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Der Freitag nach dem Freitag nach dem Sonntag
"Der Freitag nach dem Freitag nach dem Sonntag"
Roman von Clare Sambrook
aus dem Englischen von Anne Rademacher
288 Seiten
Kindler Verlag, 2006
ISBN 3-463-40489-3
Warum sollte man einen Roman lesen, in dem die größte Angst, die man als Elternteil hat, thematisiert wird? Ein Kind verschwindet.
Warum sollte man einen Roman lesen, der aus den Augen eines neunjährigen Kindes geschildert wird und damit kein literarisches Schmankerl verspricht?
Warum sollte man einen Roman lesen, der mit seinem wortreichen Titel erst mal nichts über den Inhalt verrät?
Diese Fragen stellte ich mir, als ich das Buch „Der Freitag nach dem Freitag nach dem Sonntag“ in den Händen hielt. Aber das Cover gefiel mir auf Anhieb sehr gut – immerhin ein Grund, das Buch etwas genauer zu untersuchen. Trotzdem zögerte ich noch, klingt doch der Titel eher bedrohlich und auch das Thema schien – zumal für einen zweifachen Vater – nicht wirklich zur wohligen Zerstreuung geeignet. Aber schon der Auftakt des Buchs fesselt und die Sicht des neunjährigen Harry ist überzeugend dargestellt und sprachlich so gekonnt umgesetzt, dass ich das Buch nicht wieder zur Seite legte.
Was passiert?
Der neunjährige Harry und der fünfjährige Dan sind Brüder und verstehen sich, wie sich zwei Brüder gemeinhin verstehen – wenn es gut läuft. Der große Bruder findet den kleineren öfters man peinlich, die beiden streiten, Harry lässt Dan immer mal wieder seine Überlegenheit spüren. Aber eigentlich mögen sie sich sehr gerne und passen aufeinander auf. Wie überhaupt die Familie einen überaus normalen Eindruck macht, die sich recht erfolgreich und glücklich durch den Alltag kämpft. Bis Dan verschwindet.
Seine Schulklasse besucht zusammen mit der von Harry Legoland. Die Kinder amüsieren sich einen Tag lang im Freizeitpark bis es abends wieder zurück nach London geht. Die verschwitzte Gemütlichkeit im Bus, die erschöpfte Begeisterung der Kinder wird greifbar. Clare Sambrooks Beschreibung ist so anschaulich und plastisch, dass einen die eigene Erinnerung einholt, man sitzt mit im Bus. Doch endlich zu Hause fehlt Dan und die Geschichte von Harry nimmt ihren Lauf – und die Leser sind mittendrin, gerade so, wie man die Busfahrt miterlebt hat.
Aus Harrys Sicht versuchen wir zu verstehen, was mit Dan passiert ist und vor allem, was mit seiner Familie passiert. Wir nehmen die Welt aus der Perspektive eines Kindes im Schockzustand war und spüren selbst den Schock. Der Roman ist zuweilen unglaublich traurig und doch legt man den Roman nicht zur Seite. Man will wissen, wie es weitergeht, leidet mit und wird von der Autorin auch nicht mit dem Schmerz alleingelassen, auf tieftraurige Passagen folgen höchst komische Episoden.
Die Normalität zerbröselt für Harry doch sein Leben geht weiter. Auf die Frage, welche Schuld er am Verschwinden seines kleinen Bruders trägt, folgt die Frage, mit wem er beim Schulfest das Dreibeinrennen bestreiten soll. Auf die Frage, warum seine Mutter nicht mehr das Haus verlässt, folgt die Frage, wer wohl im neuen Schuljahr Bandenchef sein wird. Sein Leben schwankt zwischen für ihn elementaren Fragen hin und her, die er aber zum Teil noch nicht einmal im Ansatz beantworten kann. Weil er zu jung ist? Weil seine Eltern überfordert sind? Weil er vor den Antworten zurückschreckt? Erklärungen gibt es im Roman keine, man muss Harry zuhören, versuchen ihn zu verstehen und so erkennen, wohin sich die Familie entwickelt, wie die Geschichte weitergeht und weitergehen kann.
Als Rezensent den Klappentext zu zitieren scheint fragwürdig, doch kann ich diesesmal unumwunden zustimmen: "Clare Sambrook zeichnet das Porträt eines Neunjährigen im Schockzustand, der mit Schuldgefühlen und dem Verlust eines geliebten Menschen zurechtkommen muss. Fesselnd, authentisch, manchmal fast unerträglich traurig, zugleich lebensbejahend und sehr witzig."
Warum also sollte man „Der Freitag nach dem Freitag nach dem Sonntag“ lesen? Weil es ein traurig-optimistischer Roman ist. Weil es ein sprachlich leicht-beschwingter, überzeugend geschrieben und übersetzter Roman ist. Weil der Titel so viel über das Buch verrät – weil es schlichtweg ein brillanter Roman ist. Eines der besten Bücher, das ich in den letzten Jahren gelesen habe!