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Künstliche Farbstoffe: Das erste Massenprodukt

Welches war der erste künstliche Farbstoff?

Den ersten synthetischen Farbstoff (Mauvein, sprich »Mowe-in«, von französisch mauve, »Malve«) entdeckte der Brite Henry Perkin (1838–1907) im Jahr 1856 eher zufällig bei dem Versuch, aus Anilin – einem Teerbestandteil – Chinin herzustellen. Die unansehnliche schwarze Masse löste sich überraschenderweise in Alkohol und lieferte dann eine violette Farbe, die dauerhaft in Stoffe eindrang, ohne auszubleichen. Die Mauveinsynthese gab den Startschuss für die Herstellung einer Vielzahl anderer synthetischer Anilin-Farben, etwa Perkin-Grün, Alizarin (Rot) und Methylenblau.

Welches waren die ersten Chemiefabriken?

Die erste Fabrik gründete Henry Perkin kurz nach seiner bahnbrechenden Entdeckung des Mauveins mit dem Ziel, diesen künstlichen Farbstoff in größerem Maßstab herzustellen. Damit legte er den Grundstein für einen neuen Industriezweig: die chemische Industrie. In rascher Folge entstanden überall neue Farbenfabriken, in Deutschland etwa die Firmen Boehringer Mannheim (1859), Bayer, Hoechst und Kalle (1863), Badische Anilin- & Sodafabrik (BASF, 1865), Agfa (1867) und Schering (1871). Schon 1877 betrug der deutsche Anteil an der Welterzeugung von Farbstoffen 50 Prozent, bis 1913 stieg er auf 87 Prozent.

Welcher Farbstoff macht Jeans blau?

Indigo. Bereits im Altertum war bekannt, dass aus den Blättern des Färberwaids ein Farbstoff gewonnen werden kann, der Textilien einen intensiven Blauton verleiht. Das Verfahren war allerdings sehr mühselig und auch recht unappetitlich, denn es waren große Mengen gut abgestandenen Urins erforderlich.

Der Weg zur technischen Synthese von Indigo war recht schwierig. Lange Zeit ließ sich der Farbstoff, mit dem im 19. Jahrhundert vor allem Uniformen und Arbeitskleidung eingefärbt wurden, trotz aller Bemühungen nicht künstlich herstellen. Erst nachdem Adolf von Baeyer und seine Mitarbeiter 1870 seine chemische Struktur aus zwei miteinander verbundenen Doppelkohlenstoffringen aufgeklärt hatten (wofür von Baeyer 1905 den Nobelpreis für Chemie erhielt), konnte eine Synthese gesucht werden. Ein Verfahren war nach zehn Jahren gefunden, doch war es für den großtechnischen Einsatz zu teuer.

Werden Jeans im Licht ausgebleicht?

Nein, mit Indigo gefärbte Stoffe sind durchaus lichtecht. Dass ältere Jeans nach und nach ihre Farbe verlieren, liegt an der mechanischen Beanspruchung, der dieses für körperliche Arbeiten geschaffene Kleidungsstück meist stärker unterworfen ist als der feine Zwirn eines Bankangestellten. Wie so oft hat sich dieser Materialfehler bei manchen Kunden zum besonderen Qualitätsmerkmal bzw. »Look« entwickelt: So genannte Stone-washed, Moon-washed oder Mouth-washed Jeans werden bereits bei der Produktion so vorbehandelt, dass sie schon im Laden stellenweise ausgebleicht und damit gebraucht aussehen.

Sind Lebensmittelfarben immer künstlich?

Nein, es gibt sowohl aus Naturstoffen als auch künstlich hergestellte Lebensmittelfarbstoffe. Bekannte Speisefarben, die völlig unbedenklich genossen werden können, erhält man beispielsweise aus Safran (Gelb), dem auch in Curry enthaltenen Curcumin (Gelb-orange, E100) und aus Roten Beten (E162). Letztere färben so intensiv, dass man beim Kochen auf seine Kleidung achten sollte und der Farbstoff auch am nächsten Tag – nach der Darmpassage – noch deutlich zu erkennen ist.

Ein künstlicher Lebensmittelfarbstoff ist E110, auch als »Gelborange« bekannt, der u. a. in Obstkonserven zu finden ist. Es gibt auch mineralische Farbstoffe wie Titandioxid, das Zahnpasta zugesetzt wird. Am häufigsten werden in der Lebensmittelindustrie sog. naturidentische Farbstoffe eingesetzt. Hierunter sind synthetische Nachbildungen von auch natürlich auftretenden Substanzen zu verstehen. Ein typisches Beispiel ist Vanillin. Es entspricht dem Hauptaromastoff der Vanille, wird aber aus Ligninsulfonsäure hergestellt, einem Abfallprodukt der Papierherstellung.

Was macht man, wenn man blau macht?

Nichts, denn diese Redewendung geht auf den letzten Schritt im klassischen Färbevorgang mit Indigo zurück: das Abwarten, bis die angesetzte Färbelösung den Textilien den gewünschten Farbton gegeben hat.

Wussten Sie, dass …

Walter Flemming (1843–1905) synthetische Farbstoffe verwendete, um Körperzellen anzufärben, und dabei 1882 die Chromosomen im Zellkern entdeckte? Und dass Robert Koch (1843–1910) mit Methylenblau die Tuberkelbazillen nachwies?

der im fränkischen Buttenheim geborene Industrielle Levi Strauss (1829–1902) in den 1870er Jahren eine mit Indigo gefärbte Arbeitshose auf den Markt brachte, die sich zum meistgetragenen Kleidungsstück weltweit entwickeln sollte? Es war die Blue Jeans.

das Levi-Strauss-Museum in Buttenheim eine große Ausstellung zur Geschichte der Jeans zeigt?

die amerikanische Bezeichnung Denim für Jeansstoff eine Verkürzung des französischen »serge de Nîmes« (Gewebe aus Nîmes) ist? In der südfranzösischen Stadt wurde schon seit langem ein strapazierfähiger Stoff mit diesem Webmuster hergestellt.

der ADI-Wert angibt, welche Menge eines Lebensmittelfarbstoffs bedenkenlos eingenommen werden kann? »ADI« steht dabei für »acceptable daily intake«, zu Deutsch »akzeptierbare Tagesaufnahme«.

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