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„Coolcation“ als neuer Reisetrend?

Die Sommer werden immer heißer – erst recht in typischen südeuropäischen Urlaubsländern wie Italien und Spanien. Immer mehr deutsche Urlauber zieht es daher in den Sommerferien nach Norden statt in den Süden. Diese Art von Urlaub wird auch „Coolcation“ oder „Übersommern“ genannt. Doch welche nordischen Reiseziele bieten sich dafür besonders an? Was kann man dort erleben? Und welche Schattenseiten birgt der Trend?
AMA, 05.06.2025
Balestrand im Sognefjord
Ein zukünftiger Coolcation-Profiteur? Der malerisch im norwegischen Sognefjord gelegene Ort Balestrand.

© MariusLtu, iStock

Heftige Hitzewellen sind in Europa längst keine Seltenheit mehr. Im Sommerurlaub in den Süden zu fahren, um sich dort noch extremeren Temperaturen auszusetzen, kommt daher für immer weniger Deutsche in Frage. Um der zermürbenden Hitze zu entfliehen, buchen sie stattdessen Reisen in den Norden – zum Beispiel nach Schweden oder Norwegen. Diese Flucht vor der Hitze hat sich längst zum Reisetrend entwickelt – und sogar einen eigenen Namen: „Coolcation“. Der Begriff setzt sich aus den englischen Wörtern „cool“ (kühl) und „vacation“ (Urlaub) zusammen.

Auf dem Weg zum Übersommern

Der Reisetrend ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen. In einer entsprechenden Untersuchung der Europäischen Union heißt es dazu: „Wir stellen ein klares Nord-Süd-Muster bei den Veränderungen der Tourismusnachfrage fest. Die nördlichen Regionen profitieren vom Klimawandel, während die südlichen Regionen mit erheblichen Rückgängen der Tourismusnachfrage konfrontiert sind.“ Ein weiteres Fazit der Studie: Je heißer es in Zukunft wird, desto stärker prägt sich wahrscheinlich auch der Trend zur „Coolcation“ aus. Künftig dürften deutsche Urlauber somit öfter beziehungsweise länger am Stück in den Norden flüchten.

Tatsächlich steigt schon heute die Nachfrage nach einer solchen ausgedehnten sommerlichen Flucht in kühlere Breiten, wie eine Analyse der Ferienhausplattform „FeWo-direkt“ ergeben hat. Demnach wurde 2025 rund 30 Prozent häufiger nach vier Wochen Sommerurlaub in Schweden gesucht als noch im vergangenen Jahr. Entsprechende Suchen nach längeren Aufenthalten in Dänemark sammelten im Jahresvergleich sogar 35 Prozent mehr Klicks.

„Der Reisetrend Coolcation entwickelt sich weiter“, sagt Susanne Dopp von FeWo-direkt dazu. „Hitzewellen werden häufiger und immer mehr Menschen denken darüber nach, einen Teil des Sommers in Regionen mit angenehmerem Klima zu verbringen. Analog zum Überwintern ist das Phänomen des Übersommerns entstanden.“

Malerisches Cancale in der Bretagne
Idyllischer Badeort mit bretonischem Charme: das Hafenstädtchen Cancale an der bretonischen Smaragdküste.

© MEDITERRANEAN, iStock

Auch Ostsee und Frankreich profitieren

Doch längst nicht nur Skandinavien und andere nordeuropäische Ländern profitieren von den „Klimatouristen“. Auch Orte an der gemäßigten Ostsee- und Atlantikküste mausern sich im Sommer 2025 zu beliebten Zielen bei Langzeitferiengästen, wie die Analyse von FeWo-direkt ergeben hat. Suchanfragen für mehrwöchige Ferienhausaufenthalte an der Ostsee liegen dort aktuell 105 Prozent über denen vom vergangenen Sommer. Beim französischen Département Finistère im Westen der Bretagne hat FeWo-direkt sogar 160 Prozent mehr Suchanfragen registriert.

Der Grund: „Die Lebenshaltungskosten sind in Ländern wie Frankreich niedriger als in Skandinavien“, so Dopp. „Das hat in wirtschaftlich schwachen Zeiten ebenfalls Einfluss auf die Wahl des Reiseziels und mag mit ein Grund dafür sein, dass das Interesse an der Bretagne noch stärker gestiegen ist als an Dänemark und Schweden.“

Auch relevant für die Reise-Entscheidung sind die angestrebten Aktivitäten vor Ort. Hier liegt der Fokus einer „Coolcation“ häufig auf Ausflügen in die Natur, Wandern, Campen und Städteerkundungen. Dabei müssen Touristen sich im Norden auch keine Sorgen machen, dass bestimmte Sehenswürdigkeiten wegen extremer Hitze geschlossen sind oder Waldbrände die geplante Route gefährden – zwei zunehmende Risiken von Urlauben im Süden.

Werbestreich oder Umweltsünde?

Aktuell sehen die meisten Coolcation-Ziele den wachsenden Touristenströmen noch gelassen entgegen und bewerben sich selbst sogar aktiv mit dem Label einer „erfrischenden“ Urlaubsdestination. Vorreiter dürfte in dieser Hinsicht die staatliche schwedische Tourismusagentur „Visit Sweden“ sein, die dank gezielter Vermarktung als eines der ersten Suchergebnisse erscheint, wenn man bei Google nach einer Coolcation sucht.

Doch es gibt auch Bedenken – unter anderem, ob es moralisch vertretbar ist, aus dem Klimawandel Profit zu schlagen. Gleichzeitig besteht die Sorge, dass die vielen Touristen den Klimawandel beschleunigen könnten – etwa durch weite Anreisen per Flugzeug. Damit könnten sie einige Landschaften, die sie eigentlich besichtigen wollen, mit der Zeit für immer zerstören. Das gilt insbesondere für schmelzende Gletscher sowie für alpine und bislang unberührte Regionen.

Wer seine Coolcation nachhaltiger gestalten möchte, kann zum Beispiel mit der Fähre statt mit dem Flugzeug anreisen und vor Ort öffentliche Verkehrsmittel statt eines Autos nutzen. Außerdem gibt es eine große Auswahl an umweltfreundlichen Ferienunterkünften und nachhaltigen Reiseveranstaltern. Eine intensive Recherche lohnt sich daher.

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