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110 Jahre Nofretete-Büste: Wer war die Königin vom Nil?

Die Büste der Nofretete ist der Star des Neuen Museums in Berlin. Mit ihrer ikonischen blauen Krone und dem ruhigen Gesichtsausdruck zieht sie Millionen Museumsbesucher in ihren Bann. Doch was macht die Büste so einzigartig? Und was wissen wir über das Leben der echten Nofretete?
AMA, 05.12.2022
Nofretete-Büste

Photos.com, GettyImages

Vor genau 110 Jahren, am 6. Dezember 1912, fand ein Grabungsteam um den deutschen Ägyptologen Ludwig Borchardt die heute weltberühmte Nofretete-Büste im mittelägyptischen Tell el-Amarna, wo seit etwa 1900 in großem Stil Ausgrabungen stattfanden. Am Vortag hatte das Team bereits vermutet, womöglich auf eine Bildhauerwerkstätte gestoßen zu sein, als man auf eine verschüttete Büste stieß. Diese Einschätzung bestätigte sich bei der Freilegung und Bergung der Büste am nächsten Tag. Grabungsleiter Borchardt beschreibt die Büste in seinem Tagebuch mit den legendären Worten: „Beschreiben nützt nichts, ansehen.“

Die Fundteilung dieser Grabungskampagne, die über das weitere Schicksal der Büste entschied, fand Anfang 1913 gemäß den damals geltenden Bestimmungen „zu gleichen Teilen“ für Ägypten und das die Ausgrabung durchführende Land statt.  Aus heutiger Sicht bleibt es unerklärlich, warum der damalige Vertreter des ägyptischen Antikendienstes die Ausfuhr des wertvollen Kunstwerkes ermöglichte, das nach Berlin gebracht und zunächst in der Villa James Simons ausgestellt wurde, der die Ausgrabungen mit einer großzügigen Spende unterstützt hatte und sämtliche Armana-Funde – darunter auch die Büste – 1920 dem  Berliner Museum vermachte.

Atelier des Bildhauers Thutmosis in Amarna
Atelier des Bildhauers Thutmosis in Amarna, in welchem die berühmte Büste der Nofretete gefunden wurde.

Die Büste: Alt, aber äußert lebhaft

Denn Borchardt hatte durchaus recht: Ein Blick auf die meisterhafte Büste lohnt sich allemal. Vor allem die ungewöhnlich gut erhaltenen Farben tragen dazu bei, dass das Kunstwerk auch nach Jahrtausenden noch eine besondere Ausstrahlung besitzt. Besonders auffällig ist Nofretetes Krone, gestrichen in einem knalligen Farbton namens „ägyptisch Blau“. Dass die Büste so „lebendig“ erscheint, liegt außerdem an der Gestaltung des rechtes Auges. Iris und Pupille bestehen aus schwarz eingefärbtem Bienenwachs. Ein dünn geschliffener Bergkristall ahmt die Hornhaut nach.

Doch was ist mit dem linken Auge der Königin geschehen? Das ist bis heute nicht abschließend geklärt. Manche Ägyptologen vermuten, dass es nie ein linkes Auge gab, andere gehen davon aus, dass es im Laufe der Jahrtausende verloren gegangen sein könnte. Doch selbst einäugig ist die Büste immer noch ein Blickfang, der schon ganze Generationen fasziniert hat.

Auch Borchardt zeigte sich damals von den vielen Details des Kunstwerkes begeistert: „Die Muskeln des Nackens und die Halsseiten sind so fein wiedergegeben, dass man sie unter der zarten, im gesunden Fleischton gehaltenen Haut spielen zu sehen glaubt.“ Die Gesichtszüge der Büste sind aus Gips modelliert, während ihr Kern aus Kalkstein besteht.

Büste der Nofrete im Neuen Museum, Berlin
Büste der Nofrete im Neuen Museum, Berlin

Wer war Nofretete?

Doch wer war die Frau, in deren modelliertes Gesicht schon Millionen Museumsbesucher geblickt haben? Nofretetes Mumie wurde nie gefunden. Alles, was Ägyptologen über sie wissen, haben sie aus seltenen Bildnissen und Schriftstücken, die mehr über das Wirken der Königin verraten. Demnach lebte Nofretete im 14. Jahrhundert vor Christus und war die Hauptgemahlin des Pharao Amenophis IV. , dem späteren Echnaton, was sie zur ägyptischen Königin machte.

Mit Echnaton, den sie wahrscheinlich im Alter von 12 bis 16 Jahren heiratete, hatte sie insgesamt sechs Töchter. Die Mutter von Tutanchamun war sie – wie oft behauptet – allerdings nicht. DNA-Analysen zufolge kommt dafür stattdessen eher eine Mumie aus dem Tal der Könige mit dem Spitznamen „younger lady“ infrage. 

Mittlerweile gilt es als gesichert, dass Nofretete, deren Name so viel wie „Die Schöne ist gekommen“ bedeutet, aus einer großbürgerlichen ägyptischen Familie stammte. Wer ihre Eltern waren, ist nicht bekannt. Überliefert sind nur der Name ihrer Amme und der einer jüngeren Schwester.

Im siebten Jahr von Echnatons Herrschaft zog sie mit Mann und Töchtern von Theben nach Achet-Aton. Dort wollte Echnaton seine neu eingeführte monotheistische Religion realisieren, die den Sonnengott Aton zur einzigen allmächtigen Gottheit erklärte. Die meisten Ägyptologen gehen davon aus, dass Nofretete kultische, also staatstragende und damit politische Handlungen vollführte. Ob sie auch im heutigen Sinne politisch aktiv war und zum Beispiel die Gesetzgebung beeinflusste, lässt sich dagegen nicht belegen. Viel mehr ist tatsächlich nicht über Nofretetes Leben bekannt. Auch wie und wann sie starb, ist nicht überliefert. Es gilt allerdings als wahrscheinlich, dass sie ihren Mann überlebte. Ob sie danach vielleicht sogar eine Zeit lang selbst regierte, ist umstritten.

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