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Trojanisches Gold: 150 Jahre Schatz des Priamos

Heute vor 150 Jahren, am 31. Mai 1873, stieß der deutsche Archäologe Heinrich Schliemann bei Ausgrabungen in West-Anatolien auf einen großen Schatz voller Goldschmuck, Silberbecher und Bronzedolche. Er interpretierte ihn als die Reichtümer des legendären trojanischen Königs Priamos. Doch war Schliemann tatsächlich auf trojanisches Gold gestoßen? Und wieso streiten sich heute Deutschland, Russland und die Türkei um diesen „Schatz des Priamos“?
AMA, 30.05.2023
Heinrich Schliemann vor der Kulisse des Berges Hisarlik
1870 beginnt Heinrich Schliemann mit seinen Ausgrabungsarbeiten am Berg Hisarlik, den er für den Burgberg von Troja hält.

© Hintergrund: sadikgulec, GettyImages

Im zwölften Jahrhundert vor Christus sollen griechische Armeen einen erbitterten Krieg gegen die sagenumwobene Stadt Troja geführt haben. Der Auslöser ihres Zorns war angeblich der Raub der schönen Helena, der Gemahlin des Königs von Sparta. So erzählt es der antike Dichter Homer in seiner „Ilias“. Der darin beschriebene Trojanische Krieg endete nach zehn Jahren mit einer List der Griechen: Sie schleusten ein riesiges Holzpferd voller Soldaten als vermeintliches Siegesgeschenk in die Stadt ein und verschafften sich so heimlich Zutritt. Dadurch gewannen die Griechen den Krieg, Troja ging unter.

Schliemanns Graben in Troja
Um an die Überreste von Homers Troja heranzukommen, lässt Schliemann eine immer größer werdende Schneise in die Landschaft treiben. Das Resultat ist ein Graben von etwa 40 Meter Länge und 20 Meter Breite, der zuletzt 17 Meter tief ist.

© tegmen, GettyImages

Ein Sensationsfund in West-Anatolien

Für den deutschen Hobby-Archäologen Heinrich Schliemann ist die Erzählung Homers nicht einfach nur ein Heldenepos, sondern eine wahre Geschichte. Ende des 19. Jahrhunderts macht er sich auf die Suche nach dem untergegangenen Troja und nutzt dafür die Ortsbeschreibungen in der Ilias als Orientierung. Zeitgenössische Archäologen verspotten ihn für diese Naivität. Schliemanns Suche führt ihn schließlich zum Berg Hisarlik im türkischen West-Anatolien. 1870 beginnen er und über 100 Helfer mit den Ausgrabungsarbeiten. Gemeinsam wühlen sie sich drei Jahre lang durch zahlreiche Siedlungsschichten vergangener Zivilisationen. Doch Troja ist nicht dabei.

Am 31. Mai 1873 jedoch macht Schliemann auf einmal eine ungewöhnliche Entdeckung. Seiner eigenen Schilderung nach ist er an diesem Tag auf eine Kupferplatte gestoßen, hinter der Gold schimmerte. Um den Sensationsfund nicht mit seinen Arbeitern teilen zu müssen, schickt er sie zum Frühstück und gräbt stattdessen mit einem Vertrauten weiter. Die beiden finden einen prachtvollen 8.800-teiligen Schatz aus Goldschmuck, Diademen, Silberbechern und Bronzedolchen. Für Schliemann ist die Lage eindeutig: Er hatte Troja gefunden. Dies musste der Schatz des trojanischen Königs Priamos sein.

Porträt von Sophia Schliemann mit dem Grossen Gehänge aus dem "Schatz des Priamos"
Porträt von Sophia Schliemann mit dem Grossen Gehänge aus dem "Schatz des Priamos".

© gemeinfrei

„Schatz des Priamos“ seit jeher ein Zankapfel

Eigentlich hätte Schliemann den Fund mit dem Osmanischen Reich teilen müssen, auf dessen Gebiet er ihn schließlich ausgegraben hatte. Doch darauf verzichtet der Entdecker und entscheidet sich stattdessen dazu, ihn aus der heutigen Türkei rauszuschmuggeln und nach Athen zu bringen. Dort präsentiert er ihn öffentlichkeitswirksam, indem er seine schöne Frau Sophia für die Presse einige der Juwelen tragen lässt. Die Fotos gehen um die Welt.

Doch dadurch fällt Schliemann auch seine Schmuggelaktion wieder auf die Füße. Es folgen jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem Osmanischen Reich. Geschlichtet wird der Konflikt schließlich, indem der Hobby-Archäologe die heutige Türkei großzügig finanziell entschädigt. Den „Schatz des Priamos“ darf er behalten und vermacht ihn dem deutschen Volk. Von 1882 bis 1945 wird er in Berlin ausgestellt, doch dann nimmt ihn die Sowjetarmee Ende des Zweiten Weltkriegs mit. 1994 taucht das trojanische Gold schließlich im Moskauer Puschkin-Museum wieder auf. Seitdem fordert Deutschland den Schatz zurück – bislang erfolglos. Seit ein paar Jahren hat sich auch die Türkei in die Streiterei eingemischt und will den Schatz ebenfalls wiederhaben.

Großes Diadem aus dem "Schatz des Priamos" im Puschkin-Museum,
Großes Diadem aus dem "Schatz des Priamos" im Puschkin-Museum.

Hatte Schliemann wirklich trojanisches Gold gefunden?

Doch worum sich die drei Nationen seit Jahrzehnten streiten, ist in Wirklichkeit gar nicht das sagenumwobene trojanische Gold, für das Schliemann es gehalten hat. Heute weiß man, dass der „Schatz des Priamos“ nicht einmal aus der Antike stammt, sondern schon aus der frühen Bronzezeit vor gut 4.000 Jahren. Schliemanns Schatz ist also schlappe 1.000 Jahre älter als Troja selbst. Die Siedlung, aus der er ihn geborgen hat, war dementsprechend auch nicht das sagenumwobene Troja, sondern höchstwahrscheinlich eine Handelsmetropole der Hethiter. Das Gold des Schatzes hingegen könnte neuesten Erkenntnissen zufolge einst von Georgien aus dorthin gelangt sein.

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