Wissensbibliothek
Das religiöse Leben der Griechen: Opfer und Orakel
Zeus | Blitz und Donner, Gewitter |
Poseidon | Meer, Erdbeben |
Hera | Ehe |
Hephaistos | Feuer, Metall, Schmiedekunst |
Hades | Totenreich |
Demeter | Fruchtbarkeit, Wachstum, Landwirtschaft |
Athene | Wissenschaft, Tapferkeit |
Hestia | Herdfeuer |
Aphrodite | Liebe |
Ares | Krieg |
Apoll | Kunst |
Artemis | Jagd |
Dionysos | Rausch, Wein |
Helios | Sonne |
Gaia | Erde |
Uranos | Himmel |
Kronos | Zeit |
Selene | Mond |
Okeanos | Gewässer |
Warum hatten die Griechen so viele Götter?
Wegen der Vielzahl der Naturerscheinungen. Wie viele andere Religionen hat auch die griechische ihren Ursprung darin, dass die Menschen versuchten, sich ihre Umwelt zu erklären und sie zu domestizieren. Phänomene wie Blitz und Donner, das Wachstum der Pflanzen, das Beben der Erde waren den Menschen unerklärlich. Man vermutete höhere Gewalten als Ursache. Diese waren zunächst abstrakt und unpersönlich. Doch durch das menschliche Bestreben, mit ihnen umgehen, sie beeinflussen zu können, gewannen sie an Persönlichkeit. So wurde Zeus der Gott, der die Blitze warf. Diesen personalen Göttern wurde in ihren Kultbildern ein menschliches Erscheinungsbild gegeben.
Wann bekamen die Götter menschliche Wesenszüge?
Zwischen 1200 und 900 v. Chr. Mit der Entwicklung hierarchisch geordneter Stadtstaaten entstand die so genannte homerische Religion, in der die Götter nicht nur eine menschliche Gestalt, sondern auch menschliche Wesenszüge erhielten und wie die Menschen in einer strengen Hierarchie lebten. Sie waren Gefühlen und Leidenschaften unterworfen, liebten, hassten, waren voll Neid oder Mitleid. Sie waren wie die Menschen und verkehrten mit ihnen, mit dem Unterschied, dass sie mächtige und unsterbliche Götter waren.
Die Götter pflegten auch untereinander Beziehungen, lebten in Familien, zeugten Kinder, betrogen, bekämpften und unterstützten einander. Die Götter spannten den ganzen Kosmos auf. Apoll war für die Kunst zuständig. Athene förderte die Wissenschaft. Hera schützte die Ehe. Poseidon beherrschte das Meer. Hades regierte das Totenreich. Die Welt bestand aus göttlichen Wirkungen und das Leben der Menschen orientierte sich an den Göttern. Nach griechischer Überzeugung hatten sich die Götter den Gipfel des Berges Olymp als ihren Sitz auserwählt.
Wie wurden die Götter verehrt?
Durch Opfer und Gebete. Die Götter waren von diesen Opfern abhängig und wetteiferten darum. Vernachlässigten die Menschen ihre Huldigung, zürnten die Götter und brachten Leid und Unglück über die Welt. Die Einhaltung der Regeln zur Verehrung der Götter war von größter Wichtigkeit. An bestimmten Orten waren sie besonders gegenwärtig und den Menschen zugänglich. Solche Orte konnten Quellen, Haine oder Blitzmale sein. Hier entstanden die großen Heiligtümer.
Mächtige Priesterschaften entwickelten sich, die wegen ihrer besonderen Nähe und Vertrautheit mit den Göttern großen sozialen und politischen Einfluss genossen. Alle Bereiche des Lebens wurden in den Kult integriert. Für alle Situationen gab es einen Gott und einen Kult.
Jede Stadt hatte ihr Heiligtum, in dem die Gottheit verehrt wurde, der sich die Stadt besonders verpflichtet fühlte. Der Kult dieser Gottheit gehörte zu den Bürgerpflichten. Von Staats wegen wurden aufwändige Gottesdienste begangen.
Welche Funktion erfüllten die Orakel?
Sie sollten dabei helfen, den Willen der Götter zu enthüllen und Handlungsanweisungen für Fragen aller Art zu geben. Die Priester wussten, wie ein heiliger Bezirk eingegrenzt werden musste, den auch die Götter respektierten, wie ein Opfer darzubringen war, damit es das Wohlgefallen der Götter fand, und welche Zeichen die Götter an den Eingeweiden der Opfertiere anbrachten, wenn sie vor Unheil warnen wollten. Im Vogelflug offenbarten die Götter ihren Willen, und ausersehene Priester wie die Pythia von Delphi konnten diesen Willen in ekstatischen Zuständen erfassen.
