Die Amateurfrage
Viele Städte erhielten lediglich nach mehreren Anläufen die olympischen Weihen. Sapporo bekam erst nach dem Auftrag von 1940 und der erfolglosen Bewerbung 1968 den Zuschlag durch das IOC.
Die japanische Regierung betrachtete die XI. Winterspiele 1972 als Prestigeprojekt und investierte immense Summen in den Bau neuer Sportstätten. Die Industriemetropole Sapporo organisierte die bis dahin aufwändigsten und teuersten Spiele. Haupteinnahmequelle war der Verkauf der Fernsehübertragungsrechte: Während vier Jahre zuvor in Grenoble noch 2,6 Mio. US-Dollar für den Erwerb der TV-Rechte ausgereicht hatten, kosteten sie 1972 mehr als das Dreifache: 8,47 Mio. Zwei Drittel dieses Betrags flossen in die Kassen der Ausrichter.
Einen Tag vor Beginn der Spiele sorgte der “Fall Schranz” für Schlagzeilen. Der österreichische Skirennläufer musste das olympische Dorf verlassen, weil er gegen den Amateurstatus verstoßen hatte. Dem 33jährigen Arlberger wurde unerlaubte Werbung zur Last gelegt, nach den Richtlinien des IOC eine nicht zulässige “Kapitalisierung” des sportlichen Erfolgs. Mit dem Ausschluss statuierte IOC-Präsident Avery Brundage im Jahr seiner Amtsablösung ein Exempel im Kampf gegen die Kommerzialisierung des Sports. Seine Forderung, 53 weiteren angeblichen “Profis” unter den Aktiven die Teilnahme zu verweigern, hatte eine Mehrheit im IOC zurückgewiesen.
Auch im Eishockey sorgte die Amateurfrage für Aufregung: Kanada wollte einige Spieler der nordamerikanischen Profiliga einsetzen, da auch die Ostblockstaaten sog. Staatsamateure – nach kanadischer Auffassung ebenfalls Profis – zu den Spielen entsandten. Nachdem die Internationale Eishockeyföderation und das IOC Kanadas Ansinnen strikt abgelehnt hatten, blieb das kanadische Team dem Turnier fern.
Sportlich boten die Spiele einige Überraschungen: Zum ersten Mal in der Geschichte der Winterspiele kamen mit den Japanern Yukio Kasaya, Akitsugu Konno und Seiji Aochi (Spezialsprunglauf von der Normalschanze) alle drei Medaillengewinner eines Wettbewerbs aus einem Land. Erstmals Gold gab es für Polen durch Wojciech Fortuna (Spezialsprunglauf von der Großschanze) und für Spanien durch Francisco Fernández Ochoa (Slalom).
Erfolgreichste Teilnehmer waren die sowjetische Langläuferin Galina Kulakowa und der niederländische Eisschnellläufer Ard Schenk mit jeweils drei Goldmedaillen. Schenk vergab seine Chance auf ein viertes Edelmetall durch einen Sturz beim Start über 500 m. Letztmalig profitierten die pflichtstarken Eiskunstläufer von der gleichberechtigten Pflicht- und Kürbewertung: Die Österreicherin Beatrix Schuba gewann Gold, obwohl sie in der Kür nur an neunter Stelle lag.