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Notre Dame – Welterbe geht in Flammen auf

An den 15. April 2019 werden sich die Menschen in Paris noch lange erinnern. Denn an diesem Abend ging eines der Wahrzeichen der Stadt und eine der berühmtesten Kathedralen der Welt in Flammen auf: Notre Dame de Paris. Das Feuer zerstörte das Dach des im Jahr 1345 fertiggestellten Kirchengebäudes und ließ den zentralen Vierungsturm einstürzen. Die Kathedrale, die zwei Weltkriege und die französische Revolution überstanden hat, entging nur knapp ihrer kompletten Zerstörung.
NPO, 16.04.2019

Choransicht der brennenden Kathedrale. Das riesige Baugerüst ist Teil der Baustelle, auf der möglicherweise die Brandursache zu suchen ist.
Es war ein dramatischer Kampf: Gegen 18:30 Uhr brach in der Kathedrale von Notre Dame in Paris ein Feuer aus. Die Brandursache ist bisher ungeklärt, es wird jedoch vermutet, dass die zurzeit laufenden Restaurierungsarbeiten eine mögliche Rolle spielen. Schnell griff das Feuer auf die hölzerne Inneneinrichtung des rund 850 Jahre alten Kirchengebäudes und das Dach über – Flammen und Rauch waren weithin zu sehen.

Nur knapp der Zerstörung entgangen

Am frühen Abend dann brach der in Flammen stehende Vierungsturm der Kathedrale zusammen und stürzte auf das brennende Dach. Rund 500 Feuerwehrleute waren im Einsatz, um ein Übergreifen der Flammen auf die beiden großen Türme der Kathedrale und ein Einstürzen der Mauern zu verhindern. Während der Nacht gelang es, das Feuer unter Kontrolle zu bringen und weitgehend zu löschen. Ob die wertvollen Glasfenster der Kirche und die große Orgel die Gluthitze und das Feuer überstanden haben, ist noch nicht bekannt.

Weltweit herrscht große Anteilnahme und Trauer über den Brand dieser Ikone der Kirchenbaukunst. Frankreichs Präsident Macron sagte eine für diesen Abend geplante Fernsehansprache zur Nation ab und eilte zur Brandstelle. Er nannte das Feuer eine schreckliche Tragödie und kündigte an, die Kathedrale in jedem Fall wiederaufzubauen. "Das ist es, was Frankreich erwartet und was unsere Geschichte verdient", sagte er. Der Vatikan sprach von "Schock und Trauer", die UNESCO versicherte, sie stünde an Frankreichs Seite um dieses unbezahlbare Erbe zu retten und wiederaufzubauen.

Der elegante, 93 m hohe Vierungsturm wurde ein Opfer der Flammen.

mewzan - first fkng fireman DT (CC0)

Der Bau

Die Kathedrale von Notre Dame ist eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten von Paris – jährlich wird sie von 13 Millionen Menschen besucht. Neben dem Eifelturm gilt sie als eines der Wahrzeichen der Stadt und als nationales "Heiligtum" Frankreichs. Seit 1991 gehört Notre Dame zum UNESCO Weltkulturerbe. Bekannt wurde die Kathedrale auch durch einen mehrfach verfilmten Roman des französischen Schriftstellers Victor Hugo, der 1831 die unglückliche Geschichte von Quasimodo, dem Glöckner von Notre Dame erzählte.

Erbaut wurde die Kathedrale ab 1163 auf der Pariser Stadtinsel als Ersatz für die frühere Kathedrale Saint Etienne. Der damalige Bischof von Paris, Maurice de Scully, wollte zu Ehren der Jungfrau Maria eine neue, große Kirche errichten. Der Bau des 130 Meter langen und 35 Meter hohen Kirchenschiffs dauerte mehr als 80 Jahre. 1345 dann war die Kathedrale Notre Dame de Paris fertig.

Bis heute ist Notre Dame offiziell der Mittelpunkt Frankreichs: Ein Marker auf dem Kirchenvorplatz kennzeichnet den Nullpunkt – den Referenzpunkt für alle Entfernungsangaben der Straßen oder Schienenwege, die nach Paris führen.

Klassisches Postkartenmotiv aus besseren Zeiten: Auf dieser Südostansicht von Notre-Dame kommt der elegante Chor mit den weit ausgreifenden Strebebögen richtig zur Geltung.