Die Priesterschaft von Delphi bestand aus gebildeten Personen, die in ihren Ratschlägen beträchtliche Kenntnisse der jeweiligen politischen Situation unter Beweis stellten, ohne sich dabei eindeutig festzulegen. Gerne hielten sie ihre Orakelsprüche zweideutig. Als der König Krösus fragte, ob es klug wäre, seine Nachbarn anzugreifen, prophezeite das Orakel, wenn er den Grenzfluss Halys überschreite, würde er ein Reich zerstören – gemeint war sein eigenes, wie sich dann herausstellte. Das Orakel von Delphi wurde in allen Fragen privater und öffentlicher Art zu Rate gezogen. Es stellte eines der Elemente dar, die die gesamte griechische Staatenwelt einte und verband.
War die Olympiade auch ein religiöses Ereignis?
Ja. Die Spiele fanden alle vier Jahre in Olympia, einem Heiligtum des Zeus, statt. Diese Wettkämpfe aller Griechen waren weit mehr als nur ein sportlicher Wettbewerb, sondern hatten eine konkrete religiöse Funktion. Die Olympischen Spiele waren dem Zeus geweiht, und die erbrachten Leistungen stellten ein Opfer dar.
Welche weiteren Götterkulte gab es?
Allgemein galten Gesang, Dichtung, Tanz und Schauspiel als Gottesdienst. In Athen waren auch die Dramenwettbewerbe eine religiöse Aufgabe. Man wollte jeden Bereich des Kosmos positiv beeinflussen. Die Götter mussten am Glück der Menschen beteiligt werden, damit sie dann auch Unheil von ihnen fernhielten.
So erzählt Herodot die Geschichte vom Ring des Polykrates. Polykrates, der erfolgreiche und weithin anerkannte Herrscher von Samos, opferte einen besonders kostbaren Ring, den er ins Meer warf, damit die Götter nicht auf sein Glück neidisch würden. Als einige Zeit später der Ring in einem Fisch gefunden wurde, den man für Polykrates gefangen und zubereitet hatte, war die Betroffenheit groß. Die Götter hatten diesen Tribut nicht angenommen und Polykrates stürzte folgerichtig ins Unglück.
Worauf gründete sich das Rechtsempfinden?
Die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens wurden durch göttliche Autorität bekräftigt. Damit war die griechische Religion nicht allein. Auch die zehn Gebote des alten Testamentes enthielten die Bestimmungen zum Erhalt des sozialen Zusammenlebens und waren genauso Gottes Auftrag wie das göttliche Recht der Griechen.
Die griechische Mythologie liefert zahlreiche Beispiele für das göttliche Recht und die Folgen seiner Missachtung. Medea, die Tochter des Königs von Kolchis, half ihrem Geliebten Jason, das Goldene Vlies zu stehlen. Darin lag ein Frevel. Medea wurde vom Schicksal dafür bestraft. Jason heiratete sie, wandte sich aber einer anderen zu, und Medea tötete aus Verzweiflung und Eifersucht die gemeinsamen Söhne. Die Griechen sahen darin die Strafe für Jasons Frevel und Verrat.
Konnte man das Schicksal beeinflussen?
Nein. Das Schicksal war in der Vorstellung der Griechen eine allmächtige Instanz, der man nicht entrinnen konnte. Der Sagenzyklus um die Familie des Agamemnon führt dies besonders eindrucksvoll vor Augen.
Agamemnon, der König von Mykene, war der Anführer der Expedition gegen Troja. Weil die Götter durch widrige Winde die Abfahrt verhinderten, beschloss Agamemnon, seine Tochter Iphigenie der Göttin Artemis zu opfern. Seine Frau Klytämnestra wusste nicht, dass das Mädchen gerettet worden war und tötete mit ihrem Geliebten Aigystos den Gemahl nach dessen Rückkehr aus Troja. Ihre Tochter Elektra brachte ihren Bruder Orestes dazu, den Mord am Vater zu rächen und die Mutter und ihren Liebhaber zu töten. Keiner der Beteiligten konnte sich den Verstrickungen und der Schuld entziehen.
Wen traf das Schicksal besonders hart?
Außerordentlich eindrucksvoll ist das Schicksal des Ödipus. Seinen Eltern war prophezeit worden, dass ihr Kind seinen Vater töten und seine Mutter heiraten würde. Die Eltern ließen das Kind aussetzen, es wurde gefunden und aufgezogen. Der junge Mann erhielt später das gleiche Orakel wie seine Eltern und verließ sie erschrocken, um dieses Schicksal abzuwenden. Auf seiner Wanderung traf er seinen leiblichen Vater, ohne ihn zu erkennen, und erschlug ihn im Streit.
