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Napoleon Bonaparte im Faktencheck
Im Jahr 1812 steht fast ganz Europa unter der Kontrolle Frankreichs. Dies ist das Werk eines einzigen außergewöhnlichen Mannes: Napoleon Bonaparte. Doch seine Geschichte ist nicht nur die eines ausgebufften Feldherrn, sondern auch die eines Outsiders, der es bis ganz nach oben geschafft hat. Denn als Napoleon 1769 in Korsika auf die Welt kommt, findet er nicht unbedingt die besten Startbedingungen vor.
Seine italienischstämmige Familie gehört zum verarmten Adel und kann Napoleon Buonaparte, wie er damals noch heißt, nur dank eines Stipendiums auf die Militärschule schicken. Dort wird er früh wegen seines korsischen Akzents ausgegrenzt. Und vielleicht auch, weil er ungewöhnlich klein war?

Mythos 1: Napoleon war kleinwüchsig
Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, Napoleon sei auffallend klein gewesen. Nach ihm ist daher auch der „Napoleon-Komplex“ benannt – ein Verhalten, mit dem kleine Menschen ihre geringe Körpergröße angeblich mit Erfolgen und Statussymbolen kompensieren wollen. Zwar war Napoleon mit seinen 1,67 Metern Körpergröße für heutige Verhältnisse tatsächlich ein eher kleiner Mann, doch in der damaligen Zeit entsprach er dem Durschnitt. Er war also definitiv nicht kleinwüchsig.
Dass Napoleon dieser Ruf trotzdem bis heute nacheilt, ist stattdessen die Folge britischer Kriegspropaganda im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Zahlreiche Karikaturen stellten den französischen Kriegsherrn damals zum Beispiel als Kleinkind mit Wutanfall oder als kleinen Gnom dar. Dadurch wurde auch Napoleons britischer Spitzname „little Boney“ („kleiner Dürrer“) immer geläufiger.

Mythos 2: Napoleon hat sich selbst gekrönt
Obwohl Napoleon als Schulkind von seinen Mitschülern gehänselt wird, brilliert er später mit seinem militärischen Geschick. Sein Vorbild: Karl der Große. Im Alter von gerade einmal 27 Jahren ist der Outsider schließlich so hoch aufgestiegen, dass er den französischen Italienfeldzug führen darf und dabei große militärische Erfolge erzielt. Es folgt eine militärische Expedition nach Ägypten. Mithilfe seines neuen Status putscht Napoleon sich in den Wirren nach der französischen Revolution schließlich an die Macht und wird 1804 zum ersten französischen Kaiser gekrönt. Oder hat er sich wie oft behauptet sogar selbst gekrönt?
Dieser Mythos stimmt tatsächlich. Als Napoleon im Dezember 1804 in der Pariser Kathedrale Notre Dame zum Kaiser gekrönt werden soll, entreißt er Papst Pius VII. kurzerhand die Krone und platziert sie selbst auf seinem Kopf. Anschließend krönt Napoleon auch seine Frau Marie-Josephe-Rose de Beauharnais, kurz Josephine, zur Kaiserin.

Mythos 3: Napoleon war schlecht im Bett
Josephine hat Napoleon bereits im Jahr 1796 geehelicht. Auf den ersten Blick mag die sechs Jahre ältere Witwe und Mutter zweier kleiner Kinder nicht die beste Partie gewesen sein, doch Josephines Adelstitel verspricht Napoleon sozialen Aufstieg. Gleichzeitig liebt der junge General sie aber auch aus tiefstem Herzen – wahrscheinlich sogar deutlich mehr als sie ihn. Während seiner Feldzüge schreibt er ihr fast jeden Tag, auch wenn Napoleons Herzensdame nicht einmal alle seiner Briefe öffnet. Ihre Ehe funktioniert dennoch. Nur im Bett soll es gehapert haben.
Auch dieser Mythos ist wahrscheinlich nicht allzu weit hergeholt, wie Napoleon-Experte Michael Broers von der Oxford University bestätigt: „Wir wissen, dass er sexuell ziemlich unerfahren war, als er Josephine kennenlernte, denn so hat er es anderen erzählt und es steht in seinen Memoiren.“ Ob es nun an Napoleons mangelnden „Fähigkeiten“ oder an anderen Faktoren lag: Die Ehe der beiden bleibt kinderlos. Später lässt sich der Kaiser von seiner Frau scheiden und ehelicht stattdessen die österreichische Kaisertochter Marie Louise, mit der er schließlich seinen Sohn Napoleon II. zeugt.
Mythos 4: Napoleon wurde vergiftet
Zwar hat Napoleon im Jahr 1812 fast ganz Europa unterjocht, doch den Feldherrn dürstet es nach noch mehr Macht. Also marschiert er in Russland ein, doch dieser Feldzug entwickelt sich schnell zu einem riesigen Desaster. Zehntausende seiner Soldaten sterben, viele davon bereits auf dem Weg durch Eis und Schnee. Außerdem verbündet sich Russland nun mit Preußen und Österreich. Als das Bündnis dieser Alliierten im Jahr 1813 in Leipzig gegen Napoleon antritt, schlägt es den Kaiser vernichtend in der „Völkerschlacht“.
Bald darauf, Ende März 1814, muss Napoleon schließlich als Kaiser abdanken und wird ins Exil auf die Mittelmeerinsel Elba geschickt. Doch ihm gelingt die Flucht zurück nach Frankreich, wo er sich wieder an die Macht kämpfen kann. Nach gerade einmal 100 Tagen scheitert Napoleon jedoch erneut, als er eine Schlacht in der Nähe des belgischen Waterloo verliert. Dieses Mal wird er auf die mitten im Südatlantik gelegene Insel St. Helena verbannt, wo er am 5. Mai 1821 schließlich stirbt. Doch war es ein natürlicher Tod?
Nachdem man in Napoleons Haaren ungewöhnlich hohe Konzentrationen des giftigen Halbmetalls Arsen gefunden hatte, nahmen manche an, er sei vergiftet worden. Doch tatsächlich zeigen die Haarproben einiger Zeitgenossen, dass seine Arsen-Werte für die damalige Zeit durchschnittlich waren. Napoleons Todesursache war stattdessen ein aggressiver Krebs, der sowohl seinen Magen als auch seine Lymphknoten befallen hatte.