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Louis Pasteur: Mehr als haltbare Milch
Die Milch im Kaffee, der Fruchtsaft zum Frühstück oder das Bier beim Grillen – sie alle sind „pasteurisiert“. Die Technik der Pasteurisierung tötet Mikroorganismen durch Hitze ab und macht Lebensmittel so haltbarer. Sie ist Louis Pasteurs wohl bekannteste Entdeckung.
Einst wurde diese Hygienemethode als wichtiger Fortschritt gefeiert, doch jüngst geriet sie in ideologische Debatten: Der US-amerikanische Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., der immer wieder durch Falschaussagen und Verschwörungserzählungen auffällt, „warb“ schon vor seiner Amtszeit für den Konsum von Rohmilch – unpasteurisierter Milch. Laut ihm soll sie gesünder sein. Die Gesundheitsbehörde der USA warnt allerdings vor dem Trinken von Rohmilch, unter anderem wegen der in Milchkühen kursierenden Vogelgrippe. Das Grippevirus kann durch die unpasteurisierte Milch auch auf Menschen übertragen werden.
Von Wein zu Milch
Pasteurs Weg zur Entdeckung der Pasteurisierung begann, als er 1854 an die Universität Lille berufen wurde. Dort sollte er einer örtlichen Destillerie bei Problemen mit der Alkoholproduktion helfen und studierte dafür die alkoholische Gärung. Bei langen Transportwegen kam es damals immer wieder vor, dass der Wein ungenießbar wurde. Das hatte nicht nur wirtschaftliche Einbußen zur Folge, sondern schadete auch dem Ruf des französischen Weins.
Bis dato gingen Wissenschaftler davon aus, dass rein chemische Prozesse an der Gärung der Weintrauben beteiligt sind. Pasteur gelang es jedoch, mittels mikroskopischer Untersuchungen nachzuweisen, dass Mikroorganismen für „Weinkrankheiten“ wie Essig- oder Milchsäurestich verantwortlich sind. Mit dieser Entdeckung begründete der Chemiker nebenbei auch die Mikrobiologie.
Pasteur fand zudem heraus, dass er die Mikroorganismen im Wein abtöten kann, indem er die Flüssigkeit auf 50 bis 60 Grad erhitzte – die Pasteurisierung war geboren. Wein sowie andere auf diese Weise verderbliche Lebensmittel konnten fortan haltbar gemacht werden. Heute wird die Pasteurisierung nur noch selten für Weine verwendet, da sie auch die Organismen abtötet, die zum gewünschten Alterungsprozess beitragen. Für Milch ist die Pasteurisierung allerdings weiterhin der Goldstandard.
Seidenraupen als Wegbereiter für Keimtheorie
1862 wurde Pasteur in die französische Akademie der Wissenschaften gewählt und im folgenden Jahr zum Professor für Geologie, Physik und Chemie an der École des Beaux-Arts in Paris ernannt. Kurz darauf widmete er sich einem weiteren Problem, das der französischen Wirtschaft schadete: Die meisten Seidenraupen im Land waren von einer mysteriösen Krankheit befallen und auch die Einfuhr der Raupen aus anderen Ländern war nicht mehr möglich, da sich die Seuche in ganz Europa ausgebreitet hatte.
Pasteur, der kaum Erfahrung mit Seidenraupen hatte, analysierte die Ursachen, identifizierte die parasitären und viralen Krankheitserreger und entwickelte Methoden, um die Kontamination der gesunden Raupeneier zu verhindern. Er entwickelte so die Ansicht, dass es auch für alle anderen ansteckenden Krankheiten vergleichbare Ursachen, sprich pathogene Mikroben geben müsse. Diese Keimtheorie stieß jedoch bei vielen Forschenden seiner Zeit auf Skepsis, da sie glaubten, Krankheiten entstünden spontan und aus dem Nichts.
Geimpfte Hühner und Schafe
Doch Pasteur verfolgte seinen mikrobiellen Ansatz weiter und erfand so Impfstoffe gegen Cholera sowie Milzbrand und Tollwut. Seine erste wichtige Entdeckung auf diesem Gebiet erzielte Pasteur 1879 bei der Geflügelcholera, einer bakteriellen Infektionskrankheit. Durch Zufall entdeckte er, dass abgeschwächte, in die Hühner injizierte Cholera-Bakterien die Krankheit nicht mehr auslösten und die so geimpften Hühner dadurch dauerhaft vor einer Infektion geschützt waren. Dieses Prinzip der Lebendimpfung übertrug er später auch auf andere Krankheiten.
Weltweite Aufmerksamkeit erregte Pasteur 1881 mit einem öffentlichen Experiment gegen Milzbrand. Damals tötete die bakterielle Infektionskrankheit ganze Schafherden. Pasteur impfte 70 Tiere mit abgeschwächten Milzbrand-Erregern: Während alle geimpften Schafe überlebten, starben alle ungeimpften Kontrolltiere. Das überzeugte selbst Kritiker von der Richtigkeit seiner Keimtheorie.
Aus Rückenmark mach Totimpfstoff
Ein Jahr später widmete sich Pasteur der Tollwut, bei der er ebenfalls einen Mikroorganismus als Auslöser vermutete. Zwar war der Erreger der Tollwut mit den Mikroskopen seiner Zeit nicht sichtbar und erst später als Virus identifiziert worden, doch Pasteur entwickelte dennoch eine Methode, ihn zu bekämpfen.
Dazu wählte er Kaninchen als Versuchstiere und übertrug den Erreger durch direkte Injektionen von Tier zu Tier, bis er eine stabile Präparation erhielt. Um den unsichtbaren Erreger abzuschwächen, trocknete Pasteur das Rückenmark infizierter Kaninchen, bis die Präparate fast ihre Virulenz verloren hatten. Er ging fälschlicherweise davon aus, dass es sich um einen lebenden Mikroorganismus handelte und dass er diesen durch die Trocknung abgeschwächt und schließlich getötet hatte. Tatsächlich hatte er aber das Virus neutralisiert. Auf diese Weise ebnete er unbeabsichtigt den Weg für Totimpfstoffe.
Der erste Mensch, der den so von Pasteur entwickelten Tollwut-Impfstoff erhielt, war ein Kind. Der neunjährige Joseph Meister war 1885 von einem tollwütigen Hund gebissen worden, bekam daraufhin den Impfstoff gespritzt und überlebte. Dieser Erfolg verhalf Pasteur dann endgültig zu weltweiter Berühmtheit und brachte ihm viele Spenden ein. Bereits drei Jahre später wurde mit diesem Geld das Institut Pasteur in Paris eröffnet. Es gehört bis heute zu den führenden Zentren für Infektionsforschung und Impfstoffentwicklung.