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Martin Heidegger: Der Philosoph des So-Seins
Worum geht es in Martin Heideggers Hauptwerk?
Martin Heideggers (1889–1976) Hauptwerk »Sein und Zeit« erschien 1927 und gilt als eines der einflussreichsten Werke der Philosophie des 20. Jahrhunderts.
Heidegger greift darin ein klassisches Thema der Metaphysik auf, nämlich die Frage nach dem Sinn von Sein. Dafür geht er den Grundstrukturen der menschlichen Existenz nach, die er Existenzialien nennt. Existenzialien sind etwa Angst, Schuldigsein, Sein zum Tode, In-der-Welt-Sein, Geworfenheit, Entwurf, Sorge. Heidegger will das Dasein des Menschen ergründen. So gilt er als Begründer der Existenzialontologie; Ontologie ist die Lehre vom Sein.
Karl Jaspers (1883–1969) führte Heideggers Philosophie zur eigentlichen Existenzphilosophie, indem er die realen Bedingungen menschlicher Existenz untersuchte. Er stellte nicht das Sein, sondern den Menschen selbst in den Mittelpunkt und gab sich als Philosoph, im Gegensatz zu Heidegger, betont unakademisch.
War Heidegger ein Nazi?
Heideggers herausragende Stellung in der Philosophie des 20. Jahrhunderts wird allgemein anerkannt. Umstritten ist jedoch seine Person, vor allem wegen seiner Nähe zum Nationalsozialismus. Tatsächlich war Heidegger überzeugt, dass den Deutschen als »Volk der Dichter und Denker« eine Führungsposition in der Welt zustünde. Und als Hitler 1933 an die Macht kam, hielt er ihn für den einzigen Politiker, der wieder Ordnung in das aufgewühlte Deutschland bringen könnte. Damals übernahm Heidegger als Nachfolger eines entlassenen Sozialdemokraten die Rektorenstelle an der Universität Freiburg, an der er auch studiert hatte, und wurde NSDAP-Mitglied. In seiner Antrittsrede kündigte er die Selbsterneuerung der Universität im Sinne der herrschenden Ideologie an und erklärte: »Der Führer allein ist die heutige und künftige deutsche Wirklichkeit und ihr Gesetz.« Schon ein Jahr später trat er allerdings von seinem Rektorenamt zurück.
Trotz dieser Anbiederung betrieben die Nazis die »Erneuerung« der Universität auf ihre Weise, besetzten freie Stellen mit linientreuen Parteigenossen. Das war Heidegger nie wirklich. Er verbot die Bücherverbrennung an der Universität, auch sind von ihm keine rassistischen oder kriegstreiberischen Aussagen bekannt. Dennoch erhielt er 1945 von den Alliierten Lehrverbot, zumal er sich auch nicht öffentlich von seiner eigenen Rolle distanzierte. 1951 wurde Heidegger emeritiert, also in den Ruhestand verabschiedet.
Was ist die Existenz?
Die Kernaussage von Heideggers Ontologie lautet: Das Wesen des Menschen liegt in seiner Existenz. Das Dasein ist zwar in die Welt »geworfen«, wird aber nicht auf ein bestimmtes So-Sein festgelegt. Es muss sich vielmehr selbst und immer aufs Neue zu dem machen, was es sein will. Das menschliche Dasein ist ein »Sein zum Tode«, womit Heidegger die Aufforderung zur »Entschlossenheit« verknüpft, das Nichts zu überwinden, indem man es mit seinem So-Sein, mit seiner gewählten Existenz, auffüllt. Nur dann hat der Mensch den Sinn seiner Existenz erreicht. Doch wie finde ich nun mein persönliches So-Sein? Wie verhindere ich ein Scheitern meines Lebens? Auf diese Frage gibt Martin Heidegger keine Antwort.
Was prägte die Philosophie Heideggers?
Vor allem Heideggers besondere Sprache wurde leidenschaftlich imitiert: Denn bei ihm erhalten Wörter völlig neue Bedeutungen. »Sorge« ist bei ihm nicht die Sorge, ob das Geld diesen Monat noch reicht, sondern die Aufgabe, die der Mensch als Existenz zu vollbringen hat. Auch durch Wendungen wie »seinsverstehende Seinsweise« oder »das Nichten des Nichts« und Neuschöpfungen wie »Zuhandenheit« erhebt sich Heidegger auf ein sprachliches Niveau, das dem verschlossen bleibt, der in seinem Denken nicht zu Hause ist. Dennoch oder vielleicht gerade darum avancierte er zur Kultfigur intellektueller Zirkel: Wer Heidegger verstand, gehörte dazu.
Wussten Sie, dass …
vor allem in den 1920er Jahren viele Studenten versuchten, den Philosophen auch in seiner schlichten, fast bäuerlichen Kleidung nachzuahmen? Sogar sein Räuspern und Spucken kam in Mode.
man sich vor allem in Frankreich intensiv mit seinem Denken und dessen Verhältnis zur Ideologie des Nationalsozialismus auseinandersetzt?
Wohin zog Heidegger sich zurück?
Ungeachtet seiner wachsenden Popularität, vor allem im Ausland, bekannte sich Heidegger zeitlebens zur »Provinz«, zu seiner Heimat – dem Schwarzwald, der beschaulichen Universitätsstadt Freiburg, seinem Geburtsort Meßkirch. Am liebsten hielt sich der Philosoph in seinem Schwarzwaldhaus am Todtnauberg auf, einem weiten Hochtal des südlichen Schwarzwalds. Hier lebte der Mann, der sich zu extremen geistigen Höhen aufschwang, seine Bodenständigkeit.
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