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Wer war Malcolm X?
Die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung erreichte zwischen dem Ende der 1950er und 1960er Jahre ihren Höhepunkt. Anhänger der Bewegung setzten sich für Bürgerrechte für Schwarze und gegen die Rassentrennung in den USA ein. Neben Martin Luther King Jr. war auch Malcolm X ein bekannter Bürgerrechtler – doch Xs Vorgehen unterschied sich von Kings. Wie kam es dazu?
Frühe Schicksalsschläge für Malcolm X
Malcolm X wurde am 19. Mai 1925 als Malcolm Little in Omaha im US-Bundesstaat Nebraska geboren. Sein Vater, Earl Little, ein selbst ernannter Baptistenprediger, und seine Mutter, Louise Little, waren Mitglieder der „Universal Negro Improvement Association“ und Anhänger der Ideen des Panafrikanismus sowie des schwarzen Nationalismus. Wegen ihres Einsatzes für Schwarze bedrohte der Ku-Klux-Klan (KKK) die Littles. 1929 zogen sie deshalb auf einen Bauernhof in Michigan.
In Michigan verbreitete sich Earl Littles Ruf als aufständischer Schwarzer – auch dadurch, dass er sich weigerte, in ein „schwarzes Gebiet“ der Stadt zu ziehen. Kurz nach einer Klage der Grundstücksgesellschaft, die die Littles aufforderte, aus der „weißen“ Gegend auszuziehen, brannte die sogenannte „Black Legion“ – eine Abspaltung des KKK – das Haus der Familie nieder. Wenig später, 1931, starb Earl Little– überrollt von einer Straßenbahn. Der Gerichtsmediziner wertete den Tod als Unfall, die Polizei als Suizid. Malcolm X schrieb in seiner Autobiographie später jedoch, dass die Verletzungen seines Vaters auf einen Mord durch die „Black Legion“ hindeuteten.
Vom Einserschüler zum Gefängnisinsassen
Louise Little wurde einige Jahre später in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Malcolm X und seine sechs Geschwister kamen daraufhin in verschiedenen Pflegefamilien unter. Neben diesen familiären Schicksalsschlägen prägte ihn ein weiteres Ereignis : „Als er in der High School zu seiner zukünftigen Berufswahl gefragt wurde, sagte Malcolm, er wolle Anwalt werden“, erklärt Deutschlandfunk Kultur. „Sein weißer Lehrer tat dies als ‚unrealistischen Wunsch für einen Schwarzen‘ ab.“ Stattdessen solle der Einserschüler Tischler werden. Der junge X glaubte daher, dass es sich als Schwarzer nicht lohne, weiter zur Schule zu gehen, und brach die Schule mit 15 ab.
Im Alter von 17 Jahren zog es Malcolm X so nach New York, wo er zunächst als Tellerwäscher arbeitete. Mit der Zeit geriet er jedoch in Drogengeschäfte, Kriminalität und Zuhälterei. Zusammen mit seinem besten Freund Malcolm Jarvis und gekleidet in Nadelstreifenanzüge besuchte Malcolm X Nachtclubs, wo beide Männer zwei weiße Frauen aus reichen Familien kennenlernten. Auf deren Bitten hinbrachen die vier in die Nachbarhäuser der Eltern der Frauen ein und stahlen.
Bald fasste die Polizei die vier Einbrecher. Vor Gericht behaupteten die jungen Frauen, sie seien zu den Taten gezwungen worden. Daraufhin verurteilte das Gericht Malcolm X und Malcolm Jarvis zu acht bis zehn Jahren Haft, während die Frauen ohne Strafe davonkamen.
Malcolm X und die „Nation of Islam“
Im Gefängnis las X viele Bücher und tauschte Briefe mit seinen Brüdern aus. Darin berichteten Xs Brüder, dass sie nun Teil der religiös-politischen Bewegung „Nation of Islam“ (NOI) seien, die die Überlegenheit der Schwarzen propagierte. Anfangs zeigte sich Malcolm X ablehnend gegenüber Religion und der NOI, doch ein Versprechen seines Bruders – Gebet könne ihm zu einer frühen Entlassung aus dem Gefängnis verhelfen – ließ ihn umdenken. Noch während seiner Haft distanzierte X sich zunehmend von seinem „Sklavennamen“ Little. Stattdessen wählte er X als Symbol für die verlorene afrikanische Identität seiner Vorfahren.
„Obwohl die ‚Nation of Islam‘ als wichtiger Teil der Emanzipationsbewegung von Schwarzen gilt, war ihr Ansatz ein ganz anderer als jener der Bürgerrechtler um Martin Luther King“, erklärt die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB). „Die NOI strebte nicht die Integration in die weiße Mehrheitsbevölkerung an, sondern eine abgeschottete Emanzipation und einen auf Rassenzugehörigkeit basierenden Separatismus.“
Nach sechs Jahren Haft wurde X 1952 aus dem Gefängnis entlassen, stieg schnell in der „Nation of Islam“ auf und beteiligte sich sogar als Sprecher der Organisation. Anders als King befürwortete X in Reden, dass Afroamerikaner ihre Rechte zur Not auch mit Gewalt erkämpfen sollten.
Vom Freund zum Feind
Anfang der 1960er Jahre geriet X zunehmend in Konflikt mit Elijah Muhammad, dem Anführer der „Nation of Islam“: „Elijah Muhammad missfiel, dass Malcolms Person in der Öffentlichkeit immer stärker in den Vordergrund rückte“, erklärt die BPB. „Malcolm X wiederum distanzierte sich von seinem spirituellen und politischen Ziehvater, dem er außereheliche Affären mit Minderjährigen vorwarf.“ Daraufhin schloss die „Nation of Islam“ Malcolm X ab 1964 aus.
Angestoßen durch seinen Ausschluss aus der Organisation unternahm X eine Pilgerreise nach Mekka, die seine Sichtweise auf die Bürgerrechtsbewegung veränderte. „Er hatte auf seiner Pilgerfahrt tiefgläubige weiße und hellhäutige Muslime kennengelernt und verstanden, dass der Islam im Gegensatz zur pseudo-islamischen ‚Nation of Islam‘ keine rassistische Doktrin kennt“, erklärt Deutschlandfunk Kultur. „Er schwor dem Ideal der Rassentrennung und dem Hass gegen Weiße ab.“ Malcolm X sagte: „Die wahre Brüderlichkeit, die ich gesehen hatte, hatte mich dazu gebracht, zu erkennen, dass Wut die menschliche Sicht blenden kann.“
Daraufhin gründete der Bürgerrechtler die „Organisation of Afro-American Unity“, die sich für eine internationale Zusammenarbeit von Afroamerikanern einsetzte. Sogar eine Zusammenarbeit mit King konnte er sich dann vorstellen. Zwischen X und der „Nation of Islam“ herrschten derweil weiter Spannungen: Mehrere NOI-Anführer drohten ihm öffentlich mit dem Tod und verübten im Februar 1965 einen Brandanschlag auf das Haus seiner Familie. Eine Woche später, am 21. Februar 1965, erschossen Mitglieder der NOI Malcolm X bei einer Veranstaltung seiner „Organisation of Afro-American Unity“.
Malcolm Xs posthume Wirkung
Nach Malcolm Xs Tod verlor die „Organisation of Afro-American Unity“ schnell an Bedeutung. Seine 1965 veröffentlichte Autobiographie und der nach ihm benannte 1992 erschienene Film trugen jedoch zu seiner posthumen Popularität bei. Auch in der US-amerikanischen Rapszene beziehen sich Rapper immer wieder auf den Bürgerrechtler.