Einzigartige Schätze

Notre Dame gilt ist der letzte und größte frühgotische Kathedrale der Welt. Besondere Merkmale sind der Innenaufriss mit Emporen, der Chor mit den eleganten Strebebögen und die Westfassade der Kathedrale mit der berühmten Fensterrose – einem der größten Rosettenfenster Europas. Über die Fassade zieht sich ein Band mit 28 Königsfiguren – die berühmte Königsgalerie. Entgegen landläufiger Meinung stellt sie aber nicht Könige Frankreichs dar, sondern biblische Könige von Juda.

In ihrem Inneren birgt die Kathedrale von Notre Dame wertvolle Kunstwerke und einen Kirchenschatz. Diese Schätze konnten bei Ausbruch des Feuers weitgehend gerettet werden, darunter ein Umhang von König Ludwig IX sowie die Dornenkrone, die Jesus Christus bei seiner Kreuzigung getragen haben soll. "Wir hatten eine Kette der Solidarität bei der Rettung der Kunstwerke, sie konnten bewahrt und an einen sicheren Ort gebracht werden", sagt die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. "Notre Dame ist die Geschichte von Paris."

Napoleon I. ließ das gotische Innere der Kathedrale anlässlich seiner Kaiserkrönung 1804 zu einem Tempel umdekorieren.

Gemeinfrei

Krönungen, Tode und Verwüstung: die wechselvolle Geschichte

Die Kathedrale war im Laufe ihrer Geschichte immer wieder Schauplatz historischer Ereignisse. In ihr wurden mehrere Könige von Frankreich bestattet, 1558 heiratete hier Maria Stuart den französischen Thronfolger Franz II. Eher unrühmlich war 1455 die Eröffnung des Prozesses von Johanna von Orleans, bei dem sie zum Tode verurteilt wurde.

Es erscheint fast als Ironie des Schicksals, dass diese Kathedrale mehr als 800 Jahre der Geschichte und zwei Weltkriege überstanden hat und nun fast durch ein Feuer zerstört worden wäre. Denn der Bau hat schon einige schwere Zeiten überstanden. Im frühen 18. Jahrhundert entsprach der Schmuck der Kirche nicht mehr dem Geist der Aufklärung. Damals wurden die Buntglasfenster durch schlichtes Glas ersetzt und die Innenwände weiß übertüncht. Auch viele Figuren an den Türmen wurden entfernt.

Während der französischen Revolution wurde die Kathedrale gestürmt und ein Großteil ihrer Inneneinrichtung von den Revolutionären zerstört. Die Figuren der Königsgalerie – Symbole des verhassten Monarchismus – und viele weitere Statuen fielen ebenfalls den Revolutionären zum Opfer. Die Kirche wurde entweiht und zu einem Tempel für die Göttin der Vernunft erklärt. Später nutzte man sie sogar als Weinlager.

Erst unter Napoleon und mit der Unterzeichnung des Konkordats mit der katholischen Kirche im Jahr 1801 durfte Notre Dame wieder als Gotteshaus genutzt werden. 1804 ließ sich Napoleon in dieser Kirche dann zum Kaiser krönen – nachdem er einen Großteil des Innenraums zu einem griechischen Tempel umdekorieren lassen hatte. Doch in den Folgejahren verfiel die Kathedrale zusehends. Anfang des 19. Jahrhunderts sollte sie sogar abgerissen werden.

Erst durch den Roman von Victor Hugo und das Engagement einiger städtischer Beamter bekam Notre Dame wieder öffentliche Aufmerksamkeit – und wurde ab 1843 umfassend renoviert. Im Zuge dieser 20 Jahre dauernden Arbeiten bekam sie einen neuen Spitzturm – der nun im Feuer zerstört wurde – und die berühmten Wasserspeier an ihrer Fassade. Auch neue Wandgemälde wurden in Auftrag gegeben und die Orgel rekonstruiert.

Kurz vor dem Großbrand vom 15. April hatte erneut eine Renovierung von Notre Dame begonnen. Ein umfangreiches Gerüst hüllte große Teile des Daches und den Vierungsturm ein. Die dort platzierten Statuen wurden nur vier Tage vor dem Feuer heruntergeholt, weil sie restauriert werden sollten – dadurch haben sie den Brand überdauert.

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