten auch viel Sport, um dem gleichzeitigen sportlichen Ideal zu entsprechen. In einigen Fällen kommt es laut BZgA auch zu Heißhungerattacken, wobei durch Erbrechen oder die Einnahme von Abführmitteln dem Rechnung getragen wird. Im Grunde führen die Essgestörten einen Kampf mit dem eigenen Körper, der naturgemäß Nahrung und damit Nährstoffe zu sich nehmen will. Dies wiederspricht allerdings dem Willen, schnell und effektiv dünn zu werden.
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Dünn-sein ist bei dieser Krankheit gleichbedeutend mit alles-im-Griff-zu-haben. Meist kommt ein unrealistisches Selbstbild hinzu, indem sich die Betroffenen im Spiegel immer noch zu dick finden und stets Makel an sich selbst feststellen. Durch diese immense Selbstkontrolle haben diese Menschen einen hohen Leistungsanspruch an sich selbst, lassen nur noch Bestleistungen zu und vergleichen sich stets mit anderen. Diese ganzen Aspekte führen schließlich zu einem minderwertigen Selbstwertgefühl, was letztlich auch mit Depressionen und Angstzuständen einhergeht. Da es sich bei Essstörungen um ein sehr vielschichtiges Krankheitsbild handelt, weil sowohl der Körper als auch die Psyche betroffen ist, ist eine Therapie meist auch in unterschiedliche Behandlungen gegliedert. So werden verschiedene Beratungs- und Therapieformen angeboten. Neben den zahlreichen möglichen Beratungsformen, wie beispielsweise über das Internet oder Telefon, Selbsthilfegruppen oder Ernährungsberatungen, können Betroffene auch auf unterschiedlichste Therapieformen zurückgreifen:
 
Psychotherapien
Gruppentherapien
Therapien in Kliniken
Therapeutische Wohngemeinschaften
Ambulante Nachsorge
 
Ob eine Heilung nach einer Therapie eintritt, ist allerdings stark von der Schwere und der Dauer der Essstörung abhängig. Die Erfolgsaussichten sind auch eher nüchtern zu bewerten: Nach Angaben des BPtK (Bundes Psychotherapeuten Kammer) kann nur jeder zweite an Magersucht erkrankte Mensch erfolgreich behandelt werden, wobei gut 20 Prozent eine chronische Essstörung entwickeln würden, die nicht behandelt werden kann.
 
3. Gegenbewegung: Nein! zu Size Zero
Essstörungen sind nach Betrachtung der aktuellen Zahlen und der doch recht schwer zu behandelnden Krankheitsbilder ein sehr ernst zu nehmendes Thema. In den letzten Jahren erfolgte eine doch recht umfangreiche Aufklärung zu Magersucht und Essstörungen, was anhand folgender Beispiele aufgezeigt werden soll. So gibt es weltweit Gruppierungen, die sich diesem Trend vehement entgegenstellen, es gibt unterschiedliche Kampagnen von Seiten der Länder und des Staates und auch einige Unternehmen setzen vermehrt auf realistische Körperformen. Mittlerweile stellen sich vermehrt Gruppierungen von Gegnern des Magerwahns in die Öffentlichkeit und demonstrieren aufmerksamkeitsstark über unterschiedlichste Kanäle. So gibt es im Netz zahlreiche Bewegungen, die vor allem durch Bilder in den sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram Aufmerksamkeit erregen. So zum Beispiel auch die XXL-Bikini Girls in den USA.
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Auf Twitter unter #fatkini können Nutzer Selfies von molligen Frauen in Bademode sehen. Bei der Aktion gegen Magerwahn sollen sich über 7000 Frauen mit Fotos beteiligt haben. Auch der deutsche Staat setzt sich aktiv gegen den Magerwahn ein und hat aus diesem Grund die Initiative „Leben hat Gewicht – gemeinsam gegen den Schlankheitswahn“ ins Leben gerufen. Auslöser waren die erschreckenden Ergebnisse des Robert Koch-Instituts, die, wie bereits erläutert, feststellten, dass jedes fünfte Kind und jeder fünfte Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren Hinweise auf eine Essstörung zeigten. 2007 von den damaligen Ministerinnen für Gesundheit, Familie und Bildung (Ulla Schmidt, Ursula von der Leyen und Annette Shavan) sowie Alice Schwarzer gegründet, verfolgt die Initiative das Ziel, die Bevölkerung und vor allem junge Menschen für das Thema zu sensibilisieren. „Ziel ist es, jungen Menschen ein positives Körperbild zu vermitteln und das Selbstwertgefühl zu stärken.“, heißt es in einer Erklärung des Bundesministerium für GesundheitErreicht werden soll dieses Ziel anhand von verschiedenen Maßnahmen durch die beteiligten Akteure, zu denen Promis, aber auch Verbände und weitere Experten zählen. Zu den durchgeführten Maßnahmen gehören beispielsweise:
 
