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Prager Veitsdom: Ein Schlüsselbau der Kathedralgotik

Wie kam es zum Bau des Doms?

Durch den Aufstieg Prags zum politischen und kulturellen Mittelpunkt des späteren Habsburgerreiches Anfang des 14. Jahrhunderts, der begann, als Böhmen durch Erbschaft an das Haus Luxemburg fiel: König Karl von Böhmen (1313–1378) wurde auf Betreiben des Papstes und mehrerer Kurfürsten zunächst zum Gegenkönig erklärt und im Jahr 1347 als Karl IV. offiziell anerkannt. Das Hauptaugenmerk des neuen Kaisers verlagerte sich nun von Italien, das unter seinen Vorgängern jahrhundertelang Mittelpunkt machtpolitischer Auseinandersetzungen gewesen war, nach Osten, wo er die wehrhafte böhmische Residenzstadt zur prachtvollen Metropole ausbaute.

So stiftete er dort 1348 nicht nur die erste Universität des Heiligen Römischen Reiches, sondern veranlasste im Zusammenhang mit dem repräsentativen Ausbau des Burgkomplexes auf dem Prager Hradschin auch den Bau des Doms. Dieser stand im Zusammenhang mit der Erhebung Prags zum Erzbistum im Jahr 1344. Er wurde dem heiligen Vitus geweiht, einem im slawischen Raum populären Märtyrer. Für dessen Armreliquie war bereits um 930 die Sankt-Veits-Rotunde entstanden, die dem heutigen Dom eingegliedert wurde.

Welche Architekten waren am Dombau beteiligt?

Man begann die Bauarbeiten zunächst unter dem Architekten Matthias von Arras aus Avignon nach Plänen, die dem französischen Kathedraltypus des 13. Jahrhunderts entsprachen. Nach Arras' Tod übernahm dann der erst 23-jährige Peter Parler die Bauleitung. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits ein großer Teil der acht polygonalen Chorkapellen, des Chorumgangs und des Arkadengeschosses. Parler entschied nun eine Planänderung, die eine Fülle an Neuerungen umfasste, aus der ganze Architektengenerationen schöpfen sollten.

Welche Neuerungen führte Parler ein?

Mit freier Hand verteilte er am Außenbau des Chores die unterschiedlichsten Ausformungen von Maßwerk, nicht mehr starr gereiht, sondern mit vielfältigen Variationen. Bauglieder sitzen nicht mehr nur nebeneinander, sondern durchdringen sich. Im Inneren ist Parlers Hand über dem noch von Arras gebauten Arkadengeschoss leicht zu erkennen: Die gesamte Zone darüber scheint von einer rhythmischen Wellenbewegung erfasst, eine gitterartige, lichtdurchströmte Triforiumszone (der niedrige Laufgang über den Arkaden) gewährt ungekannte Durchblicke und selbst das Chorgewölbe ist in seiner Anlage innovativ – alles Neuheiten, die hier erstmals in die gotische Baukunst Eingang fanden.

Im Triforium brachte Parler elf Büsten (1374–1385) an, die in ihrer erfrischend individuellen Gestaltung die Renaissance vorwegnehmen und zum Bedeutendsten zählen, was spätmittelalterliche Skulptur hervorbrachte. Sie zeigen neben Karl IV. samt seinen Gemahlinnen, Brüdern, Eltern, Sohn und Schwiegertochter auch die Dombaumeister Matthias von Arras und Parler selbst, der sich mit Zunftzeichen verewigte.

Welche Schätze birgt das Innere des Doms?

Eine Fülle hochrangiger Kunstschätze von der Gotik bis zum Barock findet sich in Chorumgang und Kapellenkranz, darunter ein von Karl IV. gestifteter silberner Reliquienaltar nach Entwurf des bedeutenden Barockarchitekten Johann Bernhard Fischer von Erlach für den 1393 in der Moldau ertränkten heiligen Johann Nepomuk. Die als edelsteinverkleideter Reliquienschrein gestaltete Kapelle des böhmischen Herzogs Wenzel (um 903–935), National- und Namensheiliger des Kirchenstifters (Karl IV. = Wenzel von Böhmen), ist ein virtuoses Beispiel hochgotischer Raumgestaltung und diente religiöser wie politischer Legitimation. Die Wände überziehen zwei komplexe Bildfolgen: die Passion Christi in Edelstein eingelegt, darüber als Freskenzyklus die Vita des heiligen Wenzel. Dessen Statue von Heinrich Parler (1372) zählt zu den Hauptwerken böhmischer Gotik.

Wo arbeitete die Familie Parler?

Die große Baumeister- und Bildhauerfamilie mit »sprechendem« Namen (»parlier« war der Werkführer der mittelalterlichen Bauhütte) war im 14. Jahrhundert in den wichtigsten Zentren tätig (Schwäbisch Gmünd, Freiburg, Ulm, Straßburg, Basel, Wien oder eben auch Prag) und führte herausragende Neuerungen in die gotische Baukunst ein. Patriarch Heinrich Parler wurde um 1300 geboren. Er hatte schon am Kölner Dombau mitgewirkt und erwarb sich einen Ruf als Meister des Hallenumgangschores der Heilig-Kreuz-Kirche in Schwäbisch Gmünd, der ein neues Verständnis für das räumliche Gefüge eines gotischen Chores begründete.

Bedeutender noch war sein Sohn Peter (1330/33–1399), der in Prag vielfache Spuren hinterließ (Allerheiligenkirche, Karlsbrücke mit Altstädter Brückenturm). Als erste und wichtigste Arbeit vollendete er dort den Dom, in dem sich auch sein bildhauerisches Werk konzentriert. Der »Parlerstil«, den eine in der Gotik zuvor unbekannte Lebensnähe der Figuren auszeichnet, beeinflusste bis ins 15. Jahrhundert in Österreich und Ungarn sowie im süd- und mitteldeutschen Raum maßgeblich die Entwicklung der gotischen Skulptur.

Wussten Sie, dass …

der Dom als Krönungskirche der böhmischen Könige der ideologischen Fundierung ihrer Herrschaft dienen sollte?

in der Krypta die böhmischen Herrscher ruhen, darunter Kaiser Rudolf II. (1552 bis 1612), der auch den Auftrag zum Habsburger-Mausoleum im Chor erteilte?

die Sigismundglocke des Doms mit 17 Tonnen die schwerste Glocke des Landes ist?

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