Er kam in seine Heimatstadt und wurde als Belohnung für die Hilfe, die er der Stadt gegen die Sphinx leistete, mit seiner Mutter, der Witwe des Königs, verheiratet und zum König gemacht. Zwar war dies vom Schicksal so vorgesehen, doch blieb das unwillentlich geschehene Unrecht bestehen. Das Paar hatte zwei Söhne und zwei Töchter. Ödipus und seine Mutter erfuhren von den Orakeln und Nachforschungen enthüllten die Wahrheit. Ödipus blendete sich und seine Mutter beging Selbstmord. Die Söhne töteten einander im Bruderkrieg.
War das Schicksal damit erfüllt?
Noch nicht. Antigone, eine der Töchter, wurde zum Tode verurteilt, weil sie dem abtrünnigen Bruder das Begräbnis nicht verweigern wollte – auch darin hätte ein Frevel gelegen. Der Fluch wirkte selbst eine Generation später noch.
Diese Beispiele sind charakteristisch für die Überzeugung der Griechen, einem mächtigen Schicksal unterworfen zu sein, dem auch die Götter nicht entgehen konnten. Die in der Mythologie beschriebenen Fälle stellen allesamt psychologische Grundsituationen dar. Sie illustrieren die menschlichen Triebe und Leidenschaften, denen sich niemand entziehen kann und die unausweichliches Unheil und Schuld über jeden Einzelnen bringen können.
Wussten Sie, dass …
Frevel an der Gottheit und ihren Heiligtümern ein Staatsverbrechen war? Das war nur logisch, denn eine zürnende Gottheit entzog der Stadt ihr Wohlwollen, und so war deren Bestand gefährdet.
zur Verehrung der Götter auch die Einhaltung des göttlichen Rechtes, Gastfreundschaft, die Achtung des Herdfeuers und Respekt vor den Eltern gehörte?
Wussten Sie, dass …
in Olympia nicht nur sportliche, sondern auch künstlerische Wettbewerbe stattfanden?
die Unausweichlichkeit, Schuld auf sich zu laden, wenn das Schicksal es so beschlossen hat, das zentrale Thema der griechischen Tragödie ist? Immer wieder tritt dort ein grausames Schicksal auf den Plan, das den Menschen in schuldhafte Taten verstrickt, ohne dass er sich dagegen wehren kann.
Wie setzte sich die Philosophie mit dem Schicksal auseinander?
Indem sie die Götter entthronte. Die Entwicklung der griechischen Philosophie, die richtungsweisend für die abendländische Philosophie und das wissenschaftliche Denken überhaupt wurde, wurzelte wesentlich in der Auseinandersetzung mit der Frage, wie der Mensch gut handeln und glücklich werden, also seinem bedrohlichen Schicksal entgegenwirken könne. Dies ist die letzte, späte Reaktion der Griechen auf das Bewusstsein, widrigen Mächten ausgeliefert zu sein.
Am Anfang dieser Entwicklung steht die Verehrung der Naturgewalten, die sich der menschlichen Beeinflussung entzogen. Mit Gebeten und Opfern sollten die Götter milde gestimmt werden. Die griechischen Naturphilosophen versuchten dann, die verschiedenen Erscheinungen der Welt zu ergründen und zu verstehen. Mit der anthropozentrischen Wende der Philosophie stellte sich der Mensch selbst in den Mittelpunkt seiner Suche und fand sich mit den gleichen Fragen und Problemen konfrontiert, die er schon den Göttern gestellt hatte. Damit war die antike Religion an ihren Schlusspunkt gelangt.
Zum Himmel stinken
Im Himmel gibt’s kein Bier, drum trinken wir es hier.“ Wenn man dem Schriftsteller Ernst Neubach glauben möchte – und es gibt keinen Grund, seine Auskünfte stärker in Zweifel zu ziehen als andere Berichte über den sogenannten Himmel –, so sind dort weder Pils noch Weißbier vorrätig. Weshalb ihr Konsum auf einem Planeten am Rande...
Kino im Kopf
Können Forscher und Philosophen das Rätsel des Bewusstseins entschlüsseln? Text: TOBIAS HÜRTER Illustrationen: RICARDO RIO RIBEIRO MARTINS Stellen Sie sich ein Wesen vor, das exakt so aussieht wie Sie, sich exakt so bewegt und so spricht wie Sie. Mit einem Unterschied: Diesem Wesen fehlt das innere Kino, das Sie in jedem wachen...