Informationsmaterialien
Veranstaltungen
Medienangebote
Beratungs- und Therapieangebote
 
Dass das vorherrschende Schönheitsideal eines sehr dünnen und schlanken Körpers mit Maßen 90-60-90 nicht der Realität entspricht, sind sich auch viele Unternehmen durchaus bewusst und haben ihre Unternehmensausrichtung entsprechend angepasst. Immerhin seien gut Zweidrittel der Männer und die Hälfte der Frauen laut einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) übergewichtig, zumindest wenn der BMI (Body Mass Index) zur Berechnung herangezogen wird.
So haben sich unterschiedlichste Modehersteller und Versandhändler bereits auf Mode für Mollige spezialisiert, da dies schlicht weg eher dem realistischen Gesellschaftsbild, als die Ausrichtung auf Zielgruppe „Size Zero“ entspricht. Da Trends wie „Size Triple Zero“ aber immer noch ein verfälschtes Bild in der Gesellschaft suggerieren, kommunizieren solche Unternehmen auf unterschiedlichste Weise, dass das realistische Körperbild eben nicht dürr und unnatürlich schlank ist. Neben einem passenden Sortiment bieten diese im Netz daher auch unterschiedliche Tools an, die die Wahl der Kleidung für Frauen und Männer mit größeren Größen vereinfachen soll. So bietet beispielsweise die Designerin Doris Megger unter dem gleichnamigen Label auf ihrer Webseite ein „How-to-wear“ an, welches den Nutzerinnen mögliche Kombinationsmöglichkeiten zu unterschiedlichen Anlässen vorstellt. Dort werden beispielsweise für den Bereich Business zwölf unterschiedliche Outfit-Varianten aufgezeigt. Aber auch der Versandhändler Happysize ermöglicht mit  Hilfe eines Größenberaters seinen Kundinnen die passende Größe für die angebotene Mode zu ermitteln. Hierfür müssen die Nutzerinnen lediglich an unterschiedlichen Stellen des Körpers Maß nehmen, beispielsweise an Brust, Taille oder Hüfte. Auch wenn solche Unternehmen vordergründig den wachsenden umsatzstarken Markt im Blick haben dürften, kommunizieren sie doch ein eher realistisches Bild in die Öffentlichkeit, was die Durchschnittsfigur der Frau betrifft. 
 
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Im Lebensmittelbereich ist seit Jahren ein wachsender Trend zu mehr Nachhaltigkeit und Natürlichkeit der Produkte festzustellen. Ersichtlich ist dies beispielsweise am Biotrend oder auch an der wachsenden Nachfrage an regionalen Produkten. Auch im Modebereich schauen die Verbraucher genauer hin. So wächst der Anteil an Menschen, die auf fair-gehandelte Ware achten. Auch die Beauty-Trends für 2014 seien von Natürlichkeit geprägt, zumindest was Make-Up und unkomplizierte Frisuren betreffe. Was den Körperkult angeht, kann grundsätzlich immer noch ein klarer Trend zu schlanken und sportlichen Körpern festgehalten werden. Dennoch scheint sich mit dem allgemeinen wachsenden Tonus für mehr Natürlichkeit auch zumindest die Akzeptanz von „normalen und Plus Size“ Figuren zu erhöhen.
 
4. Kampf gegen den Magerwahn wird auch in Zukunft Thema bleiben
Abschließend kann festgehalten werden, dass Schönheitsideale wie Triple Zero ernstzunehmende Trends in der heutigen Gesellschaft sind, da sie einen großen Druck vor allem auf junge Menschen auslösen, einem schier unerreichbaren Ideal zu entsprechen. Dies führt im schlimmsten Fall zu Essstörungen, die nicht nur psychische und körperliche Belastungen mit sich bringen, sondern zum Teil auch nicht geheilt werden können. Dies schränkt die Lebensqualität ein und führt nicht selten zu anhaltenden Depressionen. Auch wenn von unterschiedlichen Seiten ein Ende des Magerwahns gefordert wird, wird das Thema wohl noch lange zur Diskussion stehen.
 
Quellen und Links zum Thema

 

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