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Die kleine Wortgeschichte: „hänseln“

Wer beim Wort hänseln an Hänsel und Gretel denkt, liegt gar nicht so falsch. Das Wortspiel in Engelbert Humperdincks bekannter Märchenoper (»Ach Hänselein, du willst mich hänseln noch?«) erinnert daran, dass Hans als der zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert am weitesten verbreitete deutsche Vorname in vielen Redewendungen (Hans im Glück, der Scharfrichter »Meister Hans«, der »blanke Hans«) erschien, sondern auch als Symbol für Einfältigkeit stand: Hanswurst, Hans Narr, Prahlhans. Wenn man jemanden hänselt, ihn also foppt, aufzieht, zum Besten hält, ihn neckt und narrt, macht man ihn zum dummen Hans.

Diese spöttische Bedeutung kam allerdings erst im ausgehenden Mittelalter auf. Der Ursprung des Wortes liegt weiter zurück: Schon 1259 erscheint es in Köln als »hansin«. Wahrscheinlich entstand es im Zusammenhang mit der Hanse, der norddeutschen Handelsvereinigung des Mittelalters, und bezeichnete die Aufnahme eines neuen Mitgliedes: Das althochdeutsche hansa bedeutet »(Krieger-)Schar«, das mittelhochdeutsche hanse »Kaufmannsgilde, Genossenschaft«. Die Aufnahmeprüfung war mit allerlei ernsten wie spaßigen Bräuchen verbunden, die durchaus brutale Züge annehmen konnten. So war es mitunter üblich, den Neuling am Seil unter einem Schiffsrumpf hindurchzuziehen.

Im Lauf der Jahrhunderte verflachte die ursprüngliche Bedeutung des Hänselns immer mehr: Jemanden zum Narren zu haben, ja ihn körperlich zu schikanieren, trat nun in den Vordergrund. Ob bei dieser Sinn-Wandlung noch das seit dem 15. Jahrhundert bekannte nassauische »hohnseln« (von Hohn) und das oberdeutsche »hanzeln« = tätscheln, streicheln (von »Hand«) eine Rolle spielten, ist nicht eindeutig geklärt. Jedenfalls nahmen verschiedenste Gruppen der Gesellschaft das »Hänselrecht« für sich in Anspruch. In St. Goar etwa, so verkündet die »Borßbandts Ortung« von 1627, war das Verhansen Vorbedingung für den Warenverkauf auf dem Markt; es wurde aber auch scherzhaft an durchreisenden Fremden ausgeübt. Studentenvereinigungen an vielen Universitäten entwickelten ebenfalls eigene Bräuche, die oft kirchliche Riten nachahmten und persiflierten.

In der Regel ging es vor allem darum, dem Gehänselten Geld für die nächste Wirtshausrunde abzupressen. Ein verspätet zur Arbeit erscheinender Zimmermann muss noch heute damit rechnen, dass ihn die Kollegen mit einer Schnur umwickeln und ihn die nächste Zeche zahlen lassen. Auch bei der Äquatortaufe, einem Hänsel-Ritual aus neuerer Zeit, geht es oft recht feuchtfröhlich zu. Ganz zu schweigen von den Offizierstaufen bei der Bundeswehr, bei denen die Hänselei schon recht handfeste alt-hanseatische Züge annehmen kann.

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