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Der doppelte Hunger: „Kohldampf“

Da hilft der Pausenriegel für den kleinen Hunger zwischendurch nicht mehr. Wenn man richtig Kohldampf schiebt, hängt einem der Magen bereits derart in den Kniekehlen, dass - so hat es der wortgewaltige barocke Bußprediger Abraham a Santa Clara formuliert - »einem die Schwarten krachen«. Dann hat man Hunger wie ein Wolf, dann hat man im wahrsten Wortsinn Hunger für zwei.

Der Kohldampf rührt nämlich keineswegs von den Blähungen her, die irgendeine traurige Gemüsediät hervorruft. Vielmehr ist er aus zwei gleichbedeutenden Worten zusammengesetzt: aus »Koll« bzw. »Kohler« und aus »Dampf«, die jedes für sich »Hunger« meinen. Es handelt sich also um eine Verstärkung durch Verdopplung, um eine Tautologie, wie die Fachleute sagen, um »Hunger-Hunger« . Als habe man das Wort noch mal unterstrichen, für eine extragroße Portion.

Beide Ausdrücke, die im 19. Jahrhundert zum ersten Mal in trauter Zweisamkeit auftauchten und vor allem von Kleinkriminellen, wandernden Handwerksburschen und (oft schlecht besoldeten) Soldaten benutzt wurden, entstammen dem Rotwelsch, der Sprache der der Gauner. Der Begriff ist also von Fachleuten erdacht worden, denn es ist leicht nachvollziehbar, dass der Speisezettel von Dieben und Einbrechern entscheidend von den Tageseinnahmen abhing. Je geringer die Beute, umso ärger knurrte der Magen.

Warum der Kohldampf auch noch geschoben wird, lässt sich leicht erklären: »Schieben« leitet sich vom rotwelschen »scheffen« ab, das so viel bedeutet wie »sitzen bleiben, sich befinden«. Wer Kohldampf schiebt, hockt quasi auf einem Riesenhunger. Und den kann selbst ein Helmut Kohl nicht aussitzen.

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